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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Aeser ZnvattdenKassen. *)

Jnvalidenkassen sind Anstalten, welche den Mitgliedern entweder gegen
eine einmalige Zahlung oder gegen fortlaufende jährliche Beiträge eine mit dem
Eintritt der Arbeitsunfähigkeit beginnende jährliche Rente gewähren. Diese
Rente dauert bis zum Tode oder, was auch bisweilen geschieht, bis zum Wieder¬
eintritt der Arbeitsfähigkeit und ist im Allgemeinen eine Jahr für Jahr gleich¬
bleibende Summe. Doch läßt man auch häufig die Rente nach einer im voraus
bestimmten Regel steigen. Ebenso ist die Einrichtung beliebt, daß die Rente
erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit (Carenzzeit) beginnt, das Mitglied also
nichts bekommt, wenn es vor dieser Zeit invalid wird; ferner, daß die Rente
in jedem Falle, mag auch das betreffende Mitglied dann noch arbeitsfähig sein,
in einem im voraus bestimmten, gewöhnlich sehr hohen Altersjahre beginnt. Die
letztere Einrichtung ist besonders deshalb wichtig, weil man dadurch die schwierige
Frage über Eintritt der Invalidität durch Altersschwäche meistens umgeht.

Nicht zu verwechseln sind Jnvalidenkassen mit Altersrentenkassen, wie sie
an mehreren Orten bestehen, in Sachsen z. B. die Kgl. Sachs. Altersrentenbank.
Solche Kassen gewähren die Rente nur vom Eintritt eines im voraus bestimmten
Altersjahres ab und bekümmern sich nicht darum, ob der Rentner arbeitsunfähig
ist oder nicht. Um jedoch denjenigen Mitgliedern entgegenzukommen, welche
vor Eintritt des für den Anfang der Rente bestimmten Alters invalid werden,
zahlen sie in diesem Falle eine reduzirte Rente, deren Höhe von der Größe der
geleisteten Einzahlungen abhängt. Diese reduzirte Rente können übrigens auch
noch vollständig arbeitsfähige Mitglieder beliebig fordern. Die Anstalt gibt
eben nur das, was sie gemäß der Lebens-Wahrscheinlichkeit geben kann, die
Jnvaliditäts-Wahrscheinlichkeit kommt, wie schon bemerkt, nicht in Betracht.

Jnvalidenkassen sind sehr alte Anstalten und kommen z. B- bei den ver¬
schiedenen Zweigen des Bergbaues schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts vor,
vielleicht sogar schon früher. Bei den Geistlichen, Lehrern, im Allgemeinen bei
allen Staatsbeamten sind sie sicher schon zu Anfang des gegenwärtigen Jahr¬
hunderts eingerichtet worden. Diese älteren Kassen trugen jedoch mehr den
Charakter von Wohlthätigkeitsanstalten. Gegenwärtig ist man bei Gründung
von Jnvalidenkassen stets darauf bedacht, denselben eine sichere, auf wissen¬
schaftlicher Erörterung beruhende Grundlage zu geben, während man früher
ohne alle Abwägung der Leistungen und Gegenleistungen zu Werke ging, auch
da, wo dies doch annäherungsweise möglich gewesen wäre.



Nach einem im April d. I. im Leipziger Volksverein gehaltenen Bortrage.
Aeser ZnvattdenKassen. *)

Jnvalidenkassen sind Anstalten, welche den Mitgliedern entweder gegen
eine einmalige Zahlung oder gegen fortlaufende jährliche Beiträge eine mit dem
Eintritt der Arbeitsunfähigkeit beginnende jährliche Rente gewähren. Diese
Rente dauert bis zum Tode oder, was auch bisweilen geschieht, bis zum Wieder¬
eintritt der Arbeitsfähigkeit und ist im Allgemeinen eine Jahr für Jahr gleich¬
bleibende Summe. Doch läßt man auch häufig die Rente nach einer im voraus
bestimmten Regel steigen. Ebenso ist die Einrichtung beliebt, daß die Rente
erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit (Carenzzeit) beginnt, das Mitglied also
nichts bekommt, wenn es vor dieser Zeit invalid wird; ferner, daß die Rente
in jedem Falle, mag auch das betreffende Mitglied dann noch arbeitsfähig sein,
in einem im voraus bestimmten, gewöhnlich sehr hohen Altersjahre beginnt. Die
letztere Einrichtung ist besonders deshalb wichtig, weil man dadurch die schwierige
Frage über Eintritt der Invalidität durch Altersschwäche meistens umgeht.

Nicht zu verwechseln sind Jnvalidenkassen mit Altersrentenkassen, wie sie
an mehreren Orten bestehen, in Sachsen z. B. die Kgl. Sachs. Altersrentenbank.
Solche Kassen gewähren die Rente nur vom Eintritt eines im voraus bestimmten
Altersjahres ab und bekümmern sich nicht darum, ob der Rentner arbeitsunfähig
ist oder nicht. Um jedoch denjenigen Mitgliedern entgegenzukommen, welche
vor Eintritt des für den Anfang der Rente bestimmten Alters invalid werden,
zahlen sie in diesem Falle eine reduzirte Rente, deren Höhe von der Größe der
geleisteten Einzahlungen abhängt. Diese reduzirte Rente können übrigens auch
noch vollständig arbeitsfähige Mitglieder beliebig fordern. Die Anstalt gibt
eben nur das, was sie gemäß der Lebens-Wahrscheinlichkeit geben kann, die
Jnvaliditäts-Wahrscheinlichkeit kommt, wie schon bemerkt, nicht in Betracht.

Jnvalidenkassen sind sehr alte Anstalten und kommen z. B- bei den ver¬
schiedenen Zweigen des Bergbaues schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts vor,
vielleicht sogar schon früher. Bei den Geistlichen, Lehrern, im Allgemeinen bei
allen Staatsbeamten sind sie sicher schon zu Anfang des gegenwärtigen Jahr¬
hunderts eingerichtet worden. Diese älteren Kassen trugen jedoch mehr den
Charakter von Wohlthätigkeitsanstalten. Gegenwärtig ist man bei Gründung
von Jnvalidenkassen stets darauf bedacht, denselben eine sichere, auf wissen¬
schaftlicher Erörterung beruhende Grundlage zu geben, während man früher
ohne alle Abwägung der Leistungen und Gegenleistungen zu Werke ging, auch
da, wo dies doch annäherungsweise möglich gewesen wäre.



Nach einem im April d. I. im Leipziger Volksverein gehaltenen Bortrage.
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[0312] Aeser ZnvattdenKassen. *) Jnvalidenkassen sind Anstalten, welche den Mitgliedern entweder gegen eine einmalige Zahlung oder gegen fortlaufende jährliche Beiträge eine mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit beginnende jährliche Rente gewähren. Diese Rente dauert bis zum Tode oder, was auch bisweilen geschieht, bis zum Wieder¬ eintritt der Arbeitsfähigkeit und ist im Allgemeinen eine Jahr für Jahr gleich¬ bleibende Summe. Doch läßt man auch häufig die Rente nach einer im voraus bestimmten Regel steigen. Ebenso ist die Einrichtung beliebt, daß die Rente erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit (Carenzzeit) beginnt, das Mitglied also nichts bekommt, wenn es vor dieser Zeit invalid wird; ferner, daß die Rente in jedem Falle, mag auch das betreffende Mitglied dann noch arbeitsfähig sein, in einem im voraus bestimmten, gewöhnlich sehr hohen Altersjahre beginnt. Die letztere Einrichtung ist besonders deshalb wichtig, weil man dadurch die schwierige Frage über Eintritt der Invalidität durch Altersschwäche meistens umgeht. Nicht zu verwechseln sind Jnvalidenkassen mit Altersrentenkassen, wie sie an mehreren Orten bestehen, in Sachsen z. B. die Kgl. Sachs. Altersrentenbank. Solche Kassen gewähren die Rente nur vom Eintritt eines im voraus bestimmten Altersjahres ab und bekümmern sich nicht darum, ob der Rentner arbeitsunfähig ist oder nicht. Um jedoch denjenigen Mitgliedern entgegenzukommen, welche vor Eintritt des für den Anfang der Rente bestimmten Alters invalid werden, zahlen sie in diesem Falle eine reduzirte Rente, deren Höhe von der Größe der geleisteten Einzahlungen abhängt. Diese reduzirte Rente können übrigens auch noch vollständig arbeitsfähige Mitglieder beliebig fordern. Die Anstalt gibt eben nur das, was sie gemäß der Lebens-Wahrscheinlichkeit geben kann, die Jnvaliditäts-Wahrscheinlichkeit kommt, wie schon bemerkt, nicht in Betracht. Jnvalidenkassen sind sehr alte Anstalten und kommen z. B- bei den ver¬ schiedenen Zweigen des Bergbaues schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts vor, vielleicht sogar schon früher. Bei den Geistlichen, Lehrern, im Allgemeinen bei allen Staatsbeamten sind sie sicher schon zu Anfang des gegenwärtigen Jahr¬ hunderts eingerichtet worden. Diese älteren Kassen trugen jedoch mehr den Charakter von Wohlthätigkeitsanstalten. Gegenwärtig ist man bei Gründung von Jnvalidenkassen stets darauf bedacht, denselben eine sichere, auf wissen¬ schaftlicher Erörterung beruhende Grundlage zu geben, während man früher ohne alle Abwägung der Leistungen und Gegenleistungen zu Werke ging, auch da, wo dies doch annäherungsweise möglich gewesen wäre. Nach einem im April d. I. im Leipziger Volksverein gehaltenen Bortrage.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/312>, abgerufen am 01.05.2024.