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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Ganzen, in dem selbstverständlich der konfessionelle Bestand der einzelnen Theil¬
kirchen verbürgt sein müßte, sich vereinigten. -- Endlich haben mir noch in der
geschichtlichen Einleitung etwas zu beanstanden. Zwar charakterisirt sich die von
Calvin ausgehende Organisation im Gegensatz zu der von Zwingli geleiteten
dahin, daß der Obrigkeit keine ausgezeichnete Stellung im Kirchenregimente zu
Theil geworden sei. Das ist richtig, insoweit Calvin's Theorie in Betracht
gezogen wird, auch richtig, insoweit die Kirchen in das Auge gefaßt werden,
die sich im Gegensatz ,zur herrschenden Staatsgewalt gebildet haben; aber es
ist nicht richtig, insoweit die Kirchen in Rechnung gezogen werden, zu denen
der Staat eine befreundete Stellung einnahm, es ist auch nicht zutreffend für
Genf selbst. Hier gestaltete sich, wie O. Mejer es treffend bezeichnet, eine
Art konsistorialer Kirchenregierung. Die Kirchengewalt lag in den Händen des
Konsistoriums, das aus Geistlichen und Aeltesten zusammengesetzt war. Letztere
gingen aber aus der Wahl nicht der kirchlichen Gemeinden, sondern der poli¬
tischen Körperschaften hervor.*)

Wir haben mehrfach unsern Dissens mit dem geehrten Herrn Verfasser
aussprechen müssen, das hindert uns nicht, mit der Grundtendenz der Schrift
unsere Uebereinstimmung zu erklären und ihr die Beachtung von Seiten der
maßgebenden Persönlichkeiten zu wünschen, auf die sie gerechten Anspruch hat.


Des Kulturkampfes Ende von Dr. Karl Hase. Leipzig. Breitkopf K Horkel. 1878.

Ueber die Ausgleichung zwischen dem Staat und der römischen Kurie sich
zu äußern, waren wenige Theologen so berufen, wie Karl Hase. Mit prote¬
stantischer Entschiedenheit verbindet er das vollste Verständniß für die Eigen¬
art des Katholizismus, und die Objektivität geschichtlicher Betrachtung gestattet
ihm, die schwebenden Fragen von einem weiteren Gesichtspunkt, als die Zinne
der Partei gewährt, in das Auge zu fassen. Wir beschränken uns darauf,
seinem Gedankengang zu folgen, und verzichten auf eine Diskussion über die
einzelnen in Betracht kommenden Punkte, die leicht zu einem selbständigen
Aufsatz werden könnte. Die Ausschließung der Jesuiten und ihnen verwandter
klösterlicher Genossenschaften billigt Hase. Eine Genossenschaft, von der
Clemens XIV. in dem Aufhebungsbreve erklärt hat, daß, so lange sie bestehe,
"nicht möglich ist, daß die Kirche je wieder zu einem wahrhaften und dauernden
Frieden gelange," deren welthistorische Bestimmung darin besteht, alle feind¬
seligen Mächte gegen die protestantische Kirche aufzureizen, hat keinen Anspruch
auf Existenz in einem Staate, dessen Wohlfahrt auf einem friedlichen Neben-



"Loinmv vvsts IZxliss e"t äikPvLüs, sit' on en KSÜ8S äsux tin Oonssil sstroit, <^us,t,i'e
an Conseil ükx Loixknts se six >In Ovnsvil as äsux." Oran">ig,möst! vevliwi^uti^usf as
vsnövs 1541. "iektvr X. 0. I, 34S.

Ganzen, in dem selbstverständlich der konfessionelle Bestand der einzelnen Theil¬
kirchen verbürgt sein müßte, sich vereinigten. — Endlich haben mir noch in der
geschichtlichen Einleitung etwas zu beanstanden. Zwar charakterisirt sich die von
Calvin ausgehende Organisation im Gegensatz zu der von Zwingli geleiteten
dahin, daß der Obrigkeit keine ausgezeichnete Stellung im Kirchenregimente zu
Theil geworden sei. Das ist richtig, insoweit Calvin's Theorie in Betracht
gezogen wird, auch richtig, insoweit die Kirchen in das Auge gefaßt werden,
die sich im Gegensatz ,zur herrschenden Staatsgewalt gebildet haben; aber es
ist nicht richtig, insoweit die Kirchen in Rechnung gezogen werden, zu denen
der Staat eine befreundete Stellung einnahm, es ist auch nicht zutreffend für
Genf selbst. Hier gestaltete sich, wie O. Mejer es treffend bezeichnet, eine
Art konsistorialer Kirchenregierung. Die Kirchengewalt lag in den Händen des
Konsistoriums, das aus Geistlichen und Aeltesten zusammengesetzt war. Letztere
gingen aber aus der Wahl nicht der kirchlichen Gemeinden, sondern der poli¬
tischen Körperschaften hervor.*)

Wir haben mehrfach unsern Dissens mit dem geehrten Herrn Verfasser
aussprechen müssen, das hindert uns nicht, mit der Grundtendenz der Schrift
unsere Uebereinstimmung zu erklären und ihr die Beachtung von Seiten der
maßgebenden Persönlichkeiten zu wünschen, auf die sie gerechten Anspruch hat.


Des Kulturkampfes Ende von Dr. Karl Hase. Leipzig. Breitkopf K Horkel. 1878.

Ueber die Ausgleichung zwischen dem Staat und der römischen Kurie sich
zu äußern, waren wenige Theologen so berufen, wie Karl Hase. Mit prote¬
stantischer Entschiedenheit verbindet er das vollste Verständniß für die Eigen¬
art des Katholizismus, und die Objektivität geschichtlicher Betrachtung gestattet
ihm, die schwebenden Fragen von einem weiteren Gesichtspunkt, als die Zinne
der Partei gewährt, in das Auge zu fassen. Wir beschränken uns darauf,
seinem Gedankengang zu folgen, und verzichten auf eine Diskussion über die
einzelnen in Betracht kommenden Punkte, die leicht zu einem selbständigen
Aufsatz werden könnte. Die Ausschließung der Jesuiten und ihnen verwandter
klösterlicher Genossenschaften billigt Hase. Eine Genossenschaft, von der
Clemens XIV. in dem Aufhebungsbreve erklärt hat, daß, so lange sie bestehe,
„nicht möglich ist, daß die Kirche je wieder zu einem wahrhaften und dauernden
Frieden gelange," deren welthistorische Bestimmung darin besteht, alle feind¬
seligen Mächte gegen die protestantische Kirche aufzureizen, hat keinen Anspruch
auf Existenz in einem Staate, dessen Wohlfahrt auf einem friedlichen Neben-



„Loinmv vvsts IZxliss e«t äikPvLüs, sit' on en KSÜ8S äsux tin Oonssil sstroit, <^us,t,i'e
an Conseil ükx Loixknts se six >In Ovnsvil as äsux." Oran»>ig,möst! vevliwi^uti^usf as
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/443>, abgerufen am 29.04.2024.