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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Die Entwickelung des altrömischen Kriegswesens.
Von Max Jähns. VI.
Die Zeit des Hcmnibcilischen Krieges.

Nach dem Frieden d. I. 241 wurde Karthago länger als vier Jahre durch
einen großartigen Aufstand seiner Söldner in Anspruch genommen und da¬
durch in eine so schwierige Lage versetzt, daß Rom ohne Weiteres auch Sar¬
dinien an sich reißen konnte. Dann begründete der Senat in den zwei illy¬
rischen Kriegen (229 u. 219) seine Herrschaft an der Ostküste der Adria und
wehrte in rühmlichem Kampfe einem neuen Einbruch der Gallier. Bei Telamon
an der Mündung des Ombrona geschah der Hauptschlag. Der Widerstand,
den die Gallier leisteten, war heldenhaft; aber der pilumschlendernden Mani-
pularlegion erlag die Schwerterphalanx; die Niederlage der Gallier war un¬
erhört: 40,000 fielen, 10,000 wurden gefangen. Nun griff Rom die Kelten
in ihren eigenen Sitzen an; die Gallier in den Landschaften südlich des Po ver¬
fielen rettungsloser Vernichtung; römische Kolonien verdrängten sie und rotteten
sie ans. Piacenza, Cremona, Modena sind hier die Pflanzschulen der Latinität
geworden. Schon bereitete man weitere Landanweisnngeu vor, als plötzlich
Karthago wieder das Haupt erhob.

Um den Verlust Sizilien's und Sardinien's auszugleichen, war Hamilkar
Barkas i. I. 237 nach Spanien gegangen und hatte einen großen Theil des
reichen Landes erobert. Nach dem Tode des ausgezeichneten Mannes setzte
sein Schwiegersohn Hasdrubal das Unternehmen fort, und diesem folgte 221
sein Sohn Hannibal, der zunächst die gemachten Eroberungen befestigte und
erweiterte und dann i. I. 219 das mit Rom verbündete Sagunt angriff und
dadurch den Krieg herbeiführte, dessen Seele er war und der mit Recht nach
ihm als der Hannibalische Krieg bezeichnet wird. Was den Sohn des
Hamilkar vor Allem beseelte, das war der tiefste und leidenschaftlichste Haß
gegen Rom, und niemals hat sich der Geist und Wille eines Volkes vollkom¬
mener und edler in einem einzigen Manne ausgeprägt als der Wille Karthago's
in Hannibal. Einem gefährlicheren Gegner als ihm ist Rom nie begegnet.
Zwanzig Jahre waren seit dem Frieden von 241 verflossen; mit staunens¬
werthen Erfolge hatte Karthago sich innerlich verjüngt und nach Außen ge¬
kräftigt. Die Regierung, getragen und gestützt durch das von der Aristokraten¬
herrschaft emanzipirte Volk, war geleitet von der starken Hand der Barkiden.
Es schien Hannibal an der Zeit, Rom die Stirne zu zeigen.


Die Entwickelung des altrömischen Kriegswesens.
Von Max Jähns. VI.
Die Zeit des Hcmnibcilischen Krieges.

Nach dem Frieden d. I. 241 wurde Karthago länger als vier Jahre durch
einen großartigen Aufstand seiner Söldner in Anspruch genommen und da¬
durch in eine so schwierige Lage versetzt, daß Rom ohne Weiteres auch Sar¬
dinien an sich reißen konnte. Dann begründete der Senat in den zwei illy¬
rischen Kriegen (229 u. 219) seine Herrschaft an der Ostküste der Adria und
wehrte in rühmlichem Kampfe einem neuen Einbruch der Gallier. Bei Telamon
an der Mündung des Ombrona geschah der Hauptschlag. Der Widerstand,
den die Gallier leisteten, war heldenhaft; aber der pilumschlendernden Mani-
pularlegion erlag die Schwerterphalanx; die Niederlage der Gallier war un¬
erhört: 40,000 fielen, 10,000 wurden gefangen. Nun griff Rom die Kelten
in ihren eigenen Sitzen an; die Gallier in den Landschaften südlich des Po ver¬
fielen rettungsloser Vernichtung; römische Kolonien verdrängten sie und rotteten
sie ans. Piacenza, Cremona, Modena sind hier die Pflanzschulen der Latinität
geworden. Schon bereitete man weitere Landanweisnngeu vor, als plötzlich
Karthago wieder das Haupt erhob.

Um den Verlust Sizilien's und Sardinien's auszugleichen, war Hamilkar
Barkas i. I. 237 nach Spanien gegangen und hatte einen großen Theil des
reichen Landes erobert. Nach dem Tode des ausgezeichneten Mannes setzte
sein Schwiegersohn Hasdrubal das Unternehmen fort, und diesem folgte 221
sein Sohn Hannibal, der zunächst die gemachten Eroberungen befestigte und
erweiterte und dann i. I. 219 das mit Rom verbündete Sagunt angriff und
dadurch den Krieg herbeiführte, dessen Seele er war und der mit Recht nach
ihm als der Hannibalische Krieg bezeichnet wird. Was den Sohn des
Hamilkar vor Allem beseelte, das war der tiefste und leidenschaftlichste Haß
gegen Rom, und niemals hat sich der Geist und Wille eines Volkes vollkom¬
mener und edler in einem einzigen Manne ausgeprägt als der Wille Karthago's
in Hannibal. Einem gefährlicheren Gegner als ihm ist Rom nie begegnet.
Zwanzig Jahre waren seit dem Frieden von 241 verflossen; mit staunens¬
werthen Erfolge hatte Karthago sich innerlich verjüngt und nach Außen ge¬
kräftigt. Die Regierung, getragen und gestützt durch das von der Aristokraten¬
herrschaft emanzipirte Volk, war geleitet von der starken Hand der Barkiden.
Es schien Hannibal an der Zeit, Rom die Stirne zu zeigen.


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[0310] Die Entwickelung des altrömischen Kriegswesens. Von Max Jähns. VI. Die Zeit des Hcmnibcilischen Krieges. Nach dem Frieden d. I. 241 wurde Karthago länger als vier Jahre durch einen großartigen Aufstand seiner Söldner in Anspruch genommen und da¬ durch in eine so schwierige Lage versetzt, daß Rom ohne Weiteres auch Sar¬ dinien an sich reißen konnte. Dann begründete der Senat in den zwei illy¬ rischen Kriegen (229 u. 219) seine Herrschaft an der Ostküste der Adria und wehrte in rühmlichem Kampfe einem neuen Einbruch der Gallier. Bei Telamon an der Mündung des Ombrona geschah der Hauptschlag. Der Widerstand, den die Gallier leisteten, war heldenhaft; aber der pilumschlendernden Mani- pularlegion erlag die Schwerterphalanx; die Niederlage der Gallier war un¬ erhört: 40,000 fielen, 10,000 wurden gefangen. Nun griff Rom die Kelten in ihren eigenen Sitzen an; die Gallier in den Landschaften südlich des Po ver¬ fielen rettungsloser Vernichtung; römische Kolonien verdrängten sie und rotteten sie ans. Piacenza, Cremona, Modena sind hier die Pflanzschulen der Latinität geworden. Schon bereitete man weitere Landanweisnngeu vor, als plötzlich Karthago wieder das Haupt erhob. Um den Verlust Sizilien's und Sardinien's auszugleichen, war Hamilkar Barkas i. I. 237 nach Spanien gegangen und hatte einen großen Theil des reichen Landes erobert. Nach dem Tode des ausgezeichneten Mannes setzte sein Schwiegersohn Hasdrubal das Unternehmen fort, und diesem folgte 221 sein Sohn Hannibal, der zunächst die gemachten Eroberungen befestigte und erweiterte und dann i. I. 219 das mit Rom verbündete Sagunt angriff und dadurch den Krieg herbeiführte, dessen Seele er war und der mit Recht nach ihm als der Hannibalische Krieg bezeichnet wird. Was den Sohn des Hamilkar vor Allem beseelte, das war der tiefste und leidenschaftlichste Haß gegen Rom, und niemals hat sich der Geist und Wille eines Volkes vollkom¬ mener und edler in einem einzigen Manne ausgeprägt als der Wille Karthago's in Hannibal. Einem gefährlicheren Gegner als ihm ist Rom nie begegnet. Zwanzig Jahre waren seit dem Frieden von 241 verflossen; mit staunens¬ werthen Erfolge hatte Karthago sich innerlich verjüngt und nach Außen ge¬ kräftigt. Die Regierung, getragen und gestützt durch das von der Aristokraten¬ herrschaft emanzipirte Volk, war geleitet von der starken Hand der Barkiden. Es schien Hannibal an der Zeit, Rom die Stirne zu zeigen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/310>, abgerufen am 04.05.2024.