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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Artikel in Aussicht genommene, kann selbstmörderisch werden. Denn wir
glauben noch nicht an die nachhaltige Opposition des Zentrums gegen die
Finanzzölle und namentlich nicht an die Gefährlichkeit der Garantieforderuugen,
an welchen die Partei schließlich festhalten wird. Daß die nationalliberale
Partei dahin kommen sollte, der Hauptfortbildung des Reiches seit seiner
Schaffung entgegengetreten zu sein, so daß der Sieg dieses Fortschrittes dem
Zentrum zu danken wäre, dies mögen wir noch nicht glauben. Schwerlich
dürfte die Partei diese verblendete Wendung gegen ihren Ursprung jemals ver¬
winden. Die Pflege und Fortbildung des nationalen Gedankens müßte nach
diesem Akt politischer Unbesonnenheit auf andere Männer übergehen, die Führer
mindestens, welche diesen Akt zu verantworten hätten, könnten niemals mehr die
Ehre verdienen, als Vorkämpfer des nationalen Gedankens die Leitung in
di ^ esem Kampfe beanspruchen zu dürfen.




Literatur.
Fürst Bismarck und unsere Zeit. Von Dr. Hermann Klee. Berlin, Carl
Duncker's Verlag, 1879.

Der Verfasser dieser Schrift will uns keine Biographie des Reichskanzlers
geben, sondern "ein richtiges Verständniß für unsere Zeit, für das Wirken des
Fürsten Bismarck in ihr und für die Prinzipien, die er wieder zu Ehren ge¬
bracht, verbreiten", "unter möglichster Abstrahirung von konkreten Daten aus
der Geschichte den geistigen Kern herausschälen". Nach einem Rückblicke auf
das Zeitalter der Revolution versucht er, ein Charakterbild des Fürsten zu ent¬
werfen, der ihm der "echte Repräsentant einer soldatischen, königstreuen und
glaubensstarken Gesinnung" und ein mannhafter Kämpfer gegen die den Staat
bedrohenden revolutionären Tendenzen der Gegenwart ist. Dann wendet er
sich zu der auswärtigen Politik Bismarck's, die er zunächst als preußische,
dann als deutsche, zuletzt als großmächtliche auftreten läßt. Eingehender be¬
schäftigt sich die Schrift hierauf mit der vielfach mißverstandenen, aber auch
von ihr nicht ganz richtig charakterisirten inneren Politik des Reichskanzlers.
Manches, was der Verfasser hier bemerkt, können wir unterschreiben, namentlich
alles, was er liber die Fortschrittspartei sagt, desgleichen das, was er über die
Stellung des Fürsten zu den wirthschaftlichen Fragen urtheilt, indem er ihm
das Bestreben zuschreibt, "die Industrie und die Finanzen des Reiches auf die
Höhe einer auch national-ökonomisch großen Macht zu bringen, dem jungen
deutschen Reich mehr inneres Leben und Blut zuzuführen und zu bewirke",


Artikel in Aussicht genommene, kann selbstmörderisch werden. Denn wir
glauben noch nicht an die nachhaltige Opposition des Zentrums gegen die
Finanzzölle und namentlich nicht an die Gefährlichkeit der Garantieforderuugen,
an welchen die Partei schließlich festhalten wird. Daß die nationalliberale
Partei dahin kommen sollte, der Hauptfortbildung des Reiches seit seiner
Schaffung entgegengetreten zu sein, so daß der Sieg dieses Fortschrittes dem
Zentrum zu danken wäre, dies mögen wir noch nicht glauben. Schwerlich
dürfte die Partei diese verblendete Wendung gegen ihren Ursprung jemals ver¬
winden. Die Pflege und Fortbildung des nationalen Gedankens müßte nach
diesem Akt politischer Unbesonnenheit auf andere Männer übergehen, die Führer
mindestens, welche diesen Akt zu verantworten hätten, könnten niemals mehr die
Ehre verdienen, als Vorkämpfer des nationalen Gedankens die Leitung in
di ^ esem Kampfe beanspruchen zu dürfen.




Literatur.
Fürst Bismarck und unsere Zeit. Von Dr. Hermann Klee. Berlin, Carl
Duncker's Verlag, 1879.

Der Verfasser dieser Schrift will uns keine Biographie des Reichskanzlers
geben, sondern „ein richtiges Verständniß für unsere Zeit, für das Wirken des
Fürsten Bismarck in ihr und für die Prinzipien, die er wieder zu Ehren ge¬
bracht, verbreiten", „unter möglichster Abstrahirung von konkreten Daten aus
der Geschichte den geistigen Kern herausschälen". Nach einem Rückblicke auf
das Zeitalter der Revolution versucht er, ein Charakterbild des Fürsten zu ent¬
werfen, der ihm der „echte Repräsentant einer soldatischen, königstreuen und
glaubensstarken Gesinnung" und ein mannhafter Kämpfer gegen die den Staat
bedrohenden revolutionären Tendenzen der Gegenwart ist. Dann wendet er
sich zu der auswärtigen Politik Bismarck's, die er zunächst als preußische,
dann als deutsche, zuletzt als großmächtliche auftreten läßt. Eingehender be¬
schäftigt sich die Schrift hierauf mit der vielfach mißverstandenen, aber auch
von ihr nicht ganz richtig charakterisirten inneren Politik des Reichskanzlers.
Manches, was der Verfasser hier bemerkt, können wir unterschreiben, namentlich
alles, was er liber die Fortschrittspartei sagt, desgleichen das, was er über die
Stellung des Fürsten zu den wirthschaftlichen Fragen urtheilt, indem er ihm
das Bestreben zuschreibt, „die Industrie und die Finanzen des Reiches auf die
Höhe einer auch national-ökonomisch großen Macht zu bringen, dem jungen
deutschen Reich mehr inneres Leben und Blut zuzuführen und zu bewirke«,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/485>, abgerufen am 01.05.2024.