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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Literaten.
Daniel Man in und Venedig 1848--49. Vortrag von M. Perlbach. Greifs¬
wald, 1878. (Verlag v. Ludwig Bamberg).

Eine sehr lesenswerthe Schrift! Der reinste und größte der italienischen
Patrioten von 1848 wird hier mit Liebe und Sachkenntniß, schlicht-bürgerlich
wie er gewesen, im Rahme" der großen Tage, die er beherrschte, gezeichnet.
Die Form des Vortrags, die ungeändert beibehalten ist, rechtfertigt Kürzen
und Wendungen, die bei einer größeren biographisch-historischen Arbeit vielleicht
zu tadeln sein würden. Dafür bietet die kleine anspruchslose Schrift die
hochinteressante Geschichte Venedig's in dem Unabhängigkeitsjahr 1848--49 in
geschlossenem Bilde und den Lebensgang und die Charakteristik jenes großen
Patrioten, an dessen Heldenmuth Italien sich in seinen dunkelsten Tagen hoff¬
nungsreich aufrichten durfte, in voller historischer Treue. Daß der Verfasser
die vorhandenen Quellen eingehend studirt hat, weist der Anhang nach.

Ein anderes Bild aus gleich ernsten Tagen der deutschen Nation zeigt
uns die Jubiläums-Ausgabe der IsovAö Dxistolas Obsourorrirn
Virorum von Gustav Schwetschke (Halle, Schwetschke, 1878). Diese "Er¬
innerungen ans den Frankfurter Parlamentstngen" erscheinen hier*) mit Erläu¬
terungen. Leider, müssen wir sagen, sind diese Erläuterungen heute nothwendig
zu einem Schriftchen, das vor dreißig Jahren geradezu epochemachend wirkte
und von Mann und Weib, von Alt und Jung Verfehlungen wurde -- der
günstigen Wirkung nicht zu gedenken, welche es auf pessimistisch ange¬
hauchte, weil durch das Parlament und die Ereignisse in Vergessenheit ge¬
drängte tleinstaatliche Staatsmänner zu äußern pflegte. "Die Zeitsatire, Zeit-
humoristik, ohne Kommentar hat für die Nachlebenden nur deu Werth eines
Torso." Mit diesen Worten begründet der Verfasser die Nothwendigkeit seiner
Erläuterungen. Leider, sagen wir, ist ihm darin nicht zu widersprechen. Die
Geschichte des Frankfurter Parlaments, seiner Fülle von bedeutenden und
interessanten Männern, seiner Vorzüge und Schwächen, ist dem lebenden Ge¬
schlecht sast zur fernen Sage geworden. Auf unseren Hochschulen hören wir
wohl einmal über das tolle Jahr lesen -- und w i e selten! -- Sonst aber ist
der Reichsbürger von 1878 froh, wenn er sich schlecht und recht mit den Ver¬
handlungen der laufenden Reichstagssession bekannt macht. Unter Hundert-
tausenden der Jüngeren kaum Einer, der sich mit den Verhandlungen und



*) Nicht "zum ersten Male", wie mau aus dem Titclumschlag folgern könnte. Zum
"ersten" Mal erschienen die Noten schon 1874, zum 25jährigen Jubiläum der Rxistol^e.
Literaten.
Daniel Man in und Venedig 1848—49. Vortrag von M. Perlbach. Greifs¬
wald, 1878. (Verlag v. Ludwig Bamberg).

Eine sehr lesenswerthe Schrift! Der reinste und größte der italienischen
Patrioten von 1848 wird hier mit Liebe und Sachkenntniß, schlicht-bürgerlich
wie er gewesen, im Rahme« der großen Tage, die er beherrschte, gezeichnet.
Die Form des Vortrags, die ungeändert beibehalten ist, rechtfertigt Kürzen
und Wendungen, die bei einer größeren biographisch-historischen Arbeit vielleicht
zu tadeln sein würden. Dafür bietet die kleine anspruchslose Schrift die
hochinteressante Geschichte Venedig's in dem Unabhängigkeitsjahr 1848—49 in
geschlossenem Bilde und den Lebensgang und die Charakteristik jenes großen
Patrioten, an dessen Heldenmuth Italien sich in seinen dunkelsten Tagen hoff¬
nungsreich aufrichten durfte, in voller historischer Treue. Daß der Verfasser
die vorhandenen Quellen eingehend studirt hat, weist der Anhang nach.

Ein anderes Bild aus gleich ernsten Tagen der deutschen Nation zeigt
uns die Jubiläums-Ausgabe der IsovAö Dxistolas Obsourorrirn
Virorum von Gustav Schwetschke (Halle, Schwetschke, 1878). Diese „Er¬
innerungen ans den Frankfurter Parlamentstngen" erscheinen hier*) mit Erläu¬
terungen. Leider, müssen wir sagen, sind diese Erläuterungen heute nothwendig
zu einem Schriftchen, das vor dreißig Jahren geradezu epochemachend wirkte
und von Mann und Weib, von Alt und Jung Verfehlungen wurde — der
günstigen Wirkung nicht zu gedenken, welche es auf pessimistisch ange¬
hauchte, weil durch das Parlament und die Ereignisse in Vergessenheit ge¬
drängte tleinstaatliche Staatsmänner zu äußern pflegte. „Die Zeitsatire, Zeit-
humoristik, ohne Kommentar hat für die Nachlebenden nur deu Werth eines
Torso." Mit diesen Worten begründet der Verfasser die Nothwendigkeit seiner
Erläuterungen. Leider, sagen wir, ist ihm darin nicht zu widersprechen. Die
Geschichte des Frankfurter Parlaments, seiner Fülle von bedeutenden und
interessanten Männern, seiner Vorzüge und Schwächen, ist dem lebenden Ge¬
schlecht sast zur fernen Sage geworden. Auf unseren Hochschulen hören wir
wohl einmal über das tolle Jahr lesen — und w i e selten! — Sonst aber ist
der Reichsbürger von 1878 froh, wenn er sich schlecht und recht mit den Ver¬
handlungen der laufenden Reichstagssession bekannt macht. Unter Hundert-
tausenden der Jüngeren kaum Einer, der sich mit den Verhandlungen und



*) Nicht „zum ersten Male", wie mau aus dem Titclumschlag folgern könnte. Zum
»ersten" Mal erschienen die Noten schon 1874, zum 25jährigen Jubiläum der Rxistol^e.
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[0203] Literaten. Daniel Man in und Venedig 1848—49. Vortrag von M. Perlbach. Greifs¬ wald, 1878. (Verlag v. Ludwig Bamberg). Eine sehr lesenswerthe Schrift! Der reinste und größte der italienischen Patrioten von 1848 wird hier mit Liebe und Sachkenntniß, schlicht-bürgerlich wie er gewesen, im Rahme« der großen Tage, die er beherrschte, gezeichnet. Die Form des Vortrags, die ungeändert beibehalten ist, rechtfertigt Kürzen und Wendungen, die bei einer größeren biographisch-historischen Arbeit vielleicht zu tadeln sein würden. Dafür bietet die kleine anspruchslose Schrift die hochinteressante Geschichte Venedig's in dem Unabhängigkeitsjahr 1848—49 in geschlossenem Bilde und den Lebensgang und die Charakteristik jenes großen Patrioten, an dessen Heldenmuth Italien sich in seinen dunkelsten Tagen hoff¬ nungsreich aufrichten durfte, in voller historischer Treue. Daß der Verfasser die vorhandenen Quellen eingehend studirt hat, weist der Anhang nach. Ein anderes Bild aus gleich ernsten Tagen der deutschen Nation zeigt uns die Jubiläums-Ausgabe der IsovAö Dxistolas Obsourorrirn Virorum von Gustav Schwetschke (Halle, Schwetschke, 1878). Diese „Er¬ innerungen ans den Frankfurter Parlamentstngen" erscheinen hier*) mit Erläu¬ terungen. Leider, müssen wir sagen, sind diese Erläuterungen heute nothwendig zu einem Schriftchen, das vor dreißig Jahren geradezu epochemachend wirkte und von Mann und Weib, von Alt und Jung Verfehlungen wurde — der günstigen Wirkung nicht zu gedenken, welche es auf pessimistisch ange¬ hauchte, weil durch das Parlament und die Ereignisse in Vergessenheit ge¬ drängte tleinstaatliche Staatsmänner zu äußern pflegte. „Die Zeitsatire, Zeit- humoristik, ohne Kommentar hat für die Nachlebenden nur deu Werth eines Torso." Mit diesen Worten begründet der Verfasser die Nothwendigkeit seiner Erläuterungen. Leider, sagen wir, ist ihm darin nicht zu widersprechen. Die Geschichte des Frankfurter Parlaments, seiner Fülle von bedeutenden und interessanten Männern, seiner Vorzüge und Schwächen, ist dem lebenden Ge¬ schlecht sast zur fernen Sage geworden. Auf unseren Hochschulen hören wir wohl einmal über das tolle Jahr lesen — und w i e selten! — Sonst aber ist der Reichsbürger von 1878 froh, wenn er sich schlecht und recht mit den Ver¬ handlungen der laufenden Reichstagssession bekannt macht. Unter Hundert- tausenden der Jüngeren kaum Einer, der sich mit den Verhandlungen und *) Nicht „zum ersten Male", wie mau aus dem Titclumschlag folgern könnte. Zum »ersten" Mal erschienen die Noten schon 1874, zum 25jährigen Jubiläum der Rxistol^e.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/203>, abgerufen am 29.04.2024.