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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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zulassen oder mit größter Genauigkeit anzugeben. Ich kann überdies keine
Widersprüche entdecken. Am 24. Januar traf die Königin in Glasgow ein,
in derselben Nacht schrieb sie jenen großen, berüchtigten Brief an Bothwell,
den sie am Morgen des 25. beendigte, Paris reiste sofort ab, kam Sonnabend
in der Nacht nach der Hauptstadt und brachte die Antwort am 27. Morgens
nach Glasgow zurück.*) Murray's Journal irrt, wenn es Bothwell erst am
28. in Edinburgh eintreffen läßt oder, was viel wahrscheinlicher ist, Bothwell,
der sich am 25. und 26. incognito in der Hauptstadt aufgehalten hatte, verließ
dieselbe mit Paris und kehrte am 28. wieder dorthin zurück. Hosack's Gründe
sür die Unechtheit der Briefe sind ganz bedeutungslos. Er leugnet geradezu
Maria's Leidenschaft für Bothwell, an der gar nicht zu zweifeln ist, "weil sie
ihn viel zu lange gekannt habe." Die Kühnheit der Hosack'scheu Schlüsse ist
überhaupt bewundernswürdig. Er führt auch Murray's Testament als einen
Beweis für Maria's Unschuld an.




M. Aamngarten über die Kirchenpotttische Lage der
Gegenwart.

Wenn eine befriedigende Erörterung kirchenpolitischer Fragen davon ab¬
hängig ist, daß ihr Urheber ein hohes Maß religiöser und sittlicher Energie
besitzt, dann gibt es in Deutschland niemanden, der so befähigt ist, auf dem
genannten Gebiete thätig zu sein, wie Baumgarten; wenn aber nur derjenige
hier zu arbeiten berufen ist, welcher die in Betracht kommenden Faktoren mit
Rücksicht auf die Mannichfaltigkeit ihrer Beziehungen und die geschichtliche Be¬
dingtheit ihres Ursprungs, Seins und Wirkens objektiv zu würdigen vermag,
dann gibt es in Deutschland niemanden, der so wenig befähigt ist, ein kompe¬
tentes Urtheil abzugeben, wie Baumgarten.^)

Dieses Mißverhältniß in der Begabung Baumgarten's tritt auch in der
vorliegenden Schrift zu Tage. In ihm ist es begründet, daß seine Darstellung
der geschichtlichen Verhältnisse, sei es der Vergangenheit, sei es der Gegenwart,
eine Leidenschaftlichkeit athmet, die ihn nicht selten zu Uebertreibungen und




*) Die Entfernungen sind nicht so bedeutend, um dies bezweifeln zu können- Maria
Stuart reiste am 27. von Glasgow ab und traf am 23. in der Hauptstadt ein, während
Paris dieselbe Strecke als Courier in einer etwas kürzeren Zeit zurücklegte.
**) Wir geben dieses Referat, ohne uns die Ansichten des Herrn Verfassers anzueignen.
D, Red'

zulassen oder mit größter Genauigkeit anzugeben. Ich kann überdies keine
Widersprüche entdecken. Am 24. Januar traf die Königin in Glasgow ein,
in derselben Nacht schrieb sie jenen großen, berüchtigten Brief an Bothwell,
den sie am Morgen des 25. beendigte, Paris reiste sofort ab, kam Sonnabend
in der Nacht nach der Hauptstadt und brachte die Antwort am 27. Morgens
nach Glasgow zurück.*) Murray's Journal irrt, wenn es Bothwell erst am
28. in Edinburgh eintreffen läßt oder, was viel wahrscheinlicher ist, Bothwell,
der sich am 25. und 26. incognito in der Hauptstadt aufgehalten hatte, verließ
dieselbe mit Paris und kehrte am 28. wieder dorthin zurück. Hosack's Gründe
sür die Unechtheit der Briefe sind ganz bedeutungslos. Er leugnet geradezu
Maria's Leidenschaft für Bothwell, an der gar nicht zu zweifeln ist, „weil sie
ihn viel zu lange gekannt habe." Die Kühnheit der Hosack'scheu Schlüsse ist
überhaupt bewundernswürdig. Er führt auch Murray's Testament als einen
Beweis für Maria's Unschuld an.




M. Aamngarten über die Kirchenpotttische Lage der
Gegenwart.

Wenn eine befriedigende Erörterung kirchenpolitischer Fragen davon ab¬
hängig ist, daß ihr Urheber ein hohes Maß religiöser und sittlicher Energie
besitzt, dann gibt es in Deutschland niemanden, der so befähigt ist, auf dem
genannten Gebiete thätig zu sein, wie Baumgarten; wenn aber nur derjenige
hier zu arbeiten berufen ist, welcher die in Betracht kommenden Faktoren mit
Rücksicht auf die Mannichfaltigkeit ihrer Beziehungen und die geschichtliche Be¬
dingtheit ihres Ursprungs, Seins und Wirkens objektiv zu würdigen vermag,
dann gibt es in Deutschland niemanden, der so wenig befähigt ist, ein kompe¬
tentes Urtheil abzugeben, wie Baumgarten.^)

Dieses Mißverhältniß in der Begabung Baumgarten's tritt auch in der
vorliegenden Schrift zu Tage. In ihm ist es begründet, daß seine Darstellung
der geschichtlichen Verhältnisse, sei es der Vergangenheit, sei es der Gegenwart,
eine Leidenschaftlichkeit athmet, die ihn nicht selten zu Uebertreibungen und




*) Die Entfernungen sind nicht so bedeutend, um dies bezweifeln zu können- Maria
Stuart reiste am 27. von Glasgow ab und traf am 23. in der Hauptstadt ein, während
Paris dieselbe Strecke als Courier in einer etwas kürzeren Zeit zurücklegte.
**) Wir geben dieses Referat, ohne uns die Ansichten des Herrn Verfassers anzueignen.
D, Red'
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[0459] zulassen oder mit größter Genauigkeit anzugeben. Ich kann überdies keine Widersprüche entdecken. Am 24. Januar traf die Königin in Glasgow ein, in derselben Nacht schrieb sie jenen großen, berüchtigten Brief an Bothwell, den sie am Morgen des 25. beendigte, Paris reiste sofort ab, kam Sonnabend in der Nacht nach der Hauptstadt und brachte die Antwort am 27. Morgens nach Glasgow zurück.*) Murray's Journal irrt, wenn es Bothwell erst am 28. in Edinburgh eintreffen läßt oder, was viel wahrscheinlicher ist, Bothwell, der sich am 25. und 26. incognito in der Hauptstadt aufgehalten hatte, verließ dieselbe mit Paris und kehrte am 28. wieder dorthin zurück. Hosack's Gründe sür die Unechtheit der Briefe sind ganz bedeutungslos. Er leugnet geradezu Maria's Leidenschaft für Bothwell, an der gar nicht zu zweifeln ist, „weil sie ihn viel zu lange gekannt habe." Die Kühnheit der Hosack'scheu Schlüsse ist überhaupt bewundernswürdig. Er führt auch Murray's Testament als einen Beweis für Maria's Unschuld an. M. Aamngarten über die Kirchenpotttische Lage der Gegenwart. Wenn eine befriedigende Erörterung kirchenpolitischer Fragen davon ab¬ hängig ist, daß ihr Urheber ein hohes Maß religiöser und sittlicher Energie besitzt, dann gibt es in Deutschland niemanden, der so befähigt ist, auf dem genannten Gebiete thätig zu sein, wie Baumgarten; wenn aber nur derjenige hier zu arbeiten berufen ist, welcher die in Betracht kommenden Faktoren mit Rücksicht auf die Mannichfaltigkeit ihrer Beziehungen und die geschichtliche Be¬ dingtheit ihres Ursprungs, Seins und Wirkens objektiv zu würdigen vermag, dann gibt es in Deutschland niemanden, der so wenig befähigt ist, ein kompe¬ tentes Urtheil abzugeben, wie Baumgarten.^) Dieses Mißverhältniß in der Begabung Baumgarten's tritt auch in der vorliegenden Schrift zu Tage. In ihm ist es begründet, daß seine Darstellung der geschichtlichen Verhältnisse, sei es der Vergangenheit, sei es der Gegenwart, eine Leidenschaftlichkeit athmet, die ihn nicht selten zu Uebertreibungen und *) Die Entfernungen sind nicht so bedeutend, um dies bezweifeln zu können- Maria Stuart reiste am 27. von Glasgow ab und traf am 23. in der Hauptstadt ein, während Paris dieselbe Strecke als Courier in einer etwas kürzeren Zeit zurücklegte. **) Wir geben dieses Referat, ohne uns die Ansichten des Herrn Verfassers anzueignen. D, Red'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/459>, abgerufen am 29.04.2024.