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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Die pariser Weltausstellung.
Von Adolf Rosenberg.

4. Die englische Ausstellung. -- Charakter der englischen Malerei. -- Die englische
Plastik.

Mit einem Kostenaufwand", der an das Märchenhafte grenzt und den
kaum ein zweites Volk der Welt wiederholen konnte, hat die englische Nation
die Ehre des Prinzen von Wales vertreten, welcher das Protektorat über die
englische Ausstellung und damit zugleich die Bürgschaft eines außerordentlichen
Gelingens übernahm. Ju welcher Weife der Prinz seine Pflicht als Aussteller
erfüllt hat, haben wir bei der Beschreibung seiner Schätze gesehen, welche in
diesem Jahre ebensosehr eine der glänzendsten Centralsonnen der Ausstellung
bilden wie 1867 die Juwelen der englischen Krone. Wenn man letztere jetzt
vermißt und ihr Fernbleiben dadurch motivirt hat, daß England zu wenig
Vertrauen in die Dauerhaftigkeit der politischen Verhältnisse Frankreichs setze,
um einem Lande, in dem die heftigsten Parteikämpfe hin- und herwogen und
bald ein klerikales, bald ein bonapartistisches, bald ein republikanisches Mini¬
sterium an die Oberfläche werfen, seinen Kohinor und dessen Trabanten anzu¬
vertrauen, so läßt sich dagegen die Thatsache anführen, daß die Schätze des
Prinzen von Wales einen nicht viel geringeren Werth repräsentiren und daß
England süglich keine kostbareren Güter nach Paris schicken konnte, als die
erlesene Auswahl von Gemälden und Aquarellen, welche acht große Säle der
Kunsthalle füllt. Der Grund, weshalb England seine Krondiamanten nicht
ausgestellt hat, mag einerseits darin liegen, daß es den Glanz der Sammlung
des Prinzen nicht verdunkeln wollte, andererseits darin, daß die französische
Regierung ihren Kronschatz auszustellen beabsichtigte. Dieser Entschluß der
letzteren ist vielfach bespöttelt worden. Nicht mit Unrecht. Eine republi¬
kanische Regierung stellt die Juwelen der Krone aus, die unter den An¬
hängern der verschiedenen monarchischen Parteien die glänzendsten Erinnerungen
und die weitgehendstell Hoffnungen und Wünsche wachrufen. Man braucht
nur den köstlichen Svlitär zu betrachten, den Napoleon III. bei seiner Hochzeit
mit der Gräfin von Mvntijo am Degen trug. Man braucht nur an die wechsel-
vollen Schicksale zu denken, welche diese herrlichen Diamanten während der
ersten französischen Revolution zu erdulden hatten. Hat das Kaiserreich, so
fragte man mit bitterem Hohn, denn auch im Jahre 1867 eine Ausstellung von
phrhgischen Mützen veranstaltet?

England wollte also nicht mit den französischen Krondiamanten rivalisiren.


Die pariser Weltausstellung.
Von Adolf Rosenberg.

4. Die englische Ausstellung. — Charakter der englischen Malerei. — Die englische
Plastik.

Mit einem Kostenaufwand«, der an das Märchenhafte grenzt und den
kaum ein zweites Volk der Welt wiederholen konnte, hat die englische Nation
die Ehre des Prinzen von Wales vertreten, welcher das Protektorat über die
englische Ausstellung und damit zugleich die Bürgschaft eines außerordentlichen
Gelingens übernahm. Ju welcher Weife der Prinz seine Pflicht als Aussteller
erfüllt hat, haben wir bei der Beschreibung seiner Schätze gesehen, welche in
diesem Jahre ebensosehr eine der glänzendsten Centralsonnen der Ausstellung
bilden wie 1867 die Juwelen der englischen Krone. Wenn man letztere jetzt
vermißt und ihr Fernbleiben dadurch motivirt hat, daß England zu wenig
Vertrauen in die Dauerhaftigkeit der politischen Verhältnisse Frankreichs setze,
um einem Lande, in dem die heftigsten Parteikämpfe hin- und herwogen und
bald ein klerikales, bald ein bonapartistisches, bald ein republikanisches Mini¬
sterium an die Oberfläche werfen, seinen Kohinor und dessen Trabanten anzu¬
vertrauen, so läßt sich dagegen die Thatsache anführen, daß die Schätze des
Prinzen von Wales einen nicht viel geringeren Werth repräsentiren und daß
England süglich keine kostbareren Güter nach Paris schicken konnte, als die
erlesene Auswahl von Gemälden und Aquarellen, welche acht große Säle der
Kunsthalle füllt. Der Grund, weshalb England seine Krondiamanten nicht
ausgestellt hat, mag einerseits darin liegen, daß es den Glanz der Sammlung
des Prinzen nicht verdunkeln wollte, andererseits darin, daß die französische
Regierung ihren Kronschatz auszustellen beabsichtigte. Dieser Entschluß der
letzteren ist vielfach bespöttelt worden. Nicht mit Unrecht. Eine republi¬
kanische Regierung stellt die Juwelen der Krone aus, die unter den An¬
hängern der verschiedenen monarchischen Parteien die glänzendsten Erinnerungen
und die weitgehendstell Hoffnungen und Wünsche wachrufen. Man braucht
nur den köstlichen Svlitär zu betrachten, den Napoleon III. bei seiner Hochzeit
mit der Gräfin von Mvntijo am Degen trug. Man braucht nur an die wechsel-
vollen Schicksale zu denken, welche diese herrlichen Diamanten während der
ersten französischen Revolution zu erdulden hatten. Hat das Kaiserreich, so
fragte man mit bitterem Hohn, denn auch im Jahre 1867 eine Ausstellung von
phrhgischen Mützen veranstaltet?

England wollte also nicht mit den französischen Krondiamanten rivalisiren.


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[0112] Die pariser Weltausstellung. Von Adolf Rosenberg. 4. Die englische Ausstellung. — Charakter der englischen Malerei. — Die englische Plastik. Mit einem Kostenaufwand«, der an das Märchenhafte grenzt und den kaum ein zweites Volk der Welt wiederholen konnte, hat die englische Nation die Ehre des Prinzen von Wales vertreten, welcher das Protektorat über die englische Ausstellung und damit zugleich die Bürgschaft eines außerordentlichen Gelingens übernahm. Ju welcher Weife der Prinz seine Pflicht als Aussteller erfüllt hat, haben wir bei der Beschreibung seiner Schätze gesehen, welche in diesem Jahre ebensosehr eine der glänzendsten Centralsonnen der Ausstellung bilden wie 1867 die Juwelen der englischen Krone. Wenn man letztere jetzt vermißt und ihr Fernbleiben dadurch motivirt hat, daß England zu wenig Vertrauen in die Dauerhaftigkeit der politischen Verhältnisse Frankreichs setze, um einem Lande, in dem die heftigsten Parteikämpfe hin- und herwogen und bald ein klerikales, bald ein bonapartistisches, bald ein republikanisches Mini¬ sterium an die Oberfläche werfen, seinen Kohinor und dessen Trabanten anzu¬ vertrauen, so läßt sich dagegen die Thatsache anführen, daß die Schätze des Prinzen von Wales einen nicht viel geringeren Werth repräsentiren und daß England süglich keine kostbareren Güter nach Paris schicken konnte, als die erlesene Auswahl von Gemälden und Aquarellen, welche acht große Säle der Kunsthalle füllt. Der Grund, weshalb England seine Krondiamanten nicht ausgestellt hat, mag einerseits darin liegen, daß es den Glanz der Sammlung des Prinzen nicht verdunkeln wollte, andererseits darin, daß die französische Regierung ihren Kronschatz auszustellen beabsichtigte. Dieser Entschluß der letzteren ist vielfach bespöttelt worden. Nicht mit Unrecht. Eine republi¬ kanische Regierung stellt die Juwelen der Krone aus, die unter den An¬ hängern der verschiedenen monarchischen Parteien die glänzendsten Erinnerungen und die weitgehendstell Hoffnungen und Wünsche wachrufen. Man braucht nur den köstlichen Svlitär zu betrachten, den Napoleon III. bei seiner Hochzeit mit der Gräfin von Mvntijo am Degen trug. Man braucht nur an die wechsel- vollen Schicksale zu denken, welche diese herrlichen Diamanten während der ersten französischen Revolution zu erdulden hatten. Hat das Kaiserreich, so fragte man mit bitterem Hohn, denn auch im Jahre 1867 eine Ausstellung von phrhgischen Mützen veranstaltet? England wollte also nicht mit den französischen Krondiamanten rivalisiren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/112>, abgerufen am 05.05.2024.