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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Hoetlje's Stellung zur Jenaer Meraturzeitung.

Seitdem (1785) die Jencier Literaturzeitung begründet war, hatte der Ruf
der Universität in so außerordentlicher Weise sich gesteigert, daß Jena unter
den deutschen Universitäten eine hervorragende Stelle behauptete. Plötzlich im
Sommer 1803 traten Verhältnisse ein, die nicht allein die Verlegung der
Redaction dieser Zeitung bedingten, sondern auch geeignet waren, die Univer¬
sität in ihren Fundamenten zu erschüttern. Eine Reihe bedeutender Männer
hatte sich im Stillen geeinigt, Jena zu verlassen, und die Kunde von diesem
Entschlüsse erregte um so mehr Aufsehen, als bestimmte Nachrichten durch einen
von Berlin datirten Artikel in der Hamburger neuen Zeitung, in die Weimar-
Jenaischen Kreise gelangten. Der gelehrte und berühmte Hofrath Schütz in
Jena und mit ihm die dortige Literaturzeitung, hieß es, werden nach Halle
übersiedeln, nachdem der König von Preußen diesen und den Mitredactenr
Professor Ersch unter sehr ehrenwerthen Bedingungen in seine Dienste ge¬
nommen, und für alle aus der Uebersiedelung der Literaturzeitung erwachsen¬
den Kosten eine Entschädigung von 10,000 Thaler bewilligt hat. Da nicht
nur diese Gelehrten, sondern auch der Geheime-Rath Loder in preußische
Dienste übertrat, auch Hufelandt und Paulus Weggang uach Bayern in Aus¬
sicht gestellt war, so stand man nahe daran, wie Goethe sich ausdrückte, daß
der Universität Jena der Todesstoß versetzt wurde.

Glücklicher Weise hatten die leitenden Kreise Weimar's, durch eine kleine
Indiscretion, frühzeitig genug Kunde von dieser "Verschwörung" gegen Jena
erhalten, und wenigstens Schritte gethan, daß die Jenaer Literaturzeitung der
Universität erhalten blieb, da sich Eichstädt und der preußische Commissions¬
rath Heult sofort bereit erklärten, die Redaction der Zeitung zu übernehmen.
Diese erhielt nicht nur die alte Censurfreiheit, sondern am 7. October auch das
erbetene Privilegium. Indeß war damit nicht viel erreicht, wenn die neue
Redaction nicht mit Gewandtheit und opferfreudiger Thätigkeit eintrat und den
Feinden in Halle zu begegnen wußte, die sich des Schutzes der preußischen
Regierung und ihrer materiellen Unterstützung in so hohem Maße erfreuten.

Die Kämpfe um die Existenz der Jenaer Zeitung ließen nicht lange auf
sich warten. Schon am 6. November betonten die Etatsräthe aus Berlin
in einer ausführlichen Beschwerdeschrift an die weimarische Regierung, daß die
Literaturzeitung in Jena in ihren Bekanntmachungen die ungegründete Be¬
hauptung von dem Fortbestehen des Institutes in Jena gewagt, und die
dortige Redaction nothwendig schon deßhalb geschäftliche Irrungen veranlasse,
weil sie nicht allein gleichen Titel, sondern anch in dein sonstigen Aeußern in


Hoetlje's Stellung zur Jenaer Meraturzeitung.

Seitdem (1785) die Jencier Literaturzeitung begründet war, hatte der Ruf
der Universität in so außerordentlicher Weise sich gesteigert, daß Jena unter
den deutschen Universitäten eine hervorragende Stelle behauptete. Plötzlich im
Sommer 1803 traten Verhältnisse ein, die nicht allein die Verlegung der
Redaction dieser Zeitung bedingten, sondern auch geeignet waren, die Univer¬
sität in ihren Fundamenten zu erschüttern. Eine Reihe bedeutender Männer
hatte sich im Stillen geeinigt, Jena zu verlassen, und die Kunde von diesem
Entschlüsse erregte um so mehr Aufsehen, als bestimmte Nachrichten durch einen
von Berlin datirten Artikel in der Hamburger neuen Zeitung, in die Weimar-
Jenaischen Kreise gelangten. Der gelehrte und berühmte Hofrath Schütz in
Jena und mit ihm die dortige Literaturzeitung, hieß es, werden nach Halle
übersiedeln, nachdem der König von Preußen diesen und den Mitredactenr
Professor Ersch unter sehr ehrenwerthen Bedingungen in seine Dienste ge¬
nommen, und für alle aus der Uebersiedelung der Literaturzeitung erwachsen¬
den Kosten eine Entschädigung von 10,000 Thaler bewilligt hat. Da nicht
nur diese Gelehrten, sondern auch der Geheime-Rath Loder in preußische
Dienste übertrat, auch Hufelandt und Paulus Weggang uach Bayern in Aus¬
sicht gestellt war, so stand man nahe daran, wie Goethe sich ausdrückte, daß
der Universität Jena der Todesstoß versetzt wurde.

Glücklicher Weise hatten die leitenden Kreise Weimar's, durch eine kleine
Indiscretion, frühzeitig genug Kunde von dieser „Verschwörung" gegen Jena
erhalten, und wenigstens Schritte gethan, daß die Jenaer Literaturzeitung der
Universität erhalten blieb, da sich Eichstädt und der preußische Commissions¬
rath Heult sofort bereit erklärten, die Redaction der Zeitung zu übernehmen.
Diese erhielt nicht nur die alte Censurfreiheit, sondern am 7. October auch das
erbetene Privilegium. Indeß war damit nicht viel erreicht, wenn die neue
Redaction nicht mit Gewandtheit und opferfreudiger Thätigkeit eintrat und den
Feinden in Halle zu begegnen wußte, die sich des Schutzes der preußischen
Regierung und ihrer materiellen Unterstützung in so hohem Maße erfreuten.

Die Kämpfe um die Existenz der Jenaer Zeitung ließen nicht lange auf
sich warten. Schon am 6. November betonten die Etatsräthe aus Berlin
in einer ausführlichen Beschwerdeschrift an die weimarische Regierung, daß die
Literaturzeitung in Jena in ihren Bekanntmachungen die ungegründete Be¬
hauptung von dem Fortbestehen des Institutes in Jena gewagt, und die
dortige Redaction nothwendig schon deßhalb geschäftliche Irrungen veranlasse,
weil sie nicht allein gleichen Titel, sondern anch in dein sonstigen Aeußern in


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[0154] Hoetlje's Stellung zur Jenaer Meraturzeitung. Seitdem (1785) die Jencier Literaturzeitung begründet war, hatte der Ruf der Universität in so außerordentlicher Weise sich gesteigert, daß Jena unter den deutschen Universitäten eine hervorragende Stelle behauptete. Plötzlich im Sommer 1803 traten Verhältnisse ein, die nicht allein die Verlegung der Redaction dieser Zeitung bedingten, sondern auch geeignet waren, die Univer¬ sität in ihren Fundamenten zu erschüttern. Eine Reihe bedeutender Männer hatte sich im Stillen geeinigt, Jena zu verlassen, und die Kunde von diesem Entschlüsse erregte um so mehr Aufsehen, als bestimmte Nachrichten durch einen von Berlin datirten Artikel in der Hamburger neuen Zeitung, in die Weimar- Jenaischen Kreise gelangten. Der gelehrte und berühmte Hofrath Schütz in Jena und mit ihm die dortige Literaturzeitung, hieß es, werden nach Halle übersiedeln, nachdem der König von Preußen diesen und den Mitredactenr Professor Ersch unter sehr ehrenwerthen Bedingungen in seine Dienste ge¬ nommen, und für alle aus der Uebersiedelung der Literaturzeitung erwachsen¬ den Kosten eine Entschädigung von 10,000 Thaler bewilligt hat. Da nicht nur diese Gelehrten, sondern auch der Geheime-Rath Loder in preußische Dienste übertrat, auch Hufelandt und Paulus Weggang uach Bayern in Aus¬ sicht gestellt war, so stand man nahe daran, wie Goethe sich ausdrückte, daß der Universität Jena der Todesstoß versetzt wurde. Glücklicher Weise hatten die leitenden Kreise Weimar's, durch eine kleine Indiscretion, frühzeitig genug Kunde von dieser „Verschwörung" gegen Jena erhalten, und wenigstens Schritte gethan, daß die Jenaer Literaturzeitung der Universität erhalten blieb, da sich Eichstädt und der preußische Commissions¬ rath Heult sofort bereit erklärten, die Redaction der Zeitung zu übernehmen. Diese erhielt nicht nur die alte Censurfreiheit, sondern am 7. October auch das erbetene Privilegium. Indeß war damit nicht viel erreicht, wenn die neue Redaction nicht mit Gewandtheit und opferfreudiger Thätigkeit eintrat und den Feinden in Halle zu begegnen wußte, die sich des Schutzes der preußischen Regierung und ihrer materiellen Unterstützung in so hohem Maße erfreuten. Die Kämpfe um die Existenz der Jenaer Zeitung ließen nicht lange auf sich warten. Schon am 6. November betonten die Etatsräthe aus Berlin in einer ausführlichen Beschwerdeschrift an die weimarische Regierung, daß die Literaturzeitung in Jena in ihren Bekanntmachungen die ungegründete Be¬ hauptung von dem Fortbestehen des Institutes in Jena gewagt, und die dortige Redaction nothwendig schon deßhalb geschäftliche Irrungen veranlasse, weil sie nicht allein gleichen Titel, sondern anch in dein sonstigen Aeußern in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/154>, abgerufen am 29.04.2024.