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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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macht worden ist mit der Erwerbung sehr zahlreicher und bedeutungsvoller
politischer Rechte, und daß der deutsche Staatsbürger allmählich daran denken
muß, selbst etwas für den Staat zu thun oder doch wenigstens zu wissen, was
im Staate wirklich vorgeht."


Die Succession des Hauses Hannover in England und Leibniz").
Ein Beitrag zur Kritik des Dr. Ouro Klopp von Otto Meinardus. Oldenburg,
Stellung, 1878.

Das Buch ist im Wesentlichen ein mit guten Gründen unternommener
Protest gegen die Art kritischer Geschichtsforschung, die Klopp, der bekannte
welfische Historiker, in den Einleitungen zu seiner Ausgabe der Leibniz'schen
Werke verübt hat, und mit welcher er zu dem Ergebniß gelangt ist, daß das
Haus Hannover nur in Folge einer "merkwürdigen Verschlingung", eines Mi߬
verständnisses oder der falschen Deutung eines Briefs der Kurfürstin Sophie,
also wider seinen Willen auf den Thron von Großbritannien gelangt sei. Dem
gegenüber versucht der Verfasser unserer Schrift, indem er zuerst die historischen
und rechtlichen Grundlagen der hannover'schen Succession in England prüft,
dann die politische Stellung und das Verhalten des Hauses Hannover gegen¬
über dieser Succession in den Jahren 1688 und 1689 betrachtet, darauf die
hannover'sche Politik in der Zeit von 1700 und 1701 entwickelt und schließlich
Leibniz und die betreffenden Denkschriften in's Ange faßt, die Thatsachen nach
ihrer inneren Wahrheit zusammenzustellen, wobei er auf folgendes Resultat
kommt. Als nach dem selbstverschuldeten Sturze der Stuarts das Haus Han¬
nover Aussicht gewann, dereinst die englische Königskrone zu erlangen, empfand
weder Sophie noch ihr Gatte oder ihr Sohn die Gewisfensbedenken, welche
Klopp ihnen andichtet; vielmehr verfocht jene Fürstin mit großer Energie die
Rechte, die sie durch die vsolg-ratioii ot' ri^des für sich und ihr Haus erlangt
hatte. Erst dann, als die politische Lage Hannover's in den letzten Jahren des
siebzehnten Jahrhunderts mehr und mehr zu einer verwickelten sich gestaltete,
als die ganze Schwierigkeit und Unsicherheit der englischen Zustände während
der Regierung Wilhelm's des Dritten klarer und immer klarer zu Tage trat,
nahm das Haus Hannover eine reservirte Stellung ein, ohne deshalb eine ge¬
wisse geheime Agitation für seine Rechte aufzugeben. In Folge dessen erhielt
die stolze Kurfürstin bei Beginn des achtzehnten Jahrhunderts, wo der spanische
Erbfolgekrieg und der nordische, von denen ganz Europa in Mitleidenschaft
gezogen wurde, ihren Anfang nahmen, die glänzende Genugthuung, daß König
und Parlament von ihr erbitten mußten, was sie nun mit dem Hinweis auf
die Noth Europa's vor der Geschichte und der Nachwelt gewähren konnte: die



So und nicht Leibnitz schreibt der Verfasser den Namen durchgehends.

macht worden ist mit der Erwerbung sehr zahlreicher und bedeutungsvoller
politischer Rechte, und daß der deutsche Staatsbürger allmählich daran denken
muß, selbst etwas für den Staat zu thun oder doch wenigstens zu wissen, was
im Staate wirklich vorgeht."


Die Succession des Hauses Hannover in England und Leibniz").
Ein Beitrag zur Kritik des Dr. Ouro Klopp von Otto Meinardus. Oldenburg,
Stellung, 1878.

Das Buch ist im Wesentlichen ein mit guten Gründen unternommener
Protest gegen die Art kritischer Geschichtsforschung, die Klopp, der bekannte
welfische Historiker, in den Einleitungen zu seiner Ausgabe der Leibniz'schen
Werke verübt hat, und mit welcher er zu dem Ergebniß gelangt ist, daß das
Haus Hannover nur in Folge einer „merkwürdigen Verschlingung", eines Mi߬
verständnisses oder der falschen Deutung eines Briefs der Kurfürstin Sophie,
also wider seinen Willen auf den Thron von Großbritannien gelangt sei. Dem
gegenüber versucht der Verfasser unserer Schrift, indem er zuerst die historischen
und rechtlichen Grundlagen der hannover'schen Succession in England prüft,
dann die politische Stellung und das Verhalten des Hauses Hannover gegen¬
über dieser Succession in den Jahren 1688 und 1689 betrachtet, darauf die
hannover'sche Politik in der Zeit von 1700 und 1701 entwickelt und schließlich
Leibniz und die betreffenden Denkschriften in's Ange faßt, die Thatsachen nach
ihrer inneren Wahrheit zusammenzustellen, wobei er auf folgendes Resultat
kommt. Als nach dem selbstverschuldeten Sturze der Stuarts das Haus Han¬
nover Aussicht gewann, dereinst die englische Königskrone zu erlangen, empfand
weder Sophie noch ihr Gatte oder ihr Sohn die Gewisfensbedenken, welche
Klopp ihnen andichtet; vielmehr verfocht jene Fürstin mit großer Energie die
Rechte, die sie durch die vsolg-ratioii ot' ri^des für sich und ihr Haus erlangt
hatte. Erst dann, als die politische Lage Hannover's in den letzten Jahren des
siebzehnten Jahrhunderts mehr und mehr zu einer verwickelten sich gestaltete,
als die ganze Schwierigkeit und Unsicherheit der englischen Zustände während
der Regierung Wilhelm's des Dritten klarer und immer klarer zu Tage trat,
nahm das Haus Hannover eine reservirte Stellung ein, ohne deshalb eine ge¬
wisse geheime Agitation für seine Rechte aufzugeben. In Folge dessen erhielt
die stolze Kurfürstin bei Beginn des achtzehnten Jahrhunderts, wo der spanische
Erbfolgekrieg und der nordische, von denen ganz Europa in Mitleidenschaft
gezogen wurde, ihren Anfang nahmen, die glänzende Genugthuung, daß König
und Parlament von ihr erbitten mußten, was sie nun mit dem Hinweis auf
die Noth Europa's vor der Geschichte und der Nachwelt gewähren konnte: die



So und nicht Leibnitz schreibt der Verfasser den Namen durchgehends.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/126>, abgerufen am 07.05.2024.