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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Politik zu durchkreuzen, welche die Vereinigten Staaten in Bezug auf interoceanische
Canäle gegenwärtig zu befolgen gedenken. Darum soll der besagte Vertrag auf¬
gehoben und der nordamerikanischen Union das ausschließliche Protectorat über den
etwa zu bauenden centralamerikanischen Canal vindicirt werden. Außerdem sind
in jüngster Zeit von amerikanischen Fachmännern gegen den Panama-Canal von
nautischen Standpunkte aus schwere Bedenken wegen der dort herrschenden, nur
R. D, mit heftigen Stürmen abwechselnden Windstille erhoben worden.




Annette von Droste-LMshoff.
H. Jacoby. von (Schluß.)

Welche Beziehungen der Welt spiegelten sich in dem tiefen und reichen Ge¬
müthe Annelees und wie wirkten sie auf dasselbe? -- Diese Frage suchen wir
jetzt zunächst zu beantworten.

Daß politische und nationale Interessen die Dichterin wenig bewegten, ist
leicht begreiflich. Ihr reiferes Leben hat in einer Zeit seinen Anfang genommen,
wo nach Jahrzehnten fieberhafter Erregungen und weitgreifender Umwälzungen
die Interessen des deutschen Volkes von dem staatlichen Gebiete auf das aus¬
schließlich literarische und künstlerische abgelenkt wurden, und der Tod ereilte
sie zwei Monate nach dem Ausbruche der Revolution. Sie hörte noch ihr
Brausen von ferne und schreckte vor ihm zurück. Von einer Demagogie, welche
von den ewigen Autoritäten, von den himmlischen Heiligthümern sich losgesagt
hatte, konnte sie das Heil des Vaterlandes nicht erwarten.

Aber wenn auch nicht dem öffentlichen Leben zugewandt, das in so schwachen
Pulsen schlug, hatte sie doch vielleicht ein lebhaftes Vaterlandsgefühl? Wir
haben keinen Grund, es zu bezweifeln. Zwar tritt es in ihren Gedichten nicht
hervor, wohl aber zeigt sich hier die innigste und wärmste Liebe zu ihrer west¬
fälischen Heimat, für die sie in dem Gedichte "Ungastlich oder nicht" mit treuem
Herzen eingetreten ist. Und diese Heimathliebe trägt einen universellen Charakter,
sie ist frei von localer Enge. Es ist der Werth der Heimat überhaupt, den
sie in ihrem besonderen Heimatsbewnßtsein erkennt und pflegt, und so schließt
denn auch das genannte Gedicht mit den Worten:


Politik zu durchkreuzen, welche die Vereinigten Staaten in Bezug auf interoceanische
Canäle gegenwärtig zu befolgen gedenken. Darum soll der besagte Vertrag auf¬
gehoben und der nordamerikanischen Union das ausschließliche Protectorat über den
etwa zu bauenden centralamerikanischen Canal vindicirt werden. Außerdem sind
in jüngster Zeit von amerikanischen Fachmännern gegen den Panama-Canal von
nautischen Standpunkte aus schwere Bedenken wegen der dort herrschenden, nur
R. D, mit heftigen Stürmen abwechselnden Windstille erhoben worden.




Annette von Droste-LMshoff.
H. Jacoby. von (Schluß.)

Welche Beziehungen der Welt spiegelten sich in dem tiefen und reichen Ge¬
müthe Annelees und wie wirkten sie auf dasselbe? — Diese Frage suchen wir
jetzt zunächst zu beantworten.

Daß politische und nationale Interessen die Dichterin wenig bewegten, ist
leicht begreiflich. Ihr reiferes Leben hat in einer Zeit seinen Anfang genommen,
wo nach Jahrzehnten fieberhafter Erregungen und weitgreifender Umwälzungen
die Interessen des deutschen Volkes von dem staatlichen Gebiete auf das aus¬
schließlich literarische und künstlerische abgelenkt wurden, und der Tod ereilte
sie zwei Monate nach dem Ausbruche der Revolution. Sie hörte noch ihr
Brausen von ferne und schreckte vor ihm zurück. Von einer Demagogie, welche
von den ewigen Autoritäten, von den himmlischen Heiligthümern sich losgesagt
hatte, konnte sie das Heil des Vaterlandes nicht erwarten.

Aber wenn auch nicht dem öffentlichen Leben zugewandt, das in so schwachen
Pulsen schlug, hatte sie doch vielleicht ein lebhaftes Vaterlandsgefühl? Wir
haben keinen Grund, es zu bezweifeln. Zwar tritt es in ihren Gedichten nicht
hervor, wohl aber zeigt sich hier die innigste und wärmste Liebe zu ihrer west¬
fälischen Heimat, für die sie in dem Gedichte „Ungastlich oder nicht" mit treuem
Herzen eingetreten ist. Und diese Heimathliebe trägt einen universellen Charakter,
sie ist frei von localer Enge. Es ist der Werth der Heimat überhaupt, den
sie in ihrem besonderen Heimatsbewnßtsein erkennt und pflegt, und so schließt
denn auch das genannte Gedicht mit den Worten:


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[0274] Politik zu durchkreuzen, welche die Vereinigten Staaten in Bezug auf interoceanische Canäle gegenwärtig zu befolgen gedenken. Darum soll der besagte Vertrag auf¬ gehoben und der nordamerikanischen Union das ausschließliche Protectorat über den etwa zu bauenden centralamerikanischen Canal vindicirt werden. Außerdem sind in jüngster Zeit von amerikanischen Fachmännern gegen den Panama-Canal von nautischen Standpunkte aus schwere Bedenken wegen der dort herrschenden, nur R. D, mit heftigen Stürmen abwechselnden Windstille erhoben worden. Annette von Droste-LMshoff. H. Jacoby. von (Schluß.) Welche Beziehungen der Welt spiegelten sich in dem tiefen und reichen Ge¬ müthe Annelees und wie wirkten sie auf dasselbe? — Diese Frage suchen wir jetzt zunächst zu beantworten. Daß politische und nationale Interessen die Dichterin wenig bewegten, ist leicht begreiflich. Ihr reiferes Leben hat in einer Zeit seinen Anfang genommen, wo nach Jahrzehnten fieberhafter Erregungen und weitgreifender Umwälzungen die Interessen des deutschen Volkes von dem staatlichen Gebiete auf das aus¬ schließlich literarische und künstlerische abgelenkt wurden, und der Tod ereilte sie zwei Monate nach dem Ausbruche der Revolution. Sie hörte noch ihr Brausen von ferne und schreckte vor ihm zurück. Von einer Demagogie, welche von den ewigen Autoritäten, von den himmlischen Heiligthümern sich losgesagt hatte, konnte sie das Heil des Vaterlandes nicht erwarten. Aber wenn auch nicht dem öffentlichen Leben zugewandt, das in so schwachen Pulsen schlug, hatte sie doch vielleicht ein lebhaftes Vaterlandsgefühl? Wir haben keinen Grund, es zu bezweifeln. Zwar tritt es in ihren Gedichten nicht hervor, wohl aber zeigt sich hier die innigste und wärmste Liebe zu ihrer west¬ fälischen Heimat, für die sie in dem Gedichte „Ungastlich oder nicht" mit treuem Herzen eingetreten ist. Und diese Heimathliebe trägt einen universellen Charakter, sie ist frei von localer Enge. Es ist der Werth der Heimat überhaupt, den sie in ihrem besonderen Heimatsbewnßtsein erkennt und pflegt, und so schließt denn auch das genannte Gedicht mit den Worten:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/274>, abgerufen am 05.05.2024.