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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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sowie in der von Drama um Tuluzkjöi, Xanthi, Jenidsche und Kjörmürd-
schina. Außer den wirklichen Türken gibt es aber, wie angedeutet, sowohl in
Makedonien wie in Thrakien zum Islam übergetretene Bulgaren, die zum
Theil ihre alte Sprache beibehalten haben und bisweilen ihren türkischen Eigen¬
namen, Mehemed, Ali, Hassan u. dergl. noch christliche Familiennamen wie
Petkow (Peterssohn) oder Christow (Christussohn) beifügen.

Den Bulgaren wird Geschick für Kunstgewerbe nachgerühmt, doch gilt dies
nach Rosen nicht von den südwestlichen Zweigen des Stammes. Dagegen zeich¬
nen sie sich wie die Stammesgenossen in den übrigen Provinzen der europäischen
Türkei als Gärtner und Feldarbeiter aus. In den makedonischer Städten
gibt es zwar rein bulgarische Quartiere, deren Bewohner städtische Gewerbe
betreiben, aber wie der Bulgar sich dem Handwerke zuwendet, verliert er ge¬
wöhnlich bald seine Nationalität, lernt Griechisch und schließt sich einer grie¬
chischen Zunft an. Die nicht hellenisirten Bulgaren sollen durchschnittlich an
Intelligenz und sittlichem Werthe über den hellenisirten stehen.

Fremde, die sich nur kurze Zeit im Lande aufgehalten haben, pflegen die
Bulgaren als Freunde des Müssigganges zu schildern, aber mit Unrecht.
Wenigstens ist es, wenn verhültnißmäßig, d. h. im Vergleich mit Miseren
Bauern und Bürgern, wenig gearbeitet wird, auf die Rechnung der Kirche zu
setzen, welcher die Bulgaren angehören. Dieselbe verbietet ihnen wie den Russen,
Serben, Rumänen und Griechen, an Sonn- und Festtagen zu arbeiten, und
solcher Tage gibt es bei den Orthodoxen im Jahre etwa 180. Sonst ist das
Volk sehr fleißig. Der Bauer steht im Winter früh um vier Uhr auf, um
sein Zugvieh zu füttern, und zieht dann hinaus auf sein Stück Acker, das oft
eine Stunde von seinem Dorfe entfernt ist, um zu pflügen oder zu säen, bis
die Nacht anbricht. Im Sommer findet man ihn allerdings nicht selten am
Tage schlafend, in der Ernte und sonst bei dringend nothwendigen Werke
dagegen arbeitet er von zwei Uhr früh mit geringen Unterbrechungen unver¬
drossen, bis die Sonne sinkt und der Mond aufgeht.

"Auf meinem Gute, so berichtet Baker, pflügt ein Bulgar mit einem
englischen Pfluge und zwei Paar Büffeln, begleitet von einem Jungen, der die
Thiere leitet, an einem Wintertage ein und ein Achtel englische Aeres. Der
Boden ist fetter, mit Sand gemischter Lehm, und die Furche wird sieben Zoll
tief. In England gilt ein Acre schon als sehr gute Arbeit, sodciß also nach
dieser Probe der Bulgare keineswegs träge genannt werden kann. Die Weiber
sind ungemein rührig, backen ihr Brod selbst, spinnen Wolle und Baumwolle
und weben alle Kleiderstoffe für den Bedarf der Familie. Selten sieht man
sie zu irgend einer Tageszeit müssig gehen."

Das Innere der Hänser der arbeitenden Klasse enthält in der Regel


sowie in der von Drama um Tuluzkjöi, Xanthi, Jenidsche und Kjörmürd-
schina. Außer den wirklichen Türken gibt es aber, wie angedeutet, sowohl in
Makedonien wie in Thrakien zum Islam übergetretene Bulgaren, die zum
Theil ihre alte Sprache beibehalten haben und bisweilen ihren türkischen Eigen¬
namen, Mehemed, Ali, Hassan u. dergl. noch christliche Familiennamen wie
Petkow (Peterssohn) oder Christow (Christussohn) beifügen.

Den Bulgaren wird Geschick für Kunstgewerbe nachgerühmt, doch gilt dies
nach Rosen nicht von den südwestlichen Zweigen des Stammes. Dagegen zeich¬
nen sie sich wie die Stammesgenossen in den übrigen Provinzen der europäischen
Türkei als Gärtner und Feldarbeiter aus. In den makedonischer Städten
gibt es zwar rein bulgarische Quartiere, deren Bewohner städtische Gewerbe
betreiben, aber wie der Bulgar sich dem Handwerke zuwendet, verliert er ge¬
wöhnlich bald seine Nationalität, lernt Griechisch und schließt sich einer grie¬
chischen Zunft an. Die nicht hellenisirten Bulgaren sollen durchschnittlich an
Intelligenz und sittlichem Werthe über den hellenisirten stehen.

Fremde, die sich nur kurze Zeit im Lande aufgehalten haben, pflegen die
Bulgaren als Freunde des Müssigganges zu schildern, aber mit Unrecht.
Wenigstens ist es, wenn verhültnißmäßig, d. h. im Vergleich mit Miseren
Bauern und Bürgern, wenig gearbeitet wird, auf die Rechnung der Kirche zu
setzen, welcher die Bulgaren angehören. Dieselbe verbietet ihnen wie den Russen,
Serben, Rumänen und Griechen, an Sonn- und Festtagen zu arbeiten, und
solcher Tage gibt es bei den Orthodoxen im Jahre etwa 180. Sonst ist das
Volk sehr fleißig. Der Bauer steht im Winter früh um vier Uhr auf, um
sein Zugvieh zu füttern, und zieht dann hinaus auf sein Stück Acker, das oft
eine Stunde von seinem Dorfe entfernt ist, um zu pflügen oder zu säen, bis
die Nacht anbricht. Im Sommer findet man ihn allerdings nicht selten am
Tage schlafend, in der Ernte und sonst bei dringend nothwendigen Werke
dagegen arbeitet er von zwei Uhr früh mit geringen Unterbrechungen unver¬
drossen, bis die Sonne sinkt und der Mond aufgeht.

„Auf meinem Gute, so berichtet Baker, pflügt ein Bulgar mit einem
englischen Pfluge und zwei Paar Büffeln, begleitet von einem Jungen, der die
Thiere leitet, an einem Wintertage ein und ein Achtel englische Aeres. Der
Boden ist fetter, mit Sand gemischter Lehm, und die Furche wird sieben Zoll
tief. In England gilt ein Acre schon als sehr gute Arbeit, sodciß also nach
dieser Probe der Bulgare keineswegs träge genannt werden kann. Die Weiber
sind ungemein rührig, backen ihr Brod selbst, spinnen Wolle und Baumwolle
und weben alle Kleiderstoffe für den Bedarf der Familie. Selten sieht man
sie zu irgend einer Tageszeit müssig gehen."

Das Innere der Hänser der arbeitenden Klasse enthält in der Regel


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[0535] sowie in der von Drama um Tuluzkjöi, Xanthi, Jenidsche und Kjörmürd- schina. Außer den wirklichen Türken gibt es aber, wie angedeutet, sowohl in Makedonien wie in Thrakien zum Islam übergetretene Bulgaren, die zum Theil ihre alte Sprache beibehalten haben und bisweilen ihren türkischen Eigen¬ namen, Mehemed, Ali, Hassan u. dergl. noch christliche Familiennamen wie Petkow (Peterssohn) oder Christow (Christussohn) beifügen. Den Bulgaren wird Geschick für Kunstgewerbe nachgerühmt, doch gilt dies nach Rosen nicht von den südwestlichen Zweigen des Stammes. Dagegen zeich¬ nen sie sich wie die Stammesgenossen in den übrigen Provinzen der europäischen Türkei als Gärtner und Feldarbeiter aus. In den makedonischer Städten gibt es zwar rein bulgarische Quartiere, deren Bewohner städtische Gewerbe betreiben, aber wie der Bulgar sich dem Handwerke zuwendet, verliert er ge¬ wöhnlich bald seine Nationalität, lernt Griechisch und schließt sich einer grie¬ chischen Zunft an. Die nicht hellenisirten Bulgaren sollen durchschnittlich an Intelligenz und sittlichem Werthe über den hellenisirten stehen. Fremde, die sich nur kurze Zeit im Lande aufgehalten haben, pflegen die Bulgaren als Freunde des Müssigganges zu schildern, aber mit Unrecht. Wenigstens ist es, wenn verhültnißmäßig, d. h. im Vergleich mit Miseren Bauern und Bürgern, wenig gearbeitet wird, auf die Rechnung der Kirche zu setzen, welcher die Bulgaren angehören. Dieselbe verbietet ihnen wie den Russen, Serben, Rumänen und Griechen, an Sonn- und Festtagen zu arbeiten, und solcher Tage gibt es bei den Orthodoxen im Jahre etwa 180. Sonst ist das Volk sehr fleißig. Der Bauer steht im Winter früh um vier Uhr auf, um sein Zugvieh zu füttern, und zieht dann hinaus auf sein Stück Acker, das oft eine Stunde von seinem Dorfe entfernt ist, um zu pflügen oder zu säen, bis die Nacht anbricht. Im Sommer findet man ihn allerdings nicht selten am Tage schlafend, in der Ernte und sonst bei dringend nothwendigen Werke dagegen arbeitet er von zwei Uhr früh mit geringen Unterbrechungen unver¬ drossen, bis die Sonne sinkt und der Mond aufgeht. „Auf meinem Gute, so berichtet Baker, pflügt ein Bulgar mit einem englischen Pfluge und zwei Paar Büffeln, begleitet von einem Jungen, der die Thiere leitet, an einem Wintertage ein und ein Achtel englische Aeres. Der Boden ist fetter, mit Sand gemischter Lehm, und die Furche wird sieben Zoll tief. In England gilt ein Acre schon als sehr gute Arbeit, sodciß also nach dieser Probe der Bulgare keineswegs träge genannt werden kann. Die Weiber sind ungemein rührig, backen ihr Brod selbst, spinnen Wolle und Baumwolle und weben alle Kleiderstoffe für den Bedarf der Familie. Selten sieht man sie zu irgend einer Tageszeit müssig gehen." Das Innere der Hänser der arbeitenden Klasse enthält in der Regel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/535>, abgerufen am 28.05.2024.