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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Am wenigsten befriedigt noch die Deutung der beiden mittleren Archi-
volten. Daß die Apostel- und Prophetenfiguren wesentlich zur Füllung dienen,
daß sie als himmlischer Hofstaat, als curis. oosli, nur zu den Zeugen der hei¬
ligen Handlungen gehören können, die hier dargestellt sind, ist wohl zweifellos.
Aber unsicher bleiben die Mittelgruppen. Würde die Deutung bei Lübke, die
in dem zweiten Bogen die Szene sieht, wie'die Seelen in Abrahams Schooß
gebracht werden, die richtige sein, dann hätten wir eine Darstellung des Para¬
dieses, die allenfalls mit der des jüngsten Gerichtes zusammengenommen werden
könnte; dann bliebe aber auffällig, daß diese beiden Darstellungen durch den
dazwischen befindlichen dritten Bogen von einander getrennt sein würden. So
liegt es doch vielleicht näher, in der Kindesgestalt, welche, von einem Engel
getragen, die Mitte des Bogens einnimmt, das Christkind zu erblicken, welches
mit Gottvater darunter und der Taube darüber .sich zur Trinität vereinigen
würde.

Ueber den Grundgedanken des gesammten Skulpturenschmuckes aber kann
kein Zweifel sein. Die Bildwerke verherrlichen die Kirche, deren Eingang sie
schmücken, und "wie die Sequenzen <Zs äsäi"Mons soolssias uns als Hoch¬
zeitsgedichte entgegentreten, so dürfen und müssen wir die Portalskulpturen in
Freiberg als wahre Hochzeitsbilder auffassen. Sie wurzeln in der Vorstellung,
daß Christus sich, von zahlreichen Hochzeitszeugen geleitet, mit der Kirche ver¬
mählte; sie feiern die Maria als die an die Stelle der Kirche getretene Braut
und preisen den himmlischen Bräutigam des jüngsten Tages."




Die neuen Beobachtungen am Maneten Mars.

Die menschliche Phantasie hat sich von jeher gern die Frage vorgelegt, ob
sich im weiten Weltall außer der Erde noch andere Weltkörper befinden, auf
denen Leben und Bewußtsein vorhanden ist. Die Antwort kann nicht zweifel¬
haft sein. Gewiß gibt es solche Stellen im Weltraume. Die Hypothese, nur
die Erde treibe Leben, nur bei uns spiegele sich die Welt im Bewußtsein wieder,
und das sonstige All sei, wenn auch nicht gerade eine todte Wüste ohne orga¬
nische Triebkräfte, so doch nur von vegetativen Dasein erfüllt, ist von so boden¬
loser Einfalt, daß wir glauben, sie wird von Niemandem mehr gewagt. Das
sichere Gefühl aber: Fern von uns im weiten Weltenraume bei jenem hellen
Sterne gibt es Wesen von unserer oder gar von feinerer Organisation,


Am wenigsten befriedigt noch die Deutung der beiden mittleren Archi-
volten. Daß die Apostel- und Prophetenfiguren wesentlich zur Füllung dienen,
daß sie als himmlischer Hofstaat, als curis. oosli, nur zu den Zeugen der hei¬
ligen Handlungen gehören können, die hier dargestellt sind, ist wohl zweifellos.
Aber unsicher bleiben die Mittelgruppen. Würde die Deutung bei Lübke, die
in dem zweiten Bogen die Szene sieht, wie'die Seelen in Abrahams Schooß
gebracht werden, die richtige sein, dann hätten wir eine Darstellung des Para¬
dieses, die allenfalls mit der des jüngsten Gerichtes zusammengenommen werden
könnte; dann bliebe aber auffällig, daß diese beiden Darstellungen durch den
dazwischen befindlichen dritten Bogen von einander getrennt sein würden. So
liegt es doch vielleicht näher, in der Kindesgestalt, welche, von einem Engel
getragen, die Mitte des Bogens einnimmt, das Christkind zu erblicken, welches
mit Gottvater darunter und der Taube darüber .sich zur Trinität vereinigen
würde.

Ueber den Grundgedanken des gesammten Skulpturenschmuckes aber kann
kein Zweifel sein. Die Bildwerke verherrlichen die Kirche, deren Eingang sie
schmücken, und „wie die Sequenzen <Zs äsäi«Mons soolssias uns als Hoch¬
zeitsgedichte entgegentreten, so dürfen und müssen wir die Portalskulpturen in
Freiberg als wahre Hochzeitsbilder auffassen. Sie wurzeln in der Vorstellung,
daß Christus sich, von zahlreichen Hochzeitszeugen geleitet, mit der Kirche ver¬
mählte; sie feiern die Maria als die an die Stelle der Kirche getretene Braut
und preisen den himmlischen Bräutigam des jüngsten Tages."




Die neuen Beobachtungen am Maneten Mars.

Die menschliche Phantasie hat sich von jeher gern die Frage vorgelegt, ob
sich im weiten Weltall außer der Erde noch andere Weltkörper befinden, auf
denen Leben und Bewußtsein vorhanden ist. Die Antwort kann nicht zweifel¬
haft sein. Gewiß gibt es solche Stellen im Weltraume. Die Hypothese, nur
die Erde treibe Leben, nur bei uns spiegele sich die Welt im Bewußtsein wieder,
und das sonstige All sei, wenn auch nicht gerade eine todte Wüste ohne orga¬
nische Triebkräfte, so doch nur von vegetativen Dasein erfüllt, ist von so boden¬
loser Einfalt, daß wir glauben, sie wird von Niemandem mehr gewagt. Das
sichere Gefühl aber: Fern von uns im weiten Weltenraume bei jenem hellen
Sterne gibt es Wesen von unserer oder gar von feinerer Organisation,


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[0237] Am wenigsten befriedigt noch die Deutung der beiden mittleren Archi- volten. Daß die Apostel- und Prophetenfiguren wesentlich zur Füllung dienen, daß sie als himmlischer Hofstaat, als curis. oosli, nur zu den Zeugen der hei¬ ligen Handlungen gehören können, die hier dargestellt sind, ist wohl zweifellos. Aber unsicher bleiben die Mittelgruppen. Würde die Deutung bei Lübke, die in dem zweiten Bogen die Szene sieht, wie'die Seelen in Abrahams Schooß gebracht werden, die richtige sein, dann hätten wir eine Darstellung des Para¬ dieses, die allenfalls mit der des jüngsten Gerichtes zusammengenommen werden könnte; dann bliebe aber auffällig, daß diese beiden Darstellungen durch den dazwischen befindlichen dritten Bogen von einander getrennt sein würden. So liegt es doch vielleicht näher, in der Kindesgestalt, welche, von einem Engel getragen, die Mitte des Bogens einnimmt, das Christkind zu erblicken, welches mit Gottvater darunter und der Taube darüber .sich zur Trinität vereinigen würde. Ueber den Grundgedanken des gesammten Skulpturenschmuckes aber kann kein Zweifel sein. Die Bildwerke verherrlichen die Kirche, deren Eingang sie schmücken, und „wie die Sequenzen <Zs äsäi«Mons soolssias uns als Hoch¬ zeitsgedichte entgegentreten, so dürfen und müssen wir die Portalskulpturen in Freiberg als wahre Hochzeitsbilder auffassen. Sie wurzeln in der Vorstellung, daß Christus sich, von zahlreichen Hochzeitszeugen geleitet, mit der Kirche ver¬ mählte; sie feiern die Maria als die an die Stelle der Kirche getretene Braut und preisen den himmlischen Bräutigam des jüngsten Tages." Die neuen Beobachtungen am Maneten Mars. Die menschliche Phantasie hat sich von jeher gern die Frage vorgelegt, ob sich im weiten Weltall außer der Erde noch andere Weltkörper befinden, auf denen Leben und Bewußtsein vorhanden ist. Die Antwort kann nicht zweifel¬ haft sein. Gewiß gibt es solche Stellen im Weltraume. Die Hypothese, nur die Erde treibe Leben, nur bei uns spiegele sich die Welt im Bewußtsein wieder, und das sonstige All sei, wenn auch nicht gerade eine todte Wüste ohne orga¬ nische Triebkräfte, so doch nur von vegetativen Dasein erfüllt, ist von so boden¬ loser Einfalt, daß wir glauben, sie wird von Niemandem mehr gewagt. Das sichere Gefühl aber: Fern von uns im weiten Weltenraume bei jenem hellen Sterne gibt es Wesen von unserer oder gar von feinerer Organisation,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/237>, abgerufen am 06.05.2024.