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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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ältesten Sohn und muthmaßlichen Nachfolger mit einer Anzahl von Panzer¬
reitern, die ebenso wie ihre Pferde mit steifgenähten Wattdecken bis zur Unbe¬
wegliche eingehüllt waren, zum Geleit in seine Hauptstadt entgegenschickte.
Der Einzug selbst erfolgte mit Entfaltung möglichster Pracht auf beiden Seiten
und unter Anwesenheit einer "zahllosen" Zuschauermenge. Eine Musikbande brachte
mit dumpfdröhnenden Paukenschlägen, regellosem Trommelwirbel, schrillen
Pfeifen, schnarrenden Antilopenhörnern, tiefklingenden Posaunen und kreischenden
Dudelsäcken einen sinnverwirrenden Lärm hervor, während die Bevölkerung
Kukas durch große Pulververschwendung ihre Freude zu bezeugen suchte; beides
Musiklärm und Flintengeknall, erreichten ihren Höhepunkt vor der Königs¬
wohnung, in die Bu Wscha sofort zur Begrüßung gerufen wurde.

Daß dem Ueberbringer der Geschenke des damaligen Königs von Preußen
nicht dieselbe Ehre des sofortigen Empfangs zu Theil wurde, mußte Nachtigal
als eine Hintansetzung ansehen, und er machte demgemäß dem Titiwi gegenüber
aus seiner Verstimmung kein Hehl; denn auch die Wohnung, welche ihm zum
Gebrauch angewiesen war, zeigte sich anfangs unzureichend und wurde erst durch
Drohungen in einen brauchbaren Zustand versetzt. Unterdeß war aber der
Scheich Omar von der Unzufriedenheit des Deutschen in Kenntniß gesetzt worden
und ließ diesen sofort ersuchen, zum Empfange zu erscheinen. Nachtigal zögerte
nicht, und als er im Palaste ankam, fand er den Scheich mit untergeschlagenen
Beinen auf der Bank sitzen. Bor ihm auf dem Divan lag sein Königsschwert,
neben ihm auf einem Kissen ein mit Silber ausgelegter Karabiner, und am
Boden vor ihm standen gelbe, nach tunisischer Sitte gearbeitete Pantoffeln. Seine
ganze Erscheinung war die eines wohlhabenden Fezzaners, erinnerte durch die
Einfachheit der Kleidungsstücke in Farbe und Verzierung an seinen religiösen
Charakter und zeichnete sich durch die höchste Sauberkeit aus. Er schien ein
Mann von mittlerer Größe, von runden Formen zu sein, war von durchaus
schwarzer Hautfarbe, vollem Gesichte und, als er die verhüllende Turbantour
entfernte, von überaus freundlichem Ausdrucke feines intelligenten Gesichtes.
Dabei zeigten die einzelnen Theile desselben Nichts von den Mißverhältnissen,
mit denen man sich die Neger vorzustellen liebt; Nase, Mund und Backenknochen
waren, wenn nicht edel, so doch ziemlich regelmäßig angeordnet. Nach den
gebräuchlichen Begrüßungsformeln und Erkundigungen über die Reise säumte
Nachtigal nicht, seiner Klage über die Vernachlässigung seiner als Gesandten
eines mächtigen Fürsten Ausdruck zu geben; der Scheich suchte sie durch die
Versicherung, daß er über den Zweck seines Besuches nicht genügend unterrichtet
worden sei, und außerdem durch das Geschenk eines seidegefütterten Burnus
von feinem, schwarzem Tuche zu beschwichtigen. Nachtigal gab sich damit zu¬
frieden und zog sich zurück, um sich von dem Zustande der Geschenke zu über-


ältesten Sohn und muthmaßlichen Nachfolger mit einer Anzahl von Panzer¬
reitern, die ebenso wie ihre Pferde mit steifgenähten Wattdecken bis zur Unbe¬
wegliche eingehüllt waren, zum Geleit in seine Hauptstadt entgegenschickte.
Der Einzug selbst erfolgte mit Entfaltung möglichster Pracht auf beiden Seiten
und unter Anwesenheit einer „zahllosen" Zuschauermenge. Eine Musikbande brachte
mit dumpfdröhnenden Paukenschlägen, regellosem Trommelwirbel, schrillen
Pfeifen, schnarrenden Antilopenhörnern, tiefklingenden Posaunen und kreischenden
Dudelsäcken einen sinnverwirrenden Lärm hervor, während die Bevölkerung
Kukas durch große Pulververschwendung ihre Freude zu bezeugen suchte; beides
Musiklärm und Flintengeknall, erreichten ihren Höhepunkt vor der Königs¬
wohnung, in die Bu Wscha sofort zur Begrüßung gerufen wurde.

Daß dem Ueberbringer der Geschenke des damaligen Königs von Preußen
nicht dieselbe Ehre des sofortigen Empfangs zu Theil wurde, mußte Nachtigal
als eine Hintansetzung ansehen, und er machte demgemäß dem Titiwi gegenüber
aus seiner Verstimmung kein Hehl; denn auch die Wohnung, welche ihm zum
Gebrauch angewiesen war, zeigte sich anfangs unzureichend und wurde erst durch
Drohungen in einen brauchbaren Zustand versetzt. Unterdeß war aber der
Scheich Omar von der Unzufriedenheit des Deutschen in Kenntniß gesetzt worden
und ließ diesen sofort ersuchen, zum Empfange zu erscheinen. Nachtigal zögerte
nicht, und als er im Palaste ankam, fand er den Scheich mit untergeschlagenen
Beinen auf der Bank sitzen. Bor ihm auf dem Divan lag sein Königsschwert,
neben ihm auf einem Kissen ein mit Silber ausgelegter Karabiner, und am
Boden vor ihm standen gelbe, nach tunisischer Sitte gearbeitete Pantoffeln. Seine
ganze Erscheinung war die eines wohlhabenden Fezzaners, erinnerte durch die
Einfachheit der Kleidungsstücke in Farbe und Verzierung an seinen religiösen
Charakter und zeichnete sich durch die höchste Sauberkeit aus. Er schien ein
Mann von mittlerer Größe, von runden Formen zu sein, war von durchaus
schwarzer Hautfarbe, vollem Gesichte und, als er die verhüllende Turbantour
entfernte, von überaus freundlichem Ausdrucke feines intelligenten Gesichtes.
Dabei zeigten die einzelnen Theile desselben Nichts von den Mißverhältnissen,
mit denen man sich die Neger vorzustellen liebt; Nase, Mund und Backenknochen
waren, wenn nicht edel, so doch ziemlich regelmäßig angeordnet. Nach den
gebräuchlichen Begrüßungsformeln und Erkundigungen über die Reise säumte
Nachtigal nicht, seiner Klage über die Vernachlässigung seiner als Gesandten
eines mächtigen Fürsten Ausdruck zu geben; der Scheich suchte sie durch die
Versicherung, daß er über den Zweck seines Besuches nicht genügend unterrichtet
worden sei, und außerdem durch das Geschenk eines seidegefütterten Burnus
von feinem, schwarzem Tuche zu beschwichtigen. Nachtigal gab sich damit zu¬
frieden und zog sich zurück, um sich von dem Zustande der Geschenke zu über-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/211>, abgerufen am 19.05.2024.