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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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der Schrecken aller Straßen- und Kirchenräuber, vermochte nur wenig zu leisten.
Ein wohlthätiges Gegengewicht bot in dieser rohen Zeit die Kirche. Die Sonn-
und Feiertage, sowie der Freitag waren dem Gottesfrieden geweiht. Wer von
Donnerstag Abend bis Montag früh Gewalt verübte, verfiel dem Bann. So
mußten wenigstens einen Theil des Jahres die Waffen ruhen, und die viele"
Festtage förderten das Friedenswerk.

Von Seiten der Kaiser wurde zwar wiederholt der Landfriede geboten,
jedoch sonderbarer Weise immer nnr auf eine bestimmte Reihe von Jahren.
Nur die, welche ihm beitraten, hielten sich für gebunden, und Mindermächtige
vom Adel, so wie die Ritter, sahen in jedem Landfrieden nur das Mittel, sie
um ihre Gerechtsame und Freiheiten zu bringen. Daher das Sprichwort:
"Dem Landfrieden ist nicht zu trauen." Auch Rudolph von Habsburg, der
Faustrechtsbändiger, schloß einen solchen Landfrieden auf fünf Jahre. Er
brachte Furcht und Schrecken über die ritterlichen Landfriedensbrecher und zer¬
störte allein in Thüringen an die sechzig Ritterburgen. Die von hohen Felsen
hernbschaueuden letzten Ueberreste derselben erinnern uns noch heute daran,
daß ihre einstigen Bewohner zu den Wegelagerern schlimmster Sorte gehörten.


Riten und Roben dat is kein scheint,
Dat tun den Besten von dem Land!

Das war damals Rittermaxime! Auch Kaiser Rudolph vermochte sie
nicht auszurotten, und seine energischen Maßregeln blieben immer nur Palliative.

Das von Karl IV. auf dem Reichstage zu Nürnberg 1356 mit den
Stünden vereinbarte Reichsgesetz "die goldene Bulle" setzte zwar dem Faust-
recht Schranken, ließ jedoch das Fehderecht noch immer bestehen. Jeder An¬
griff war erlaubt, wenn nur drei Tage vorher ehrliche Absage erfolgt war.
Graf Eberhardt's von Würtemberg (f 1392) Wahlspruch "Gottes Freund und
aller Welt Feind" entsprach so ziemlich allgemein den Anschauungen der fehde¬
lustigen Ritterschaft. Man glaubte viel gethan zu haben, wenn man das Ver¬
wüster der Obst- und Weingärten, sowie das Abbrennen der Wohnungen fried¬
licher Einwohner untersagte, wenn man Geistliche, Gotteshäuser, Mühlen und
Pflüge als unverletzlich unter den Frieden stellte. Fürsten und Bischöfe
kämpften mit Adel, Prälaten und Städten, und diese wieder unter sich. Jeder
Stärkere hob seine Waffen gegen den Schwächeren. Jeder Vasall und jede
Innung hielt sich für berechtigt, Fehdebriefe zu erlassen. Die Leipziger Schuh¬
knechte schickten 1471 der Universität einen Absagebrief, und ein von Praun-
stein kündigte 1489 der freien Reichsstadt Frankfurt Fehde an, weil eine
Jungfrau daselbst seinem Vetter einen Tanz verweigert hatte. Gerade die
Psefsersäcke der reichsstädtischen Kaufleute waren eine vielbegehrte Beute. Tage


der Schrecken aller Straßen- und Kirchenräuber, vermochte nur wenig zu leisten.
Ein wohlthätiges Gegengewicht bot in dieser rohen Zeit die Kirche. Die Sonn-
und Feiertage, sowie der Freitag waren dem Gottesfrieden geweiht. Wer von
Donnerstag Abend bis Montag früh Gewalt verübte, verfiel dem Bann. So
mußten wenigstens einen Theil des Jahres die Waffen ruhen, und die viele»
Festtage förderten das Friedenswerk.

Von Seiten der Kaiser wurde zwar wiederholt der Landfriede geboten,
jedoch sonderbarer Weise immer nnr auf eine bestimmte Reihe von Jahren.
Nur die, welche ihm beitraten, hielten sich für gebunden, und Mindermächtige
vom Adel, so wie die Ritter, sahen in jedem Landfrieden nur das Mittel, sie
um ihre Gerechtsame und Freiheiten zu bringen. Daher das Sprichwort:
„Dem Landfrieden ist nicht zu trauen." Auch Rudolph von Habsburg, der
Faustrechtsbändiger, schloß einen solchen Landfrieden auf fünf Jahre. Er
brachte Furcht und Schrecken über die ritterlichen Landfriedensbrecher und zer¬
störte allein in Thüringen an die sechzig Ritterburgen. Die von hohen Felsen
hernbschaueuden letzten Ueberreste derselben erinnern uns noch heute daran,
daß ihre einstigen Bewohner zu den Wegelagerern schlimmster Sorte gehörten.


Riten und Roben dat is kein scheint,
Dat tun den Besten von dem Land!

Das war damals Rittermaxime! Auch Kaiser Rudolph vermochte sie
nicht auszurotten, und seine energischen Maßregeln blieben immer nur Palliative.

Das von Karl IV. auf dem Reichstage zu Nürnberg 1356 mit den
Stünden vereinbarte Reichsgesetz „die goldene Bulle" setzte zwar dem Faust-
recht Schranken, ließ jedoch das Fehderecht noch immer bestehen. Jeder An¬
griff war erlaubt, wenn nur drei Tage vorher ehrliche Absage erfolgt war.
Graf Eberhardt's von Würtemberg (f 1392) Wahlspruch „Gottes Freund und
aller Welt Feind" entsprach so ziemlich allgemein den Anschauungen der fehde¬
lustigen Ritterschaft. Man glaubte viel gethan zu haben, wenn man das Ver¬
wüster der Obst- und Weingärten, sowie das Abbrennen der Wohnungen fried¬
licher Einwohner untersagte, wenn man Geistliche, Gotteshäuser, Mühlen und
Pflüge als unverletzlich unter den Frieden stellte. Fürsten und Bischöfe
kämpften mit Adel, Prälaten und Städten, und diese wieder unter sich. Jeder
Stärkere hob seine Waffen gegen den Schwächeren. Jeder Vasall und jede
Innung hielt sich für berechtigt, Fehdebriefe zu erlassen. Die Leipziger Schuh¬
knechte schickten 1471 der Universität einen Absagebrief, und ein von Praun-
stein kündigte 1489 der freien Reichsstadt Frankfurt Fehde an, weil eine
Jungfrau daselbst seinem Vetter einen Tanz verweigert hatte. Gerade die
Psefsersäcke der reichsstädtischen Kaufleute waren eine vielbegehrte Beute. Tage


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[0206] der Schrecken aller Straßen- und Kirchenräuber, vermochte nur wenig zu leisten. Ein wohlthätiges Gegengewicht bot in dieser rohen Zeit die Kirche. Die Sonn- und Feiertage, sowie der Freitag waren dem Gottesfrieden geweiht. Wer von Donnerstag Abend bis Montag früh Gewalt verübte, verfiel dem Bann. So mußten wenigstens einen Theil des Jahres die Waffen ruhen, und die viele» Festtage förderten das Friedenswerk. Von Seiten der Kaiser wurde zwar wiederholt der Landfriede geboten, jedoch sonderbarer Weise immer nnr auf eine bestimmte Reihe von Jahren. Nur die, welche ihm beitraten, hielten sich für gebunden, und Mindermächtige vom Adel, so wie die Ritter, sahen in jedem Landfrieden nur das Mittel, sie um ihre Gerechtsame und Freiheiten zu bringen. Daher das Sprichwort: „Dem Landfrieden ist nicht zu trauen." Auch Rudolph von Habsburg, der Faustrechtsbändiger, schloß einen solchen Landfrieden auf fünf Jahre. Er brachte Furcht und Schrecken über die ritterlichen Landfriedensbrecher und zer¬ störte allein in Thüringen an die sechzig Ritterburgen. Die von hohen Felsen hernbschaueuden letzten Ueberreste derselben erinnern uns noch heute daran, daß ihre einstigen Bewohner zu den Wegelagerern schlimmster Sorte gehörten. Riten und Roben dat is kein scheint, Dat tun den Besten von dem Land! Das war damals Rittermaxime! Auch Kaiser Rudolph vermochte sie nicht auszurotten, und seine energischen Maßregeln blieben immer nur Palliative. Das von Karl IV. auf dem Reichstage zu Nürnberg 1356 mit den Stünden vereinbarte Reichsgesetz „die goldene Bulle" setzte zwar dem Faust- recht Schranken, ließ jedoch das Fehderecht noch immer bestehen. Jeder An¬ griff war erlaubt, wenn nur drei Tage vorher ehrliche Absage erfolgt war. Graf Eberhardt's von Würtemberg (f 1392) Wahlspruch „Gottes Freund und aller Welt Feind" entsprach so ziemlich allgemein den Anschauungen der fehde¬ lustigen Ritterschaft. Man glaubte viel gethan zu haben, wenn man das Ver¬ wüster der Obst- und Weingärten, sowie das Abbrennen der Wohnungen fried¬ licher Einwohner untersagte, wenn man Geistliche, Gotteshäuser, Mühlen und Pflüge als unverletzlich unter den Frieden stellte. Fürsten und Bischöfe kämpften mit Adel, Prälaten und Städten, und diese wieder unter sich. Jeder Stärkere hob seine Waffen gegen den Schwächeren. Jeder Vasall und jede Innung hielt sich für berechtigt, Fehdebriefe zu erlassen. Die Leipziger Schuh¬ knechte schickten 1471 der Universität einen Absagebrief, und ein von Praun- stein kündigte 1489 der freien Reichsstadt Frankfurt Fehde an, weil eine Jungfrau daselbst seinem Vetter einen Tanz verweigert hatte. Gerade die Psefsersäcke der reichsstädtischen Kaufleute waren eine vielbegehrte Beute. Tage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/206>, abgerufen am 15.05.2024.