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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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poetisch so dankbaren Waidmannsbränche in der anmuthenden Waidmmms-
Sprache, zu verbinden: die Handlung erlaubt sreie Bewegung der Erfindung
mit Einschaltung lyrischer Stücke von Liebes-, Trink-, Jagdliedern, mit allerlei
andern Liedern: der großartige/geheimnißvolle, mythische Hintergrund breitet einen
ahnungsvollen Schatten über das Bild. Dazu kommt, daß der Verfasser, ein
Sohn des Harzes, "des Thales der wilden Bode", -- dieser seiner .Heimath
ist das Gedicht in schwungvollen Vorwort gewidmet -- mit der Landschaft
durch die genaueste Kenntniß, durch die Spiele des Knaben, die Wanderungen
des Jünglings, die Heimathliebe des Mannes vertraut und verwachsen ist.
Man durfte bei der Wahl dieses Stoffes durch diesen Dichter Ausgezeichnetes
erwarten: diese Erwartung ist in reichstem Maß erfüllt. Mit Ausnahme
eines Bedenkens gegenüber der Komposition -- die Art der Schuld, in welche
der Held verstrickt wird: (die Preisgebung des Freundes und Nebenbuhlers in
der Schlacht) würde ich anders gewählt haben -- ist gegen die Dichtung kein
Einwand zu erheben und fast alles als im höchsten Grade gelungen zu loben.
Von der Fabel verrathe ich nichts: soll den Lesern die Freude nicht verdorben
werden. Die Form im weitesten und edelsten Sinn des Worts ist geradezu
mit Meisterschaft behandelt: die Studien in den Jagdalterthümern sind ebenso
gründlich und umfassend, als die Verwerthung dieser Dinge maßvoll, taktvoll,
glücklich gewählt erscheint: und wie nahe lag gerade bei so reich gehäuftem
Material, die Gefahr, die Versuchung, hierin des Guten zu viel zu thun.
Die Naturschilderungen -- gleich der Eingang, Frühlingseinkehr im Harz, und
am Schluß das Vorübersausen der wilden Jagd sind von berauschender
Schönheit; aber auch die Falkenjagd, die herrliche Hirsch-Jagd, das Treiben
der Jäger in dem Burghof und vor allem die wald-duftige Gestalt der Köhler-
linder sind von mächtigster und zartester Poesie durchdrungen: seit der "blonden
Lisbeth" habe ich keine solche Mädchengestalt in deutscher Dichtung angetroffen.
Die Liebes- und Wald-Lieder, auch die Trink- und Jagdlieder, ebenfalls mit
weiser Beschränkung eingestreut, stehen dem Besten was wir auf diesem Gebiet
besitzen, ebenbürtig zur Seite und ich trete keinem zu nahe, wenn ich sage,
eine Dichtung wie dieser "wilde Jäger" (und sein älterer Bruder der Ratten¬
fänger) ist, schreibt gleich vortrefflich heute in Deutschland nur noch Ewer.
Und dieser Eine heißt Josef Viktor.


Felix Dahn.


Verantwortlicher Redakteur: or. Huus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L> Hcrbig in Leipzig. - Druck von Hiithcl <K Hcrrmnn" in Leipzig.

poetisch so dankbaren Waidmannsbränche in der anmuthenden Waidmmms-
Sprache, zu verbinden: die Handlung erlaubt sreie Bewegung der Erfindung
mit Einschaltung lyrischer Stücke von Liebes-, Trink-, Jagdliedern, mit allerlei
andern Liedern: der großartige/geheimnißvolle, mythische Hintergrund breitet einen
ahnungsvollen Schatten über das Bild. Dazu kommt, daß der Verfasser, ein
Sohn des Harzes, „des Thales der wilden Bode", — dieser seiner .Heimath
ist das Gedicht in schwungvollen Vorwort gewidmet — mit der Landschaft
durch die genaueste Kenntniß, durch die Spiele des Knaben, die Wanderungen
des Jünglings, die Heimathliebe des Mannes vertraut und verwachsen ist.
Man durfte bei der Wahl dieses Stoffes durch diesen Dichter Ausgezeichnetes
erwarten: diese Erwartung ist in reichstem Maß erfüllt. Mit Ausnahme
eines Bedenkens gegenüber der Komposition — die Art der Schuld, in welche
der Held verstrickt wird: (die Preisgebung des Freundes und Nebenbuhlers in
der Schlacht) würde ich anders gewählt haben — ist gegen die Dichtung kein
Einwand zu erheben und fast alles als im höchsten Grade gelungen zu loben.
Von der Fabel verrathe ich nichts: soll den Lesern die Freude nicht verdorben
werden. Die Form im weitesten und edelsten Sinn des Worts ist geradezu
mit Meisterschaft behandelt: die Studien in den Jagdalterthümern sind ebenso
gründlich und umfassend, als die Verwerthung dieser Dinge maßvoll, taktvoll,
glücklich gewählt erscheint: und wie nahe lag gerade bei so reich gehäuftem
Material, die Gefahr, die Versuchung, hierin des Guten zu viel zu thun.
Die Naturschilderungen — gleich der Eingang, Frühlingseinkehr im Harz, und
am Schluß das Vorübersausen der wilden Jagd sind von berauschender
Schönheit; aber auch die Falkenjagd, die herrliche Hirsch-Jagd, das Treiben
der Jäger in dem Burghof und vor allem die wald-duftige Gestalt der Köhler-
linder sind von mächtigster und zartester Poesie durchdrungen: seit der „blonden
Lisbeth" habe ich keine solche Mädchengestalt in deutscher Dichtung angetroffen.
Die Liebes- und Wald-Lieder, auch die Trink- und Jagdlieder, ebenfalls mit
weiser Beschränkung eingestreut, stehen dem Besten was wir auf diesem Gebiet
besitzen, ebenbürtig zur Seite und ich trete keinem zu nahe, wenn ich sage,
eine Dichtung wie dieser „wilde Jäger" (und sein älterer Bruder der Ratten¬
fänger) ist, schreibt gleich vortrefflich heute in Deutschland nur noch Ewer.
Und dieser Eine heißt Josef Viktor.


Felix Dahn.


Verantwortlicher Redakteur: or. Huus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L> Hcrbig in Leipzig. - Druck von Hiithcl <K Hcrrmnn» in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/88>, abgerufen am 14.05.2024.