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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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allwo wir ziemlich untereinander meurt wurden, und obschon einige Hessische
Kavallerie das Seitengewehr ausgezogen, haben sie es doch gleich wieder ein¬
gesteckt und solche eoQtsrmlios gehalten, dergleichen wenig von Soldaten ist
gesehen noch gehöret worden. Die Menge der Officiere hatte zu thuen die Leute
mit den Bajonetten abzuhalten und dennoch sind gleich auf dem Platze drei
Pferde todtgestochen und noch verschiedene andere, wie auch Officiere und Ge¬
meine, blessirt worden. Die Hessische Kavallerie ließ uns dann Passiren, setzte
sich aber gleich hinter uns wieder und dichte an dem Dorf rückten zwei andere
Eskadrons Hessischen Regiments neben hervor, hinter welchen die Infanterie
im Dorf war. Wir waren also in der Mitte und war nicht rathsam, um zu
einer entsetzlichen Masacre keinen Anlaß zu geben, etwas zu tendiren, allermaßen
das Volk beiderseits sehr verbittert war. Wir hielten über eine halbe Stunde
beisammen, sahen einer den anderen an, endlich sind wir linker Hand ab nach
dem Kurmainzischen Alendorf marschiret. Wir werden nun allem Anschein nach
in das Riedeselsche, Darmstadt und Fuldaische, um größeren Renfort abzu¬
warten verleget werden."

So schloß bei Egersdorf eine große Haupt- und Staatsaktion, die uns
lebhaft an den großen Schlachttag von Bronzell erinnert. Hier der berühmte
Schimmel, dem allerdings trotz Verwundung noch ein langes Leben beschieden
War, dort die drei gebliebenen Pferde. Gegen das Feldherrntalent des Herrn
Kreis-General-Feldzeugineisters ließe sich allerdings manches einwenden; er hatte
seine Truppen in eine ganz verzweifelte Lage gebracht. Dicht vor sich ein
wohl verpallisadirtes Dorf, stark mit Infanterie und bewaffneten Bauern besetzt,
hinter sich 18 Eskadrons hessischer Kavallerie. Im Ernstfalle war eine blutige
Niederlage oder eine Kapitulation auf offenem Felde gewiß. Doch der General
von Jsselbach wußte sich mit mehr diplomatischer Klugheit als Feldherrngröße
aus der Affaire zu ziehen. Sich links seitwärts in die Büsche schlagend, er¬
reichte er bald mit seinen Truppen die nahe Grenze und nahm in befreundeten
Nachbarländern, auf bessere Gelegenheit harrend, wieder von neuem Quartier.

Es würde zu weit führen und nicht zur Sache gehören, die nunmehr
wieder aufgenommenen Verhandlungen eingehend zu besprechen. Jedenfalls
wurde die fortgesetzte Bedrohung von der Grenze her mit der Zeit dem Land¬
grafen unbequem, und er versuchte dadurch ein Abkommen zu treffen, daß er
versprach, die Festung Rheinfels u. f. w. räumen zu wollen, jedoch unter der Be¬
dingung, daß zuvor die Exekutionstruppen wieder nach ihren heimathlichen
Standorten abrücken sollten. General von Jsselbach hielt jedoch, seiner aus¬
drücklichen Instruktion gemäß, den Zweck der Exekution nicht eher für beendet,
bis die Räumung des Rothenburg'schen Gebiets von Seiten des Landgrafen
Wirklich erfolgt sei. Er drohte wiederholt mit nochmaligem Einrücken in das


allwo wir ziemlich untereinander meurt wurden, und obschon einige Hessische
Kavallerie das Seitengewehr ausgezogen, haben sie es doch gleich wieder ein¬
gesteckt und solche eoQtsrmlios gehalten, dergleichen wenig von Soldaten ist
gesehen noch gehöret worden. Die Menge der Officiere hatte zu thuen die Leute
mit den Bajonetten abzuhalten und dennoch sind gleich auf dem Platze drei
Pferde todtgestochen und noch verschiedene andere, wie auch Officiere und Ge¬
meine, blessirt worden. Die Hessische Kavallerie ließ uns dann Passiren, setzte
sich aber gleich hinter uns wieder und dichte an dem Dorf rückten zwei andere
Eskadrons Hessischen Regiments neben hervor, hinter welchen die Infanterie
im Dorf war. Wir waren also in der Mitte und war nicht rathsam, um zu
einer entsetzlichen Masacre keinen Anlaß zu geben, etwas zu tendiren, allermaßen
das Volk beiderseits sehr verbittert war. Wir hielten über eine halbe Stunde
beisammen, sahen einer den anderen an, endlich sind wir linker Hand ab nach
dem Kurmainzischen Alendorf marschiret. Wir werden nun allem Anschein nach
in das Riedeselsche, Darmstadt und Fuldaische, um größeren Renfort abzu¬
warten verleget werden."

So schloß bei Egersdorf eine große Haupt- und Staatsaktion, die uns
lebhaft an den großen Schlachttag von Bronzell erinnert. Hier der berühmte
Schimmel, dem allerdings trotz Verwundung noch ein langes Leben beschieden
War, dort die drei gebliebenen Pferde. Gegen das Feldherrntalent des Herrn
Kreis-General-Feldzeugineisters ließe sich allerdings manches einwenden; er hatte
seine Truppen in eine ganz verzweifelte Lage gebracht. Dicht vor sich ein
wohl verpallisadirtes Dorf, stark mit Infanterie und bewaffneten Bauern besetzt,
hinter sich 18 Eskadrons hessischer Kavallerie. Im Ernstfalle war eine blutige
Niederlage oder eine Kapitulation auf offenem Felde gewiß. Doch der General
von Jsselbach wußte sich mit mehr diplomatischer Klugheit als Feldherrngröße
aus der Affaire zu ziehen. Sich links seitwärts in die Büsche schlagend, er¬
reichte er bald mit seinen Truppen die nahe Grenze und nahm in befreundeten
Nachbarländern, auf bessere Gelegenheit harrend, wieder von neuem Quartier.

Es würde zu weit führen und nicht zur Sache gehören, die nunmehr
wieder aufgenommenen Verhandlungen eingehend zu besprechen. Jedenfalls
wurde die fortgesetzte Bedrohung von der Grenze her mit der Zeit dem Land¬
grafen unbequem, und er versuchte dadurch ein Abkommen zu treffen, daß er
versprach, die Festung Rheinfels u. f. w. räumen zu wollen, jedoch unter der Be¬
dingung, daß zuvor die Exekutionstruppen wieder nach ihren heimathlichen
Standorten abrücken sollten. General von Jsselbach hielt jedoch, seiner aus¬
drücklichen Instruktion gemäß, den Zweck der Exekution nicht eher für beendet,
bis die Räumung des Rothenburg'schen Gebiets von Seiten des Landgrafen
Wirklich erfolgt sei. Er drohte wiederholt mit nochmaligem Einrücken in das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/215>, abgerufen am 15.05.2024.