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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Die Bulgaren.
ii.

Die Zahl der Bulgaren wird von slavischen Schriftstellern auf circa
5'/2 Millionen angegeben, wobei indeß die mohammedanischen sowie die in Ru߬
land, Oesterreich, Rumänien und Serbien lebenden mitgerechnet sind. Christliche
Bulgaren sollen in der europäischen Türkei ungefähr 2,450200 wohnen, von
denen 2000 der römisch-katholischen Konfession angehören. Die übrigen sind
Orthodoxe. Diese Angaben unterschätzen indeß aller Wahrscheinlichkeit nach
die Zahl der bulgarischen Bevölkerung; denn die türkische Statistik, auf die sie
sich gründen, ist sehr unzuverlässig. Sie beruht ans den Angaben der Steuer¬
einsammler, welche die Taxe einziehen, die von den Christen für die Verschönung
mit dem Militärdienste entrichtet wird. Die Familienhäupter kennen die Zeit,
wo der Steuerempfäuger sich einstellt, und weisen einige männliche Personen
ihres Hausstandes dann an, sich ein paar Tage nicht blicken zu lassen. Indem
der Einsammler dnrch die Thür tritt, fühlt er schon, wie ihm ein Backschisch in
die Hand schlüpft, und nun gibt es für ihn nur drei männliche Hausgenossen,
während es in Wirklichkeit fünf sind.

Am dichtesten wohnen die Bulgaren von der Donau bis zum Balkan,
auch in Ostrumelien bilden sie die Mehrzahl der ländlichen und einen großen
Theil der städtischen Bevölkerung, und im Südwesten Rumelien's, dem alten
Makedonien, gibt es deren ebenfalls in verschiedenen Distrikten zerstreut eine be¬
deutende Anzahl. Sie erstrecken sich hier von Salonik nordwärts über Kailasas,
Doriana und Pedritsch bis Melenik und ostwärts von dieser Linie über die
sich vor dem Rhodopegebirge hinziehende Ebene bis Demirhissar und serez
und im Osten des Karassu-Flusses über die von den Abhängen jenes Gebirges
gegen das Aegäische Meer vorgeschobenen Gestadelandschaften mit den Orten
Kjörmürdschina und Makri bis nach Ferri. Westlich von Salonik folgt die
bulgarische Sprachgrenze ungefähr dem Bistritza-Flusse bis zur makedonischer
Stadt Kozan, wo sie diesen überschreitet, um die Stadt Serwia einzuschließen
und dann an der albanesischen Sprachgrenze hin bis zu den bekannten süd¬
slavischen Gegenden zu gehen. Indeß wohnen in den bezeichneten Landstrichen
auch in starker Anzahl Tzinzaren, Griechen und Türken, desgleichen, vorzüglich
in Salonik, Juden. Die Tzinzaren haben ihre Hauptsitze auf der großen Ebene
links vom untern Struma-Flusse, wo sie gegen hundert Dörfer einnehmen.
Griechen gibt es hauptsächlich an der Straße von Salonik nach dem Berge
Athos in dichten Massen. Türkische Dörfer finden sich in der Ebene von serez,


Die Bulgaren.
ii.

Die Zahl der Bulgaren wird von slavischen Schriftstellern auf circa
5'/2 Millionen angegeben, wobei indeß die mohammedanischen sowie die in Ru߬
land, Oesterreich, Rumänien und Serbien lebenden mitgerechnet sind. Christliche
Bulgaren sollen in der europäischen Türkei ungefähr 2,450200 wohnen, von
denen 2000 der römisch-katholischen Konfession angehören. Die übrigen sind
Orthodoxe. Diese Angaben unterschätzen indeß aller Wahrscheinlichkeit nach
die Zahl der bulgarischen Bevölkerung; denn die türkische Statistik, auf die sie
sich gründen, ist sehr unzuverlässig. Sie beruht ans den Angaben der Steuer¬
einsammler, welche die Taxe einziehen, die von den Christen für die Verschönung
mit dem Militärdienste entrichtet wird. Die Familienhäupter kennen die Zeit,
wo der Steuerempfäuger sich einstellt, und weisen einige männliche Personen
ihres Hausstandes dann an, sich ein paar Tage nicht blicken zu lassen. Indem
der Einsammler dnrch die Thür tritt, fühlt er schon, wie ihm ein Backschisch in
die Hand schlüpft, und nun gibt es für ihn nur drei männliche Hausgenossen,
während es in Wirklichkeit fünf sind.

Am dichtesten wohnen die Bulgaren von der Donau bis zum Balkan,
auch in Ostrumelien bilden sie die Mehrzahl der ländlichen und einen großen
Theil der städtischen Bevölkerung, und im Südwesten Rumelien's, dem alten
Makedonien, gibt es deren ebenfalls in verschiedenen Distrikten zerstreut eine be¬
deutende Anzahl. Sie erstrecken sich hier von Salonik nordwärts über Kailasas,
Doriana und Pedritsch bis Melenik und ostwärts von dieser Linie über die
sich vor dem Rhodopegebirge hinziehende Ebene bis Demirhissar und serez
und im Osten des Karassu-Flusses über die von den Abhängen jenes Gebirges
gegen das Aegäische Meer vorgeschobenen Gestadelandschaften mit den Orten
Kjörmürdschina und Makri bis nach Ferri. Westlich von Salonik folgt die
bulgarische Sprachgrenze ungefähr dem Bistritza-Flusse bis zur makedonischer
Stadt Kozan, wo sie diesen überschreitet, um die Stadt Serwia einzuschließen
und dann an der albanesischen Sprachgrenze hin bis zu den bekannten süd¬
slavischen Gegenden zu gehen. Indeß wohnen in den bezeichneten Landstrichen
auch in starker Anzahl Tzinzaren, Griechen und Türken, desgleichen, vorzüglich
in Salonik, Juden. Die Tzinzaren haben ihre Hauptsitze auf der großen Ebene
links vom untern Struma-Flusse, wo sie gegen hundert Dörfer einnehmen.
Griechen gibt es hauptsächlich an der Straße von Salonik nach dem Berge
Athos in dichten Massen. Türkische Dörfer finden sich in der Ebene von serez,


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[0534] Die Bulgaren. ii. Die Zahl der Bulgaren wird von slavischen Schriftstellern auf circa 5'/2 Millionen angegeben, wobei indeß die mohammedanischen sowie die in Ru߬ land, Oesterreich, Rumänien und Serbien lebenden mitgerechnet sind. Christliche Bulgaren sollen in der europäischen Türkei ungefähr 2,450200 wohnen, von denen 2000 der römisch-katholischen Konfession angehören. Die übrigen sind Orthodoxe. Diese Angaben unterschätzen indeß aller Wahrscheinlichkeit nach die Zahl der bulgarischen Bevölkerung; denn die türkische Statistik, auf die sie sich gründen, ist sehr unzuverlässig. Sie beruht ans den Angaben der Steuer¬ einsammler, welche die Taxe einziehen, die von den Christen für die Verschönung mit dem Militärdienste entrichtet wird. Die Familienhäupter kennen die Zeit, wo der Steuerempfäuger sich einstellt, und weisen einige männliche Personen ihres Hausstandes dann an, sich ein paar Tage nicht blicken zu lassen. Indem der Einsammler dnrch die Thür tritt, fühlt er schon, wie ihm ein Backschisch in die Hand schlüpft, und nun gibt es für ihn nur drei männliche Hausgenossen, während es in Wirklichkeit fünf sind. Am dichtesten wohnen die Bulgaren von der Donau bis zum Balkan, auch in Ostrumelien bilden sie die Mehrzahl der ländlichen und einen großen Theil der städtischen Bevölkerung, und im Südwesten Rumelien's, dem alten Makedonien, gibt es deren ebenfalls in verschiedenen Distrikten zerstreut eine be¬ deutende Anzahl. Sie erstrecken sich hier von Salonik nordwärts über Kailasas, Doriana und Pedritsch bis Melenik und ostwärts von dieser Linie über die sich vor dem Rhodopegebirge hinziehende Ebene bis Demirhissar und serez und im Osten des Karassu-Flusses über die von den Abhängen jenes Gebirges gegen das Aegäische Meer vorgeschobenen Gestadelandschaften mit den Orten Kjörmürdschina und Makri bis nach Ferri. Westlich von Salonik folgt die bulgarische Sprachgrenze ungefähr dem Bistritza-Flusse bis zur makedonischer Stadt Kozan, wo sie diesen überschreitet, um die Stadt Serwia einzuschließen und dann an der albanesischen Sprachgrenze hin bis zu den bekannten süd¬ slavischen Gegenden zu gehen. Indeß wohnen in den bezeichneten Landstrichen auch in starker Anzahl Tzinzaren, Griechen und Türken, desgleichen, vorzüglich in Salonik, Juden. Die Tzinzaren haben ihre Hauptsitze auf der großen Ebene links vom untern Struma-Flusse, wo sie gegen hundert Dörfer einnehmen. Griechen gibt es hauptsächlich an der Straße von Salonik nach dem Berge Athos in dichten Massen. Türkische Dörfer finden sich in der Ebene von serez,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/534>, abgerufen am 07.05.2024.