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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Oesterreich und Serbien.

Seit dem Juli 1878 befindet sich zwischen Oesterreich-Ungarn und dem
Fürstenthum Serbien eine Angelegenheit in der Schwebe, die in der letzten Zeit
zu einem Conflicte zu werden drohte, und deren wir, da sie sich noch immer
dazu gestalten kann, mit einigen Worten gedenken müssen. Die Presse hat ab¬
sichtlich und unabsichtlich allerlei Unrichtiges darüber gebracht, und so herrscht
über die Sache wohl in vielen Kreisen Dunkel; es ist aber gerade in den Fragen,
die den Osten und Südosten angehen, gegenwärtig von Wichtigkeit, daß wir
klar sehen, was vorgeht; denn wir sind Freunde Oesterreich-Ungarns und
können in den Fall kommen, ihm den Beistand von Verbündeten leisten zu
müssen.

Während des Berliner Congresses schlössen Graf Andrassy und der serbi¬
sche Minister Ristitsch eine Uebereinkunft ab, in welcher die Fragen eines Han¬
delsvertrags und des Baues von Eisenbahnen principiell erledigt wurden. Da
Andrassy auf dem Congresse mehrere serbische Ansprüche befürwortet hatte, zeigte
sich Ristitsch anch bei jener Convention entgegenkommend und ließ in dieselbe
sogar den Gedanken einer Zolleinigung, wenn auch nur als Möglichkeit, mit
aufnehmen. Die österreichisch-ungarische Regierung verpflichtete sich demnach in
jenem Aktenstücke, binnen drei Jahren ihr Eisenbahnnetz mit der serbischen Eisen¬
bahn bei Belgrad zu verbinden, wogegen die fürstlich serbische Regierung ver¬
sprach, die Eisenbahnlinien im Sinne des Berliner Vertrags zu verbinden und
in Verkehr zu setzen, welche vou Alexinatz nach Belgrad sowie in der Richtung
von Belowa (Sofia-Konstantinopel) gehen und an die Linie Mitrowitza-Salonik
anknüpfen. "Der Ausbau der verschiedenen Linien muß," so hieß es in der
Convention weiter, "binnen drei Jahren erfolgt sein. Beide Regierungen werden
gemeinsam dahin wirken, daß in derselben Frist der Bau und Anschluß der
bulgarischen und ottomanischen Eisenbahnen begonnen wird. Der Bau und
Betrieb der serbischen Bahnen muß den betreffenden Eisenbahnen in Oesterreich-
Ungarn und Rumelien entsprechen. Nach Abschluß des Berliner Friedens


Grenzboten I. 1830. 17
Oesterreich und Serbien.

Seit dem Juli 1878 befindet sich zwischen Oesterreich-Ungarn und dem
Fürstenthum Serbien eine Angelegenheit in der Schwebe, die in der letzten Zeit
zu einem Conflicte zu werden drohte, und deren wir, da sie sich noch immer
dazu gestalten kann, mit einigen Worten gedenken müssen. Die Presse hat ab¬
sichtlich und unabsichtlich allerlei Unrichtiges darüber gebracht, und so herrscht
über die Sache wohl in vielen Kreisen Dunkel; es ist aber gerade in den Fragen,
die den Osten und Südosten angehen, gegenwärtig von Wichtigkeit, daß wir
klar sehen, was vorgeht; denn wir sind Freunde Oesterreich-Ungarns und
können in den Fall kommen, ihm den Beistand von Verbündeten leisten zu
müssen.

Während des Berliner Congresses schlössen Graf Andrassy und der serbi¬
sche Minister Ristitsch eine Uebereinkunft ab, in welcher die Fragen eines Han¬
delsvertrags und des Baues von Eisenbahnen principiell erledigt wurden. Da
Andrassy auf dem Congresse mehrere serbische Ansprüche befürwortet hatte, zeigte
sich Ristitsch anch bei jener Convention entgegenkommend und ließ in dieselbe
sogar den Gedanken einer Zolleinigung, wenn auch nur als Möglichkeit, mit
aufnehmen. Die österreichisch-ungarische Regierung verpflichtete sich demnach in
jenem Aktenstücke, binnen drei Jahren ihr Eisenbahnnetz mit der serbischen Eisen¬
bahn bei Belgrad zu verbinden, wogegen die fürstlich serbische Regierung ver¬
sprach, die Eisenbahnlinien im Sinne des Berliner Vertrags zu verbinden und
in Verkehr zu setzen, welche vou Alexinatz nach Belgrad sowie in der Richtung
von Belowa (Sofia-Konstantinopel) gehen und an die Linie Mitrowitza-Salonik
anknüpfen. „Der Ausbau der verschiedenen Linien muß," so hieß es in der
Convention weiter, „binnen drei Jahren erfolgt sein. Beide Regierungen werden
gemeinsam dahin wirken, daß in derselben Frist der Bau und Anschluß der
bulgarischen und ottomanischen Eisenbahnen begonnen wird. Der Bau und
Betrieb der serbischen Bahnen muß den betreffenden Eisenbahnen in Oesterreich-
Ungarn und Rumelien entsprechen. Nach Abschluß des Berliner Friedens


Grenzboten I. 1830. 17
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[0137] Oesterreich und Serbien. Seit dem Juli 1878 befindet sich zwischen Oesterreich-Ungarn und dem Fürstenthum Serbien eine Angelegenheit in der Schwebe, die in der letzten Zeit zu einem Conflicte zu werden drohte, und deren wir, da sie sich noch immer dazu gestalten kann, mit einigen Worten gedenken müssen. Die Presse hat ab¬ sichtlich und unabsichtlich allerlei Unrichtiges darüber gebracht, und so herrscht über die Sache wohl in vielen Kreisen Dunkel; es ist aber gerade in den Fragen, die den Osten und Südosten angehen, gegenwärtig von Wichtigkeit, daß wir klar sehen, was vorgeht; denn wir sind Freunde Oesterreich-Ungarns und können in den Fall kommen, ihm den Beistand von Verbündeten leisten zu müssen. Während des Berliner Congresses schlössen Graf Andrassy und der serbi¬ sche Minister Ristitsch eine Uebereinkunft ab, in welcher die Fragen eines Han¬ delsvertrags und des Baues von Eisenbahnen principiell erledigt wurden. Da Andrassy auf dem Congresse mehrere serbische Ansprüche befürwortet hatte, zeigte sich Ristitsch anch bei jener Convention entgegenkommend und ließ in dieselbe sogar den Gedanken einer Zolleinigung, wenn auch nur als Möglichkeit, mit aufnehmen. Die österreichisch-ungarische Regierung verpflichtete sich demnach in jenem Aktenstücke, binnen drei Jahren ihr Eisenbahnnetz mit der serbischen Eisen¬ bahn bei Belgrad zu verbinden, wogegen die fürstlich serbische Regierung ver¬ sprach, die Eisenbahnlinien im Sinne des Berliner Vertrags zu verbinden und in Verkehr zu setzen, welche vou Alexinatz nach Belgrad sowie in der Richtung von Belowa (Sofia-Konstantinopel) gehen und an die Linie Mitrowitza-Salonik anknüpfen. „Der Ausbau der verschiedenen Linien muß," so hieß es in der Convention weiter, „binnen drei Jahren erfolgt sein. Beide Regierungen werden gemeinsam dahin wirken, daß in derselben Frist der Bau und Anschluß der bulgarischen und ottomanischen Eisenbahnen begonnen wird. Der Bau und Betrieb der serbischen Bahnen muß den betreffenden Eisenbahnen in Oesterreich- Ungarn und Rumelien entsprechen. Nach Abschluß des Berliner Friedens Grenzboten I. 1830. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/137>, abgerufen am 06.05.2024.