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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Diese alten Jnvalidenkassen sind aber auch fast niemals reine Jnvaliden-
kassen gewesen, namentlich beim Bergbau die sogenannten Knappschaftskassen,
sondern sie verfolgten noch andere Zwecke. Es ist nicht ohne Interesse, die
altehrwürdigen, noch heute in großer Zahl bestehenden und sehr segensreich
wirkenden Knappschaftskassen etwas näher in's Auge zu fassen, obschon die
Einrichtung derselben überaus verschieden ist. Diese Kassen gewähren außer
der Jnvalidenpension, die in ganz alter Zeit ihr alleiniger Zweck war, auch
Pension an die Wittwen und Waisen, ferner Begräbnißgeld beim Tode der
Mitglieder und ihrer Frauen und Kinder, Krankengeld, freie Kur und Medizin
an die Mitglieder, bisweilen auch Beiträge zum Schulgelde. Eine außerordent¬
lich vielseitige Thätigkeit!

Die Höhe dieser Leistungen ist sehr verschieden; etwas Allgemeines läßt
sich kaum darüber angeben. Nur annäherungsweise läßt sich etwa Folgendes
sagen. Die Jnvalidenpension steigt mit der Länge der Mitgliedschaft und er¬
reicht als höchsten Satz etwa den dritten Theil des in den letzten Jahren der
Arbeitsfähigkeit bezogenen Lohnes. Die Wittwenpension ist entweder ein für
alle Mal fest bestimmt, oder sie richtet sich nach der Höhe des Lohnes, welchen
das Mitglied bei feinem Tode bezogen hat, oder auch nach der Höhe der Jn¬
validenpension, welche der Ehemann bezogen haben würde, wenn er zur Zeit
seines Todes hätte pensionirt werden müssen. Man kann sie im Durchschnitt
etwa dem zehnten Theile des Lohnes gleich setzen. Bei der Waisenpension
finden ähnliche Bestimmungen statt, doch unterscheidet man zwischen vaterlosen
und elternlosen Waisen; die letzteren erhalten selbstverständlich mehr. Im Allge¬
meinen ist die Waisenpension sehr gering und dürfte im Durchschnitt höchstens
ein Drittel der Wittwenpenston für jedes Kind betragen. Außerordentlich kost¬
spielig für die Kasse sind, wegen der Gefährlichkeit des Berufes, das Krankengeld,
die freie Kur und Medizin. Das erstere beträgt wöchentlich höchstens die Hälfte
des Lohnes. Das Begräbnißgeld ist dagegen nur eine geringe Last, obschon
es meist auch beim Tode der Ehefrauen und Kinder gewährt wird; es beträgt
kaum mehr als 20 Mark beim Tode eines Mitgliedes.

Die Gegenleistungen der Mitglieder bestehen hauptsächlich in 4 Proz. des
verdienten Lohnes (Büchsengeld), welche an den Lohntagen gleich abgezogen
werden, ferner in einem Beitrage der Werkbesitzer, welcher nach dem Königlich
Sächsischen Berggesetze wenigstens halb so viel betragen muß, als der Ge-
sammtbeitrag aller Mitglieder. Humane, für ihre Arbeiter gut sorgende Werk¬
besitzer zahlen aber höhere Beiträge, häufig eben so viel wie die Arbeiter, bis¬
weilen sogar mehr. Dann fließen der Knappschaftskasse noch die Eintrittsgelder
bei Anlegung neuer Bergleute, die Strafgelder und bei Beförderung in höhere
Arbeitsklasfen ein Theil des höhern Lohnes zu, den sie das erste Mal erhalten.


Grcnzlwtcn II. 1879. 40

Diese alten Jnvalidenkassen sind aber auch fast niemals reine Jnvaliden-
kassen gewesen, namentlich beim Bergbau die sogenannten Knappschaftskassen,
sondern sie verfolgten noch andere Zwecke. Es ist nicht ohne Interesse, die
altehrwürdigen, noch heute in großer Zahl bestehenden und sehr segensreich
wirkenden Knappschaftskassen etwas näher in's Auge zu fassen, obschon die
Einrichtung derselben überaus verschieden ist. Diese Kassen gewähren außer
der Jnvalidenpension, die in ganz alter Zeit ihr alleiniger Zweck war, auch
Pension an die Wittwen und Waisen, ferner Begräbnißgeld beim Tode der
Mitglieder und ihrer Frauen und Kinder, Krankengeld, freie Kur und Medizin
an die Mitglieder, bisweilen auch Beiträge zum Schulgelde. Eine außerordent¬
lich vielseitige Thätigkeit!

Die Höhe dieser Leistungen ist sehr verschieden; etwas Allgemeines läßt
sich kaum darüber angeben. Nur annäherungsweise läßt sich etwa Folgendes
sagen. Die Jnvalidenpension steigt mit der Länge der Mitgliedschaft und er¬
reicht als höchsten Satz etwa den dritten Theil des in den letzten Jahren der
Arbeitsfähigkeit bezogenen Lohnes. Die Wittwenpension ist entweder ein für
alle Mal fest bestimmt, oder sie richtet sich nach der Höhe des Lohnes, welchen
das Mitglied bei feinem Tode bezogen hat, oder auch nach der Höhe der Jn¬
validenpension, welche der Ehemann bezogen haben würde, wenn er zur Zeit
seines Todes hätte pensionirt werden müssen. Man kann sie im Durchschnitt
etwa dem zehnten Theile des Lohnes gleich setzen. Bei der Waisenpension
finden ähnliche Bestimmungen statt, doch unterscheidet man zwischen vaterlosen
und elternlosen Waisen; die letzteren erhalten selbstverständlich mehr. Im Allge¬
meinen ist die Waisenpension sehr gering und dürfte im Durchschnitt höchstens
ein Drittel der Wittwenpenston für jedes Kind betragen. Außerordentlich kost¬
spielig für die Kasse sind, wegen der Gefährlichkeit des Berufes, das Krankengeld,
die freie Kur und Medizin. Das erstere beträgt wöchentlich höchstens die Hälfte
des Lohnes. Das Begräbnißgeld ist dagegen nur eine geringe Last, obschon
es meist auch beim Tode der Ehefrauen und Kinder gewährt wird; es beträgt
kaum mehr als 20 Mark beim Tode eines Mitgliedes.

Die Gegenleistungen der Mitglieder bestehen hauptsächlich in 4 Proz. des
verdienten Lohnes (Büchsengeld), welche an den Lohntagen gleich abgezogen
werden, ferner in einem Beitrage der Werkbesitzer, welcher nach dem Königlich
Sächsischen Berggesetze wenigstens halb so viel betragen muß, als der Ge-
sammtbeitrag aller Mitglieder. Humane, für ihre Arbeiter gut sorgende Werk¬
besitzer zahlen aber höhere Beiträge, häufig eben so viel wie die Arbeiter, bis¬
weilen sogar mehr. Dann fließen der Knappschaftskasse noch die Eintrittsgelder
bei Anlegung neuer Bergleute, die Strafgelder und bei Beförderung in höhere
Arbeitsklasfen ein Theil des höhern Lohnes zu, den sie das erste Mal erhalten.


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[0313] Diese alten Jnvalidenkassen sind aber auch fast niemals reine Jnvaliden- kassen gewesen, namentlich beim Bergbau die sogenannten Knappschaftskassen, sondern sie verfolgten noch andere Zwecke. Es ist nicht ohne Interesse, die altehrwürdigen, noch heute in großer Zahl bestehenden und sehr segensreich wirkenden Knappschaftskassen etwas näher in's Auge zu fassen, obschon die Einrichtung derselben überaus verschieden ist. Diese Kassen gewähren außer der Jnvalidenpension, die in ganz alter Zeit ihr alleiniger Zweck war, auch Pension an die Wittwen und Waisen, ferner Begräbnißgeld beim Tode der Mitglieder und ihrer Frauen und Kinder, Krankengeld, freie Kur und Medizin an die Mitglieder, bisweilen auch Beiträge zum Schulgelde. Eine außerordent¬ lich vielseitige Thätigkeit! Die Höhe dieser Leistungen ist sehr verschieden; etwas Allgemeines läßt sich kaum darüber angeben. Nur annäherungsweise läßt sich etwa Folgendes sagen. Die Jnvalidenpension steigt mit der Länge der Mitgliedschaft und er¬ reicht als höchsten Satz etwa den dritten Theil des in den letzten Jahren der Arbeitsfähigkeit bezogenen Lohnes. Die Wittwenpension ist entweder ein für alle Mal fest bestimmt, oder sie richtet sich nach der Höhe des Lohnes, welchen das Mitglied bei feinem Tode bezogen hat, oder auch nach der Höhe der Jn¬ validenpension, welche der Ehemann bezogen haben würde, wenn er zur Zeit seines Todes hätte pensionirt werden müssen. Man kann sie im Durchschnitt etwa dem zehnten Theile des Lohnes gleich setzen. Bei der Waisenpension finden ähnliche Bestimmungen statt, doch unterscheidet man zwischen vaterlosen und elternlosen Waisen; die letzteren erhalten selbstverständlich mehr. Im Allge¬ meinen ist die Waisenpension sehr gering und dürfte im Durchschnitt höchstens ein Drittel der Wittwenpenston für jedes Kind betragen. Außerordentlich kost¬ spielig für die Kasse sind, wegen der Gefährlichkeit des Berufes, das Krankengeld, die freie Kur und Medizin. Das erstere beträgt wöchentlich höchstens die Hälfte des Lohnes. Das Begräbnißgeld ist dagegen nur eine geringe Last, obschon es meist auch beim Tode der Ehefrauen und Kinder gewährt wird; es beträgt kaum mehr als 20 Mark beim Tode eines Mitgliedes. Die Gegenleistungen der Mitglieder bestehen hauptsächlich in 4 Proz. des verdienten Lohnes (Büchsengeld), welche an den Lohntagen gleich abgezogen werden, ferner in einem Beitrage der Werkbesitzer, welcher nach dem Königlich Sächsischen Berggesetze wenigstens halb so viel betragen muß, als der Ge- sammtbeitrag aller Mitglieder. Humane, für ihre Arbeiter gut sorgende Werk¬ besitzer zahlen aber höhere Beiträge, häufig eben so viel wie die Arbeiter, bis¬ weilen sogar mehr. Dann fließen der Knappschaftskasse noch die Eintrittsgelder bei Anlegung neuer Bergleute, die Strafgelder und bei Beförderung in höhere Arbeitsklasfen ein Theil des höhern Lohnes zu, den sie das erste Mal erhalten. Grcnzlwtcn II. 1879. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/313>, abgerufen am 22.05.2024.