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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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zeugen, deren Überreichung der Scheich schon für den nächsten Tag wünschte.
Glücklicher Weise war alles gut erhalten mit Ausnahme eines Harmoniums
das wegen mangelhafter Verpackung bei dem Wüstentransport so gelitten hatte,
daß es auf keine Weise zum Ertönen gebracht werden konnte. Die überreichten
Geschenke fanden die volle Bewunderung des Scheich: der rothsammtne, gold¬
verzierte Thronsessel, die königlichen Bildnisse, die Zündnadelgewehre, sowie
eine Anzahl kleinerer Gegenstände betrachtete er mit großem Interesse und
freute sich sichtlich, sie in seinen Besitz übergehen zu sehen.

Unter dem Schutze dieses ihm gnädig gesinnten Fürsten verweilte Nachtigal
vom 6. Juli 1870 bis zum 19. März 1871 in Kuka. Doch reicht der in dem
ersten Bande seines Reisewerks erstattete Bericht, der über die Hauptstadt selbst,
über Kleidung und Nahrung der Bornu-Leute, über Handels- und Marktver¬
hältnisse in Kuka, über Hof, Regierung und Kriegsmacht des Scheich eine Menge
anziehender Details bietet, nur bis zum Schlüsse des Jahres 1870. Das
Weitere über den Aufenthalt in Kuka, sowie die von da aus unternommenen
Expeditionen zu bringen verspricht der zweite Theil, dessen Erscheinen mit leb¬
hafter Spannung entgegenzusehen wir nach dein Inhalte des ersten Theiles
wohl berechtigt sind.




Lin Kelirolog.

Das Auswärtige Amt ist in Trauer. Als ich das letzte Mal schrieb,
glaubte ich nicht, daß die Befürchtung, der Staatssekretär v. Bülow werde
seine Thätigkeit möglicherweise nicht wieder aufnehmen können, sich nach wenigen
Tagen schon verwirklichen werde. Es war ein schweres Rückenmarksleiden,
das den verdienten Staatsmann ergriffen hatte, und es war wenig Hoffnung
auf Genesung vorhanden, aber es war immer noch Hoffnung. Dieselbe hat sich
nicht erfüllt. Der eingetretenen Lähmung folgte während der Reise nach dem
Süden, wo Heilung gesucht werden sollte, der Tod in Gestalt eines Nerven¬
schlages, und seit gestern Nachmittag deckt den Minister auf dem Friedhofe der
zwölf Apostel die Erde. Er nimmt den Ruf mit sich ins Grab, ganz und voll
gewesen zu sein, was der Reichskanzler an der Stelle, an die er ihn berufen,
bedürfte: ein treuer, verstüudnißvoller, formgewandter und überaus fleißiger
Vertreter und Ausführer der Gedanken, die als Aufgaben des Chefs an ihn
herantraten. Wie er nicht weniger war, so wollte er bei all dem Selbstgefühl,
zu dem ihn seine Gaben und sein Charakter berechtigten, auch nicht mehr sein.


zeugen, deren Überreichung der Scheich schon für den nächsten Tag wünschte.
Glücklicher Weise war alles gut erhalten mit Ausnahme eines Harmoniums
das wegen mangelhafter Verpackung bei dem Wüstentransport so gelitten hatte,
daß es auf keine Weise zum Ertönen gebracht werden konnte. Die überreichten
Geschenke fanden die volle Bewunderung des Scheich: der rothsammtne, gold¬
verzierte Thronsessel, die königlichen Bildnisse, die Zündnadelgewehre, sowie
eine Anzahl kleinerer Gegenstände betrachtete er mit großem Interesse und
freute sich sichtlich, sie in seinen Besitz übergehen zu sehen.

Unter dem Schutze dieses ihm gnädig gesinnten Fürsten verweilte Nachtigal
vom 6. Juli 1870 bis zum 19. März 1871 in Kuka. Doch reicht der in dem
ersten Bande seines Reisewerks erstattete Bericht, der über die Hauptstadt selbst,
über Kleidung und Nahrung der Bornu-Leute, über Handels- und Marktver¬
hältnisse in Kuka, über Hof, Regierung und Kriegsmacht des Scheich eine Menge
anziehender Details bietet, nur bis zum Schlüsse des Jahres 1870. Das
Weitere über den Aufenthalt in Kuka, sowie die von da aus unternommenen
Expeditionen zu bringen verspricht der zweite Theil, dessen Erscheinen mit leb¬
hafter Spannung entgegenzusehen wir nach dein Inhalte des ersten Theiles
wohl berechtigt sind.




Lin Kelirolog.

Das Auswärtige Amt ist in Trauer. Als ich das letzte Mal schrieb,
glaubte ich nicht, daß die Befürchtung, der Staatssekretär v. Bülow werde
seine Thätigkeit möglicherweise nicht wieder aufnehmen können, sich nach wenigen
Tagen schon verwirklichen werde. Es war ein schweres Rückenmarksleiden,
das den verdienten Staatsmann ergriffen hatte, und es war wenig Hoffnung
auf Genesung vorhanden, aber es war immer noch Hoffnung. Dieselbe hat sich
nicht erfüllt. Der eingetretenen Lähmung folgte während der Reise nach dem
Süden, wo Heilung gesucht werden sollte, der Tod in Gestalt eines Nerven¬
schlages, und seit gestern Nachmittag deckt den Minister auf dem Friedhofe der
zwölf Apostel die Erde. Er nimmt den Ruf mit sich ins Grab, ganz und voll
gewesen zu sein, was der Reichskanzler an der Stelle, an die er ihn berufen,
bedürfte: ein treuer, verstüudnißvoller, formgewandter und überaus fleißiger
Vertreter und Ausführer der Gedanken, die als Aufgaben des Chefs an ihn
herantraten. Wie er nicht weniger war, so wollte er bei all dem Selbstgefühl,
zu dem ihn seine Gaben und sein Charakter berechtigten, auch nicht mehr sein.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/212>, abgerufen am 05.05.2024.