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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Aas KuttureMmen.

In der Sitzung vom 15. Oktober verhandelte die Generalsynode in Berlin
über das Gesetz vom 11. Mai 1873, welches den Studirenden der Theologie
beider Konfessionen eine wissenschaftliche Staatsprüfung in Philosophie, Ge¬
schichte und Literaturgeschichte vorschreibt. Das Gesetz trifft zunächst nur die
Studirenden, welche sich der Prüfung zu unterziehen haben, aber es ist doch
für das ganze innere Leben der Kirche von Wichtigkeit, welche Anforderungen
an die Kenntnisse ihrer Geistlichen gestellt werden, und die Verhandlungen
selbst in der Generalsynode waren charakteristisch für die Stellung, welche die
verschiedenen Parteien zu den Gesetzen einnehmen, die eine strengere staatliche
Aufsicht der Kirche gegenüber bezwecken. Zwei Anträge lagen vor, der eine,
von dem Oberkonsistorialrath Kögel eingebracht, war auch von Mitgliedern der
evangelischen Vereinigung wie Professor Beyschlag unterzeichnet; er forderte,
daß die genannte Prüfung überall mit der ersten theologischen Prüfung ver¬
bunden und durch Mitglieder der theologischen Prüfungskommission abgenommen
werde; der zweite, von streng Konfessionellen eingebracht, verlangte den gänz¬
lichen Wegfall jeuer Prüfung. Aber auch Dr. Kögel begründete in einer Rede,
mit der er wiederholt "große Heiterkeit" bei der Versammlung zu erregen
wußte, seinen Antrag so, daß er die Prüfung als vollständig überflüssig hin¬
stellte; er unterschied sich von der Auffassung des Vertreters des zweiten An¬
trags, v. Kleist-Retzow, nur darin, daß er der Synode den Beruf absprach, auf
Aenderung der Maigesetze zu dringen. Seine Auffassung fand auch die Bei¬
stimmung des Präsidenten des Oberkirchenraths Hermes, welcher die Erklärung
abgab, daß seitens des Oberkirchenraths für Beibehaltung des "Kulturexamens"
nicht eingetreten werde, eine Diskussion über Aenderung der Gesetzgebung aber
für inopportun erklärte. Da auch der Kultusminister diesen Anschauungen
sich anschloß, wenn er auch persönlich an bestehenden Gesetzen eine Kritik nicht
üben wollte, und da er zugleich versprach, sehr erhebliche Erleichterungen für


Grenzboten IV. 1379. 28
Aas KuttureMmen.

In der Sitzung vom 15. Oktober verhandelte die Generalsynode in Berlin
über das Gesetz vom 11. Mai 1873, welches den Studirenden der Theologie
beider Konfessionen eine wissenschaftliche Staatsprüfung in Philosophie, Ge¬
schichte und Literaturgeschichte vorschreibt. Das Gesetz trifft zunächst nur die
Studirenden, welche sich der Prüfung zu unterziehen haben, aber es ist doch
für das ganze innere Leben der Kirche von Wichtigkeit, welche Anforderungen
an die Kenntnisse ihrer Geistlichen gestellt werden, und die Verhandlungen
selbst in der Generalsynode waren charakteristisch für die Stellung, welche die
verschiedenen Parteien zu den Gesetzen einnehmen, die eine strengere staatliche
Aufsicht der Kirche gegenüber bezwecken. Zwei Anträge lagen vor, der eine,
von dem Oberkonsistorialrath Kögel eingebracht, war auch von Mitgliedern der
evangelischen Vereinigung wie Professor Beyschlag unterzeichnet; er forderte,
daß die genannte Prüfung überall mit der ersten theologischen Prüfung ver¬
bunden und durch Mitglieder der theologischen Prüfungskommission abgenommen
werde; der zweite, von streng Konfessionellen eingebracht, verlangte den gänz¬
lichen Wegfall jeuer Prüfung. Aber auch Dr. Kögel begründete in einer Rede,
mit der er wiederholt „große Heiterkeit" bei der Versammlung zu erregen
wußte, seinen Antrag so, daß er die Prüfung als vollständig überflüssig hin¬
stellte; er unterschied sich von der Auffassung des Vertreters des zweiten An¬
trags, v. Kleist-Retzow, nur darin, daß er der Synode den Beruf absprach, auf
Aenderung der Maigesetze zu dringen. Seine Auffassung fand auch die Bei¬
stimmung des Präsidenten des Oberkirchenraths Hermes, welcher die Erklärung
abgab, daß seitens des Oberkirchenraths für Beibehaltung des „Kulturexamens"
nicht eingetreten werde, eine Diskussion über Aenderung der Gesetzgebung aber
für inopportun erklärte. Da auch der Kultusminister diesen Anschauungen
sich anschloß, wenn er auch persönlich an bestehenden Gesetzen eine Kritik nicht
üben wollte, und da er zugleich versprach, sehr erhebliche Erleichterungen für


Grenzboten IV. 1379. 28
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[0217] Aas KuttureMmen. In der Sitzung vom 15. Oktober verhandelte die Generalsynode in Berlin über das Gesetz vom 11. Mai 1873, welches den Studirenden der Theologie beider Konfessionen eine wissenschaftliche Staatsprüfung in Philosophie, Ge¬ schichte und Literaturgeschichte vorschreibt. Das Gesetz trifft zunächst nur die Studirenden, welche sich der Prüfung zu unterziehen haben, aber es ist doch für das ganze innere Leben der Kirche von Wichtigkeit, welche Anforderungen an die Kenntnisse ihrer Geistlichen gestellt werden, und die Verhandlungen selbst in der Generalsynode waren charakteristisch für die Stellung, welche die verschiedenen Parteien zu den Gesetzen einnehmen, die eine strengere staatliche Aufsicht der Kirche gegenüber bezwecken. Zwei Anträge lagen vor, der eine, von dem Oberkonsistorialrath Kögel eingebracht, war auch von Mitgliedern der evangelischen Vereinigung wie Professor Beyschlag unterzeichnet; er forderte, daß die genannte Prüfung überall mit der ersten theologischen Prüfung ver¬ bunden und durch Mitglieder der theologischen Prüfungskommission abgenommen werde; der zweite, von streng Konfessionellen eingebracht, verlangte den gänz¬ lichen Wegfall jeuer Prüfung. Aber auch Dr. Kögel begründete in einer Rede, mit der er wiederholt „große Heiterkeit" bei der Versammlung zu erregen wußte, seinen Antrag so, daß er die Prüfung als vollständig überflüssig hin¬ stellte; er unterschied sich von der Auffassung des Vertreters des zweiten An¬ trags, v. Kleist-Retzow, nur darin, daß er der Synode den Beruf absprach, auf Aenderung der Maigesetze zu dringen. Seine Auffassung fand auch die Bei¬ stimmung des Präsidenten des Oberkirchenraths Hermes, welcher die Erklärung abgab, daß seitens des Oberkirchenraths für Beibehaltung des „Kulturexamens" nicht eingetreten werde, eine Diskussion über Aenderung der Gesetzgebung aber für inopportun erklärte. Da auch der Kultusminister diesen Anschauungen sich anschloß, wenn er auch persönlich an bestehenden Gesetzen eine Kritik nicht üben wollte, und da er zugleich versprach, sehr erhebliche Erleichterungen für Grenzboten IV. 1379. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/217>, abgerufen am 05.05.2024.