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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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der Miene, aus unterrichteten Kreisen zu kommen, unsern Aufsatz "einfach als
Phantasiegebilde sensationellen Charakters" bezeichnet. Der Verfasser des Auf¬
satzes ist auch hier Moritz Busch; er ist auch hier Redakteur der "Grenzboten"
die "ihren erlöschenden Ruhm wieder aufzufrischen und die Aufmerksamkeit auf
sich zu lenken suchen, um das Unternehmen wieder in Gang zu bringen"; Herr
Busch "gibt sich auf Grund seiner früheren dienstlichen Bekanntschaft mit dem
Fürsten Bismarck auch jetzt noch das Air, als sei er in die Geheimnisse der
Diplomatie eingeweiht und als sei er von sachverständiger Seite inspirirt
worden"; die Blätter, die den Artikel "Gortschakoffsche Politik" abgedruckt,
sind auf eine "plumpe Aufforderung hineingefallen", und dergleichen mehr.

Wir können dazu nur sagen: Zwar rührend schlecht unterrichtet, aber
um so dreister und nebenbei recht ordinär. Aber wir wundern uns nicht. "Je
unwissender, desto unverschämter" -- das pflegt ja die Regel zu sein, nach
welcher die Betriebsamkeit mancher und leider zu vieler Skribenten arbeitet, die
in Korrespondenzen machen und Enthüllungen verüben. Wir dürfen uns
trösten; denn


"Ihres Bellens lauter Schall
Beweist nur, daß wir reiten --
Ja reiten."



Literatur.
Trutz-Nachtigal von Friedrich spe. Herausgegeben von Gustav Balle.
(Deutsche Dichter des siebzehnten Jahrhunderts. Herausgegeben von K. Goedeke und
I. Tittmann. 13. Bd.) Leipzig, Brockhaus, 1879.

Wenn sich einmal ein unternehmender Kopf finden wird, der uns von der
vielgeschmähten deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts ein Vorurtheilsfreies,
frisch aus den Quellen geschöpftes Gesammtbild zeichnen wird, ohne zum so und
so vielten Male den alten Kohl unserer Literaturgeschichten aufzuwärmen --
einen geistvollen, leider in seiner Darstellung etwas ungenießbaren Versuch in
dieser Richtung hat 1870 C. Lemcke im ersten (bisher einzigen) Bande seiner
Geschichte der deutschen Dichtung gemacht -- so wird er in den trefflichen
Brockhaus'schen Neudrucken deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts, einer der
vier bekannten Brockhaus'schen Textsammlungen zur Geschichte der deutschen
Dichtung, eine ganz unschätzbare Förderung finden. Auch der eben ausgegebene
13. Band der genannten Serie, der uns den merkwürdigsten Vertreter jener
inbrünstigen geistlichen Erotik, die der Katholizismus des 17. Jahrhunderts in


der Miene, aus unterrichteten Kreisen zu kommen, unsern Aufsatz „einfach als
Phantasiegebilde sensationellen Charakters" bezeichnet. Der Verfasser des Auf¬
satzes ist auch hier Moritz Busch; er ist auch hier Redakteur der „Grenzboten"
die „ihren erlöschenden Ruhm wieder aufzufrischen und die Aufmerksamkeit auf
sich zu lenken suchen, um das Unternehmen wieder in Gang zu bringen"; Herr
Busch „gibt sich auf Grund seiner früheren dienstlichen Bekanntschaft mit dem
Fürsten Bismarck auch jetzt noch das Air, als sei er in die Geheimnisse der
Diplomatie eingeweiht und als sei er von sachverständiger Seite inspirirt
worden"; die Blätter, die den Artikel „Gortschakoffsche Politik" abgedruckt,
sind auf eine „plumpe Aufforderung hineingefallen", und dergleichen mehr.

Wir können dazu nur sagen: Zwar rührend schlecht unterrichtet, aber
um so dreister und nebenbei recht ordinär. Aber wir wundern uns nicht. „Je
unwissender, desto unverschämter" — das pflegt ja die Regel zu sein, nach
welcher die Betriebsamkeit mancher und leider zu vieler Skribenten arbeitet, die
in Korrespondenzen machen und Enthüllungen verüben. Wir dürfen uns
trösten; denn


„Ihres Bellens lauter Schall
Beweist nur, daß wir reiten —
Ja reiten."



Literatur.
Trutz-Nachtigal von Friedrich spe. Herausgegeben von Gustav Balle.
(Deutsche Dichter des siebzehnten Jahrhunderts. Herausgegeben von K. Goedeke und
I. Tittmann. 13. Bd.) Leipzig, Brockhaus, 1879.

Wenn sich einmal ein unternehmender Kopf finden wird, der uns von der
vielgeschmähten deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts ein Vorurtheilsfreies,
frisch aus den Quellen geschöpftes Gesammtbild zeichnen wird, ohne zum so und
so vielten Male den alten Kohl unserer Literaturgeschichten aufzuwärmen —
einen geistvollen, leider in seiner Darstellung etwas ungenießbaren Versuch in
dieser Richtung hat 1870 C. Lemcke im ersten (bisher einzigen) Bande seiner
Geschichte der deutschen Dichtung gemacht — so wird er in den trefflichen
Brockhaus'schen Neudrucken deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts, einer der
vier bekannten Brockhaus'schen Textsammlungen zur Geschichte der deutschen
Dichtung, eine ganz unschätzbare Förderung finden. Auch der eben ausgegebene
13. Band der genannten Serie, der uns den merkwürdigsten Vertreter jener
inbrünstigen geistlichen Erotik, die der Katholizismus des 17. Jahrhunderts in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/40>, abgerufen am 30.04.2024.