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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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langwierig, genau so bieder, genau so geschmackvoll, genau so vollendet in der
sprachlichen Darstellung (ihrem Leben und Liedern!). Die Zusammenstellung
der drei im Titel genannten Dichter zu dem nicht mehr ganz ungewöhnlichem
und schon oft mit Glück verwendeten "Dreigestirn" mag man gelten lassen;
der Verfasser begründet sie im Vorwort, indem er die drei Namen als die
Repräsentanten dreier wichtiger "Dichterschulen" -- er meint wohl Richtungen
der deutschen Poesie? -- in Anspruch nimmt, Walther als den Vertreter des
"lieblichen Minnegesangs", Hans Sachs als den des "ehrenwerthen Meister¬
gesangs", Simon Dach als den der "gelehrten Poesie". Aber die Ausführung
dieser drei Lebensbilder ist doch derart auf den Horizont der Zuhörer des
Verfassers zugeschnitten, sie sind so philiströs "gekennzeichnet" und so mit
platten moralisirenden Gemeinplätze,: durchflochten, daß sie getrost auf den
Kreis, für den sie ursprünglich bestimmt waren, hätten beschränkt bleiben können.
Kein Zweifel, daß die Vortrüge herzlich gut gemeint sind, auch daß der Ver¬
fasser Freude damit gestiftet und wohlthätige Anregung damit ausgestreut haben
wird. Sie in den Buchhandel zu bringen, lag aber nicht die geringste
Nöthigung vor. Wenn alle Vorträge ans den letzten sechs, sieben Jahren,
in denen Walther von der Vogelweide das Thema der Erörterung gebildet
hat, gedruckt worden wären, welche Summe von Broschüren würde das er¬
geben haben! Biographische Vorträge wie die hier gebotenen, in denen weder
neue Thatsachen beigebracht werden, noch über die bekannten Thatsachen ein
neues Licht verbreitet wird, noch die bekannten Dichtungen in irgendwie neuer,
geistvoller Auffassung erscheinen, kann bei den vorhandenen Hilfsmitteln eben
heutzutage jeder einigermaßen wissenschaftlich gebildete Mensch zusammenhauen,
bessere sogar. Denn der Verfasser müht sich zum Theil mit älteren Quellen
ab und ist mit der neueren einschlägigen Literatur nicht vertraut. Wir wollen
kein Gewicht darauf legen, daß ihm für Hans Sachs und Simon Dach die
monumentalen Ausgaben des "Stuttgarter literarischen Vereins" unbekannt ge¬
blieben sind, aber wer heutzutage über Walther schreiben will, der sollte doch
wenigstens die Arbeiten von Uhland, Menzel und Pfeiffer kennen und benutzen.
Für "Volksbibliotheken" darf das Buch vielleicht empfohlen werden; uur hätte
eine darauf bezügliche Bemerkung im Titel angebracht werden sollen, damit
nicht Leser darnach greifen, für die es gar nicht bestimmt ist.


Ueber die Fremdwörter im Deutschen. Von Th. Heinze. (106. Heft der
"Deutschen Zeit- und Streit-Fragen"). Berlin, Hcibel, 1878.

Ein oft besprochenes und leider nicht oft genug zu besprechendes Thema,
das aber vielleicht noch nie in so engem Rahmen nach so verschiedenen Gesichts¬
punkten und mit so reichem Beweismaterial behandelt worden ist, wie hier.


langwierig, genau so bieder, genau so geschmackvoll, genau so vollendet in der
sprachlichen Darstellung (ihrem Leben und Liedern!). Die Zusammenstellung
der drei im Titel genannten Dichter zu dem nicht mehr ganz ungewöhnlichem
und schon oft mit Glück verwendeten „Dreigestirn" mag man gelten lassen;
der Verfasser begründet sie im Vorwort, indem er die drei Namen als die
Repräsentanten dreier wichtiger „Dichterschulen" — er meint wohl Richtungen
der deutschen Poesie? — in Anspruch nimmt, Walther als den Vertreter des
„lieblichen Minnegesangs", Hans Sachs als den des „ehrenwerthen Meister¬
gesangs", Simon Dach als den der „gelehrten Poesie". Aber die Ausführung
dieser drei Lebensbilder ist doch derart auf den Horizont der Zuhörer des
Verfassers zugeschnitten, sie sind so philiströs „gekennzeichnet" und so mit
platten moralisirenden Gemeinplätze,: durchflochten, daß sie getrost auf den
Kreis, für den sie ursprünglich bestimmt waren, hätten beschränkt bleiben können.
Kein Zweifel, daß die Vortrüge herzlich gut gemeint sind, auch daß der Ver¬
fasser Freude damit gestiftet und wohlthätige Anregung damit ausgestreut haben
wird. Sie in den Buchhandel zu bringen, lag aber nicht die geringste
Nöthigung vor. Wenn alle Vorträge ans den letzten sechs, sieben Jahren,
in denen Walther von der Vogelweide das Thema der Erörterung gebildet
hat, gedruckt worden wären, welche Summe von Broschüren würde das er¬
geben haben! Biographische Vorträge wie die hier gebotenen, in denen weder
neue Thatsachen beigebracht werden, noch über die bekannten Thatsachen ein
neues Licht verbreitet wird, noch die bekannten Dichtungen in irgendwie neuer,
geistvoller Auffassung erscheinen, kann bei den vorhandenen Hilfsmitteln eben
heutzutage jeder einigermaßen wissenschaftlich gebildete Mensch zusammenhauen,
bessere sogar. Denn der Verfasser müht sich zum Theil mit älteren Quellen
ab und ist mit der neueren einschlägigen Literatur nicht vertraut. Wir wollen
kein Gewicht darauf legen, daß ihm für Hans Sachs und Simon Dach die
monumentalen Ausgaben des „Stuttgarter literarischen Vereins" unbekannt ge¬
blieben sind, aber wer heutzutage über Walther schreiben will, der sollte doch
wenigstens die Arbeiten von Uhland, Menzel und Pfeiffer kennen und benutzen.
Für „Volksbibliotheken" darf das Buch vielleicht empfohlen werden; uur hätte
eine darauf bezügliche Bemerkung im Titel angebracht werden sollen, damit
nicht Leser darnach greifen, für die es gar nicht bestimmt ist.


Ueber die Fremdwörter im Deutschen. Von Th. Heinze. (106. Heft der
„Deutschen Zeit- und Streit-Fragen"). Berlin, Hcibel, 1878.

Ein oft besprochenes und leider nicht oft genug zu besprechendes Thema,
das aber vielleicht noch nie in so engem Rahmen nach so verschiedenen Gesichts¬
punkten und mit so reichem Beweismaterial behandelt worden ist, wie hier.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/42>, abgerufen am 29.04.2024.