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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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selbst veranlaßt oder von einem Freunde derselben mit oder ohne ihr Vorwissen
verfaßt ist.

Kurze Zeit darauf erschien im "Osterländer Boten", einem kleineren kon¬
servativen Blatte, das in Gera erscheint und in Altenburg mehrfach gelesen
wird, ein Artikel, der seinem Inhalte nach im Wesentlichen mit unserer Ansicht
übereinstimmt. Alsbald wurde die "Altenburger Zeitung" sehr erregt, bewarf den
"O. B." mit allerlei unappetitlichen Vorwürfen, in denen jedoch der Hauptpunkt
des Angriffs, die Nichachtung des Dementis bezüglich der Kandidatur Hases,
ganz mit Stillschweigen übergangen war, und schloß mit den Worten: "Pro¬
testiren wollen und müssen wir gegen das Gegeifer einer Partei, die die reinsten,
edelsten und tüchtigsten Männer verunglimpft, wenn sie nicht unbedingt zu ihrer
Fahne schwören" -- ein Ausfluß sittlicher Entrüstung, der angesichts des Artikels
im "O. B." völlig unverständlich ist, weil dort gar nicht gegeifert worden war.

Wir wollen die Frage unerörtert lassen, ob es schicklich ist, daß die Kan¬
didatur zu einer solchen Stelle in einem Blatte herumgeschleift wird, das eine
so prononcirte Richtung hat und meist auf der Kneipe gelesen wird. Jedenfalls
ist es ungewöhnlich, daß ein so entschiedenes Dementi unter solchen Umständen
mit solcher Nichtachtung behandelt wird; selbst Blätter wie der "Berliner Börsen-
eourier" haben sich gegenüber einem solchen Dementi kaum jemals einer so --
unzarten Zudringlichkeit schuldig gemacht. Es geht aus diesem Falle hervor,
daß die Preßverhältnisse in Altenburg noch sehr im Unklaren sind, da unter
Umständen in demselben Blatte Loyalität und Opposition in ihren extremsten
Formen zu Tage treten, und es ist lebhaft zu wünschen, daß in diese Verhältnisse
Klarheit komme, mag dies nun dadurch geschehen, daß die "Altenburger Zeitung"
ihre extreme Parteirichtung aufgibt und sich mehr auf bloße Nachrichten aus
der Heimat beschränkt, in welcher Beziehung sie schon jetzt vortrefflich ist, oder --
daß die Regierung ihren alten Plan ausführt und das Amtsblatt zu einer
Amtszeitung erhebt. Das erstere wird schwerlich eintreten; so muß man wün¬
schen, daß die Regierung sich zu dem letzteren entschließe. Nur Klarheit!




politische Briefe.
23. Die Präsidentenwahl vom 30. Oktober.

Es war diesmal, wie nationalliberale Blätter, darunter die "National-
Zeitung", wiederholt bestätigt haben, sehr leicht, das Präsidium in der Weise
zu bestellen, welche der Vertretung einer gebildeten Nation allein würdig ist,


Grenzboten IV. 1879. 33

selbst veranlaßt oder von einem Freunde derselben mit oder ohne ihr Vorwissen
verfaßt ist.

Kurze Zeit darauf erschien im „Osterländer Boten", einem kleineren kon¬
servativen Blatte, das in Gera erscheint und in Altenburg mehrfach gelesen
wird, ein Artikel, der seinem Inhalte nach im Wesentlichen mit unserer Ansicht
übereinstimmt. Alsbald wurde die „Altenburger Zeitung" sehr erregt, bewarf den
„O. B." mit allerlei unappetitlichen Vorwürfen, in denen jedoch der Hauptpunkt
des Angriffs, die Nichachtung des Dementis bezüglich der Kandidatur Hases,
ganz mit Stillschweigen übergangen war, und schloß mit den Worten: „Pro¬
testiren wollen und müssen wir gegen das Gegeifer einer Partei, die die reinsten,
edelsten und tüchtigsten Männer verunglimpft, wenn sie nicht unbedingt zu ihrer
Fahne schwören" — ein Ausfluß sittlicher Entrüstung, der angesichts des Artikels
im „O. B." völlig unverständlich ist, weil dort gar nicht gegeifert worden war.

Wir wollen die Frage unerörtert lassen, ob es schicklich ist, daß die Kan¬
didatur zu einer solchen Stelle in einem Blatte herumgeschleift wird, das eine
so prononcirte Richtung hat und meist auf der Kneipe gelesen wird. Jedenfalls
ist es ungewöhnlich, daß ein so entschiedenes Dementi unter solchen Umständen
mit solcher Nichtachtung behandelt wird; selbst Blätter wie der „Berliner Börsen-
eourier" haben sich gegenüber einem solchen Dementi kaum jemals einer so —
unzarten Zudringlichkeit schuldig gemacht. Es geht aus diesem Falle hervor,
daß die Preßverhältnisse in Altenburg noch sehr im Unklaren sind, da unter
Umständen in demselben Blatte Loyalität und Opposition in ihren extremsten
Formen zu Tage treten, und es ist lebhaft zu wünschen, daß in diese Verhältnisse
Klarheit komme, mag dies nun dadurch geschehen, daß die „Altenburger Zeitung"
ihre extreme Parteirichtung aufgibt und sich mehr auf bloße Nachrichten aus
der Heimat beschränkt, in welcher Beziehung sie schon jetzt vortrefflich ist, oder —
daß die Regierung ihren alten Plan ausführt und das Amtsblatt zu einer
Amtszeitung erhebt. Das erstere wird schwerlich eintreten; so muß man wün¬
schen, daß die Regierung sich zu dem letzteren entschließe. Nur Klarheit!




politische Briefe.
23. Die Präsidentenwahl vom 30. Oktober.

Es war diesmal, wie nationalliberale Blätter, darunter die „National-
Zeitung", wiederholt bestätigt haben, sehr leicht, das Präsidium in der Weise
zu bestellen, welche der Vertretung einer gebildeten Nation allein würdig ist,


Grenzboten IV. 1879. 33
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[0257] selbst veranlaßt oder von einem Freunde derselben mit oder ohne ihr Vorwissen verfaßt ist. Kurze Zeit darauf erschien im „Osterländer Boten", einem kleineren kon¬ servativen Blatte, das in Gera erscheint und in Altenburg mehrfach gelesen wird, ein Artikel, der seinem Inhalte nach im Wesentlichen mit unserer Ansicht übereinstimmt. Alsbald wurde die „Altenburger Zeitung" sehr erregt, bewarf den „O. B." mit allerlei unappetitlichen Vorwürfen, in denen jedoch der Hauptpunkt des Angriffs, die Nichachtung des Dementis bezüglich der Kandidatur Hases, ganz mit Stillschweigen übergangen war, und schloß mit den Worten: „Pro¬ testiren wollen und müssen wir gegen das Gegeifer einer Partei, die die reinsten, edelsten und tüchtigsten Männer verunglimpft, wenn sie nicht unbedingt zu ihrer Fahne schwören" — ein Ausfluß sittlicher Entrüstung, der angesichts des Artikels im „O. B." völlig unverständlich ist, weil dort gar nicht gegeifert worden war. Wir wollen die Frage unerörtert lassen, ob es schicklich ist, daß die Kan¬ didatur zu einer solchen Stelle in einem Blatte herumgeschleift wird, das eine so prononcirte Richtung hat und meist auf der Kneipe gelesen wird. Jedenfalls ist es ungewöhnlich, daß ein so entschiedenes Dementi unter solchen Umständen mit solcher Nichtachtung behandelt wird; selbst Blätter wie der „Berliner Börsen- eourier" haben sich gegenüber einem solchen Dementi kaum jemals einer so — unzarten Zudringlichkeit schuldig gemacht. Es geht aus diesem Falle hervor, daß die Preßverhältnisse in Altenburg noch sehr im Unklaren sind, da unter Umständen in demselben Blatte Loyalität und Opposition in ihren extremsten Formen zu Tage treten, und es ist lebhaft zu wünschen, daß in diese Verhältnisse Klarheit komme, mag dies nun dadurch geschehen, daß die „Altenburger Zeitung" ihre extreme Parteirichtung aufgibt und sich mehr auf bloße Nachrichten aus der Heimat beschränkt, in welcher Beziehung sie schon jetzt vortrefflich ist, oder — daß die Regierung ihren alten Plan ausführt und das Amtsblatt zu einer Amtszeitung erhebt. Das erstere wird schwerlich eintreten; so muß man wün¬ schen, daß die Regierung sich zu dem letzteren entschließe. Nur Klarheit! politische Briefe. 23. Die Präsidentenwahl vom 30. Oktober. Es war diesmal, wie nationalliberale Blätter, darunter die „National- Zeitung", wiederholt bestätigt haben, sehr leicht, das Präsidium in der Weise zu bestellen, welche der Vertretung einer gebildeten Nation allein würdig ist, Grenzboten IV. 1879. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/257>, abgerufen am 06.05.2024.