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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Hessen-Kassel'sche Gebiet, wogegen der Landgraf die bestimmte Erklärung ab¬
geben ließ, der Gewalt mit Gewalt entgegentreten zu wollen. Endlich aber,
nachdem alle Verhandlungen zu keinem Resultate führten, die Exekutioustruppen
vielmehr in unbequemer Nachbarschaft verblieben, fügte sich der Landgraf in
das unvermeidlich Erscheinende. Gegen Ende des Jahres wurden die Festungen
Rheinfels und die Kees von dem kampflustigen Vetter geräumt, und der Land¬
graf von Hessen-Rothenburg nahm wieder Besitz von seinen Landen.

Wenige Jahre bevor das Stundenglas des heiligen Römischen Reiches
abgelaufen war, bedrohte uoch einmal ein Fürst aus dem Stamme der Kalter
den Landfrieden. Nach dem Ableben des Grafen Philipp Ernst zu Schaum¬
burg-Lippe, im Anfang des Jahres 1787, rückten Hessen-Kassel'sche Truppen
in die Grafschaft ein, um dieselbe als angeblich heimgefallenes Lehn für den
Landgrafen in Besitz zu nehmen. Hätte die Wittwe des verstorbenen Grafen
ihren kampfesmuthigen Truppen nicht ausdrücklich jeden Widerstand untersagt,
so würde es unfehlbar zum Blutvergießen gekommen sein. Die Lippischen
Völker fügten sich in das Unvermeidliche, nur die dreißig Mann starke Be¬
satzung der Feste Wilhelmstein im Steinbilder Meer wies jeden Kapitulations¬
antrag zurück. Zum Glück ließ es dies Mal der Landgraf ans eine Exekution
nicht ankommen, zog vielmehr auf ernstes Mahnen des Kaisers seine Truppen
wieder zurück, und der tapfere Kommandant des Wilhelmstein's, Hauptmann
Rottmann, konnte seiner Herrin "das imprenable Bollwerk" in jungfräulichen
Zustande wieder überliefern.

Besser als eine lange Abhandlung über das frühere deutsche Staatsrecht,
dürsten die vorstehenden Schilderungen Zeugniß davou geben, was es noch im
vorigen Jahrhundert mit der llvörtas AczrMiuiie^, mit der altehrwürdigen
Reichsverfassung und ihren Rechtszuständen zu besage" hatte. Auch die deutsche
Wehrverfassung wird dadurch in ihrer ganzen Verkommenheit gekennzeichnet.


W. v. H.


Jas deutsche Schulwesen im Lichte französischer Forschung.

Die hier folgenden Notizen sind einer Arbeit entnommen, wie sie zur
Freude aller Verständige:? gegenwärtig in Frankreich häufiger an Stelle der
chauvinisten Elaborate der letzten Jahre treten.*) Der Verfasser hat 1858



*) Lonvenirs ä'un voz^FS seolairs en ^Ilemn^ne zig,r Lrüs,1. ü"vns usf cieux Uonäos.
^anvier, towö XIX.

Hessen-Kassel'sche Gebiet, wogegen der Landgraf die bestimmte Erklärung ab¬
geben ließ, der Gewalt mit Gewalt entgegentreten zu wollen. Endlich aber,
nachdem alle Verhandlungen zu keinem Resultate führten, die Exekutioustruppen
vielmehr in unbequemer Nachbarschaft verblieben, fügte sich der Landgraf in
das unvermeidlich Erscheinende. Gegen Ende des Jahres wurden die Festungen
Rheinfels und die Kees von dem kampflustigen Vetter geräumt, und der Land¬
graf von Hessen-Rothenburg nahm wieder Besitz von seinen Landen.

Wenige Jahre bevor das Stundenglas des heiligen Römischen Reiches
abgelaufen war, bedrohte uoch einmal ein Fürst aus dem Stamme der Kalter
den Landfrieden. Nach dem Ableben des Grafen Philipp Ernst zu Schaum¬
burg-Lippe, im Anfang des Jahres 1787, rückten Hessen-Kassel'sche Truppen
in die Grafschaft ein, um dieselbe als angeblich heimgefallenes Lehn für den
Landgrafen in Besitz zu nehmen. Hätte die Wittwe des verstorbenen Grafen
ihren kampfesmuthigen Truppen nicht ausdrücklich jeden Widerstand untersagt,
so würde es unfehlbar zum Blutvergießen gekommen sein. Die Lippischen
Völker fügten sich in das Unvermeidliche, nur die dreißig Mann starke Be¬
satzung der Feste Wilhelmstein im Steinbilder Meer wies jeden Kapitulations¬
antrag zurück. Zum Glück ließ es dies Mal der Landgraf ans eine Exekution
nicht ankommen, zog vielmehr auf ernstes Mahnen des Kaisers seine Truppen
wieder zurück, und der tapfere Kommandant des Wilhelmstein's, Hauptmann
Rottmann, konnte seiner Herrin „das imprenable Bollwerk" in jungfräulichen
Zustande wieder überliefern.

Besser als eine lange Abhandlung über das frühere deutsche Staatsrecht,
dürsten die vorstehenden Schilderungen Zeugniß davou geben, was es noch im
vorigen Jahrhundert mit der llvörtas AczrMiuiie^, mit der altehrwürdigen
Reichsverfassung und ihren Rechtszuständen zu besage» hatte. Auch die deutsche
Wehrverfassung wird dadurch in ihrer ganzen Verkommenheit gekennzeichnet.


W. v. H.


Jas deutsche Schulwesen im Lichte französischer Forschung.

Die hier folgenden Notizen sind einer Arbeit entnommen, wie sie zur
Freude aller Verständige:? gegenwärtig in Frankreich häufiger an Stelle der
chauvinisten Elaborate der letzten Jahre treten.*) Der Verfasser hat 1858



*) Lonvenirs ä'un voz^FS seolairs en ^Ilemn^ne zig,r Lrüs,1. ü«vns usf cieux Uonäos.
^anvier, towö XIX.
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[0216] Hessen-Kassel'sche Gebiet, wogegen der Landgraf die bestimmte Erklärung ab¬ geben ließ, der Gewalt mit Gewalt entgegentreten zu wollen. Endlich aber, nachdem alle Verhandlungen zu keinem Resultate führten, die Exekutioustruppen vielmehr in unbequemer Nachbarschaft verblieben, fügte sich der Landgraf in das unvermeidlich Erscheinende. Gegen Ende des Jahres wurden die Festungen Rheinfels und die Kees von dem kampflustigen Vetter geräumt, und der Land¬ graf von Hessen-Rothenburg nahm wieder Besitz von seinen Landen. Wenige Jahre bevor das Stundenglas des heiligen Römischen Reiches abgelaufen war, bedrohte uoch einmal ein Fürst aus dem Stamme der Kalter den Landfrieden. Nach dem Ableben des Grafen Philipp Ernst zu Schaum¬ burg-Lippe, im Anfang des Jahres 1787, rückten Hessen-Kassel'sche Truppen in die Grafschaft ein, um dieselbe als angeblich heimgefallenes Lehn für den Landgrafen in Besitz zu nehmen. Hätte die Wittwe des verstorbenen Grafen ihren kampfesmuthigen Truppen nicht ausdrücklich jeden Widerstand untersagt, so würde es unfehlbar zum Blutvergießen gekommen sein. Die Lippischen Völker fügten sich in das Unvermeidliche, nur die dreißig Mann starke Be¬ satzung der Feste Wilhelmstein im Steinbilder Meer wies jeden Kapitulations¬ antrag zurück. Zum Glück ließ es dies Mal der Landgraf ans eine Exekution nicht ankommen, zog vielmehr auf ernstes Mahnen des Kaisers seine Truppen wieder zurück, und der tapfere Kommandant des Wilhelmstein's, Hauptmann Rottmann, konnte seiner Herrin „das imprenable Bollwerk" in jungfräulichen Zustande wieder überliefern. Besser als eine lange Abhandlung über das frühere deutsche Staatsrecht, dürsten die vorstehenden Schilderungen Zeugniß davou geben, was es noch im vorigen Jahrhundert mit der llvörtas AczrMiuiie^, mit der altehrwürdigen Reichsverfassung und ihren Rechtszuständen zu besage» hatte. Auch die deutsche Wehrverfassung wird dadurch in ihrer ganzen Verkommenheit gekennzeichnet. W. v. H. Jas deutsche Schulwesen im Lichte französischer Forschung. Die hier folgenden Notizen sind einer Arbeit entnommen, wie sie zur Freude aller Verständige:? gegenwärtig in Frankreich häufiger an Stelle der chauvinisten Elaborate der letzten Jahre treten.*) Der Verfasser hat 1858 *) Lonvenirs ä'un voz^FS seolairs en ^Ilemn^ne zig,r Lrüs,1. ü«vns usf cieux Uonäos. ^anvier, towö XIX.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/216>, abgerufen am 29.04.2024.