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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Jeljdelust und Landfrieden im Keiligen Komischen Keich.

Unsere jetzige Generation, aufgewachsen unter dem Bann von Blut und
Eisen, hineingeworfen in den Wirbel heißer ParteWmpfe, sehnt sich vielleicht
hie und da zurück nach der guten alten Zeit fester Sitte und stillen Behagens,
kurz nach den Tagen süßen Friedens. Doch solch' gute alte Zeit, die im
Grunde genommen für den Einzelnen weiter nichts ist, als das Verlorne Para¬
dies der Jugend, hat es kaum jemals gegeben. So lange die Verheißung des
"Friedens auf Erden" noch nicht erfüllt, so lange noch Eisen im Blut des
Menschen rollt, bleibt das Schwert des Völkerlebens friedloses Symbol. Gleich
einem ehernen Blitz von Oben trifft es zwar Gerechte, wie Ungerechte, reinigt
aber die Luft und tilgt die unsaubern Geister.

Vielleicht weniger als irgend eine Staatsverfassung vergangener Jahr¬
hunderte gewährleistete die des deutschen Reiches, trotz des gebotenen ewigen
Landfriedens, den verschiedenen Stämmen ein stilles und ruhiges Leben. Abge¬
sehen von dem, was die Fremden gegen Deutschland sündigten, hörte auch im
Inneren Kampf und Streit mit gewaffneter Hand nie auf; denn das Reichs¬
regiment war zu schwach, um dem zu steuern. Die nachfolgenden Zeilen sollen
davon Zeugniß geben.

In der ersten Hälfte des Mittelalters galt in Deutschland überall das
Recht bewaffneter Selbsthilfe. Es entsprach dies den Anschauungen und Sitten
einer trotzigen Zeit, die das Anrufen richterlicher Gewalt für entehrend, dahin¬
gegen das Entscheiden von Rechtshändeln durch die Waffen für mannhaft und
ritterlich hielt. Das Faustrecht, ursprünglich sicher nicht ohne idealen Gehalt,
verlor denselben immer mehr, und schließlich handelte es sich bei den vielfachen
Vergewaltigungen nicht mehr darum, ein wenn auch nur vermeintliches Recht
mit gewaffneter Hand zu erlangen, vielmehr war es nur zu häufig lediglich
auf Raub und Plünderung abgesehen. Die verschiedenen Bündnisse von
Fürsten, Adel und Städten, welche diesem Unwesen zu steuern versuchten, er¬
wiesen sich als erfolglos. Selbst die aus rother Erde erwachsene heilige Vehme,


Grmzlwtm 1Ä78. IV. 26
Jeljdelust und Landfrieden im Keiligen Komischen Keich.

Unsere jetzige Generation, aufgewachsen unter dem Bann von Blut und
Eisen, hineingeworfen in den Wirbel heißer ParteWmpfe, sehnt sich vielleicht
hie und da zurück nach der guten alten Zeit fester Sitte und stillen Behagens,
kurz nach den Tagen süßen Friedens. Doch solch' gute alte Zeit, die im
Grunde genommen für den Einzelnen weiter nichts ist, als das Verlorne Para¬
dies der Jugend, hat es kaum jemals gegeben. So lange die Verheißung des
„Friedens auf Erden" noch nicht erfüllt, so lange noch Eisen im Blut des
Menschen rollt, bleibt das Schwert des Völkerlebens friedloses Symbol. Gleich
einem ehernen Blitz von Oben trifft es zwar Gerechte, wie Ungerechte, reinigt
aber die Luft und tilgt die unsaubern Geister.

Vielleicht weniger als irgend eine Staatsverfassung vergangener Jahr¬
hunderte gewährleistete die des deutschen Reiches, trotz des gebotenen ewigen
Landfriedens, den verschiedenen Stämmen ein stilles und ruhiges Leben. Abge¬
sehen von dem, was die Fremden gegen Deutschland sündigten, hörte auch im
Inneren Kampf und Streit mit gewaffneter Hand nie auf; denn das Reichs¬
regiment war zu schwach, um dem zu steuern. Die nachfolgenden Zeilen sollen
davon Zeugniß geben.

In der ersten Hälfte des Mittelalters galt in Deutschland überall das
Recht bewaffneter Selbsthilfe. Es entsprach dies den Anschauungen und Sitten
einer trotzigen Zeit, die das Anrufen richterlicher Gewalt für entehrend, dahin¬
gegen das Entscheiden von Rechtshändeln durch die Waffen für mannhaft und
ritterlich hielt. Das Faustrecht, ursprünglich sicher nicht ohne idealen Gehalt,
verlor denselben immer mehr, und schließlich handelte es sich bei den vielfachen
Vergewaltigungen nicht mehr darum, ein wenn auch nur vermeintliches Recht
mit gewaffneter Hand zu erlangen, vielmehr war es nur zu häufig lediglich
auf Raub und Plünderung abgesehen. Die verschiedenen Bündnisse von
Fürsten, Adel und Städten, welche diesem Unwesen zu steuern versuchten, er¬
wiesen sich als erfolglos. Selbst die aus rother Erde erwachsene heilige Vehme,


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[0205] Jeljdelust und Landfrieden im Keiligen Komischen Keich. Unsere jetzige Generation, aufgewachsen unter dem Bann von Blut und Eisen, hineingeworfen in den Wirbel heißer ParteWmpfe, sehnt sich vielleicht hie und da zurück nach der guten alten Zeit fester Sitte und stillen Behagens, kurz nach den Tagen süßen Friedens. Doch solch' gute alte Zeit, die im Grunde genommen für den Einzelnen weiter nichts ist, als das Verlorne Para¬ dies der Jugend, hat es kaum jemals gegeben. So lange die Verheißung des „Friedens auf Erden" noch nicht erfüllt, so lange noch Eisen im Blut des Menschen rollt, bleibt das Schwert des Völkerlebens friedloses Symbol. Gleich einem ehernen Blitz von Oben trifft es zwar Gerechte, wie Ungerechte, reinigt aber die Luft und tilgt die unsaubern Geister. Vielleicht weniger als irgend eine Staatsverfassung vergangener Jahr¬ hunderte gewährleistete die des deutschen Reiches, trotz des gebotenen ewigen Landfriedens, den verschiedenen Stämmen ein stilles und ruhiges Leben. Abge¬ sehen von dem, was die Fremden gegen Deutschland sündigten, hörte auch im Inneren Kampf und Streit mit gewaffneter Hand nie auf; denn das Reichs¬ regiment war zu schwach, um dem zu steuern. Die nachfolgenden Zeilen sollen davon Zeugniß geben. In der ersten Hälfte des Mittelalters galt in Deutschland überall das Recht bewaffneter Selbsthilfe. Es entsprach dies den Anschauungen und Sitten einer trotzigen Zeit, die das Anrufen richterlicher Gewalt für entehrend, dahin¬ gegen das Entscheiden von Rechtshändeln durch die Waffen für mannhaft und ritterlich hielt. Das Faustrecht, ursprünglich sicher nicht ohne idealen Gehalt, verlor denselben immer mehr, und schließlich handelte es sich bei den vielfachen Vergewaltigungen nicht mehr darum, ein wenn auch nur vermeintliches Recht mit gewaffneter Hand zu erlangen, vielmehr war es nur zu häufig lediglich auf Raub und Plünderung abgesehen. Die verschiedenen Bündnisse von Fürsten, Adel und Städten, welche diesem Unwesen zu steuern versuchten, er¬ wiesen sich als erfolglos. Selbst die aus rother Erde erwachsene heilige Vehme, Grmzlwtm 1Ä78. IV. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/205>, abgerufen am 29.04.2024.