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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Resultate gelangt, daß, wenn wir nicht unsere aus erhaltenen Monumenten
gewonnene Anschauung von den Eigenthümlichkeiten Lysippischer Kunst aufgeben
wollen, der aufgefundene Hermes unmöglich ein Werk des großen
Praxiteles sein kann. Er nimmt schließlich als eine Eventualität unter
andern an, daß es sehr wohl ein Werk des jüngeren Praxiteles sein kann, der
bereits unter dem zwingenden, genügend bezeugten Einfluß des Lysippos
arbeitete.

Wie dem nun auch sein mag, wir stehen vor einem kunstgeschichtlichen
Räthsel, das dringend einer Lösung bedarf. Eine Konfrontation beider Gips¬
abgüsse, des Hermes und des Apoxyomenos, die uoch nicht erfolgt ist, wird
vielleicht diese Lösung herbeiführen. Jedenfalls hat der Gipsabguß des Hermes
der Hypothese Benndorf's, der nur nach der Zeichnung urtheilte, eine sichere
Basis geschaffen. Alle charakteristischen Grundzüge Lysippischer Kunst treten
an dem Abguß auf das Deutlichste hervor.

Was die Ausgrabungen von Mykenae an Material für die Geschichte
der Anfänge der griechischen Kunst herbeigeschafft, das haben die Ausgrabungen
in Olympia für die Geschichte ihrer Blüthezeit gethan. Dort wie hier häuft
sich Problem auf Problem, das wahre Lebenselixir für jede vorwärts strebende
Wissenschaft.




Hraf Kismarck und seine Leute während des Kriegs
mit Frankreich.

So nennt sich ein soeben (Leipzig, Grunow) erschienenes zweibändiges Buch
von Moritz Busch, welches, wie man auch über die politischen Ansichten und
die Methode des Verfassers urtheilen möge, als eine ungewöhnliche Erscheinung,
ja als eine solche bezeichnet werden muß, die in der Literatur kaum Ihres¬
gleichen hat.

Wenigstens ist zur Charakteristik Bismarck's, abgesehen von dem, was er
selbst in seinen Parlamentsreden und den von HeseNel, vom Figaro u. A. mit¬
getheilten Briefen geäußert, nichts in die Oeffentlichkeit gelangt, was den hier
gelieferten Beiträgen an Vielseitigkeit und Glaubwürdigkeit irgendwie verglichen
werden könnte.

Der Verfasser war, wie bekannt sein wird, mehrere Jahre -- irren wir
nicht, von 1870 bis 1873 -- im Auswärtigen Amte angestellt, und er beglei-


Resultate gelangt, daß, wenn wir nicht unsere aus erhaltenen Monumenten
gewonnene Anschauung von den Eigenthümlichkeiten Lysippischer Kunst aufgeben
wollen, der aufgefundene Hermes unmöglich ein Werk des großen
Praxiteles sein kann. Er nimmt schließlich als eine Eventualität unter
andern an, daß es sehr wohl ein Werk des jüngeren Praxiteles sein kann, der
bereits unter dem zwingenden, genügend bezeugten Einfluß des Lysippos
arbeitete.

Wie dem nun auch sein mag, wir stehen vor einem kunstgeschichtlichen
Räthsel, das dringend einer Lösung bedarf. Eine Konfrontation beider Gips¬
abgüsse, des Hermes und des Apoxyomenos, die uoch nicht erfolgt ist, wird
vielleicht diese Lösung herbeiführen. Jedenfalls hat der Gipsabguß des Hermes
der Hypothese Benndorf's, der nur nach der Zeichnung urtheilte, eine sichere
Basis geschaffen. Alle charakteristischen Grundzüge Lysippischer Kunst treten
an dem Abguß auf das Deutlichste hervor.

Was die Ausgrabungen von Mykenae an Material für die Geschichte
der Anfänge der griechischen Kunst herbeigeschafft, das haben die Ausgrabungen
in Olympia für die Geschichte ihrer Blüthezeit gethan. Dort wie hier häuft
sich Problem auf Problem, das wahre Lebenselixir für jede vorwärts strebende
Wissenschaft.




Hraf Kismarck und seine Leute während des Kriegs
mit Frankreich.

So nennt sich ein soeben (Leipzig, Grunow) erschienenes zweibändiges Buch
von Moritz Busch, welches, wie man auch über die politischen Ansichten und
die Methode des Verfassers urtheilen möge, als eine ungewöhnliche Erscheinung,
ja als eine solche bezeichnet werden muß, die in der Literatur kaum Ihres¬
gleichen hat.

Wenigstens ist zur Charakteristik Bismarck's, abgesehen von dem, was er
selbst in seinen Parlamentsreden und den von HeseNel, vom Figaro u. A. mit¬
getheilten Briefen geäußert, nichts in die Oeffentlichkeit gelangt, was den hier
gelieferten Beiträgen an Vielseitigkeit und Glaubwürdigkeit irgendwie verglichen
werden könnte.

Der Verfasser war, wie bekannt sein wird, mehrere Jahre — irren wir
nicht, von 1870 bis 1873 — im Auswärtigen Amte angestellt, und er beglei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/271>, abgerufen am 29.04.2024.