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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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werden sich zu Wien Vertreter Serbiens, der Türkei und Oesterreich-Ungarns
versammeln, um einen Vertrag zur Verwirklichung dieser Stipulationen zwischen
den genannten Staaten und den hierbei interessirten Gesellschaften abzuschließen.
Die Handelsbeziehungen zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien sollen so ge¬
regelt werden, daß der gegenseitige Verkehr möglichst erleichtert und die niemals
unterbrochene Pflege der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten
begünstigt wird. Mit Rücksicht auf die Interessen der Grenzdistricte wird deren
Verkehr in einem besondern Vertrage geordnet werden. Im Hinblicke hierauf
verpflichten sich Oesterreich-Ungarn und Serbien, einen den weiter unten ange¬
führten Zwecken entsprechenden Handelsvertrag abzuschließen. Beide Staaten
werden zu gleicher Zeit die Frage einer Zolleinigung in Betracht ziehen, falls
man finden sollte, daß dies im Interesse der contrahirenden Parteien läge. Wie
sich dieselben aber auch entscheiden werden, verpflichten sie sich unter allen Um¬
stünden, sobald als möglich einen Handelsvertrag abzuschließen. Zu diesem
Ende werden Abgeordnete beider Staaten vier Monate nach Unterzeichnung
dieser Convention oder, falls dies möglich, noch früher in Wien zusammentreten.
Indem sich Oesterreich-Ungarn verpflichtet, die Donauregulirung beim Eisernen
Thore und den Stromschnellen von Orsowa ohne finanzielle Beihilfe Serbiens
durchzuführen, verpflichtet sich andrerseits Serbien, alle jene Erleichterungen und
Unterstützungen zu gewähren, welche zur Ausführung dieser Arbeiten verlangt
werden sollten, namentlich wenn die Regulirung das serbische Ufer berühren
sollte. Dafür wird Serbien bei der Schifffahrt im Eisernen Thore die Rechte
der meistbegünstigten Länder und Völker genießen. Sollte es nöthig sein, so
wird diese Convention den betreffenden gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt
werden."

Man sieht hieraus, daß die Einzelheiten nicht gleich festgestellt wurden, man
sich vielmehr die Verhandlungen darüber für bestimmte Zeit vorbehielt. Aber
hierzu wollte es bisher nicht kommen. Zunächst bot der Umstand, daß die
Convention vom Juli 1878 zwei verschiedene Fragen, die des Handelsvertrags
und die der Eisenbahnen, betraf, Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten. Serbien
schien in erster Linie an den Handelsvertrag zu denken, Oesterreich-Ungarn da¬
gegen wollte zunächst die Frage der Eisenbahnen gelöst sehen. So kamen die
beiden Parteien nie zusammen. Die eine wie die andere fand eben Gründe für
das Verharren auf ihrem Standpunkte. Allein bald stellte sich doch heraus,
an wem eigentlich die Verschleppung der Sache lag. Von Wien aus erklärte
man wiederholt und bestimmt, daß man beide Fragen zu lösen beabsichtige, in
Belgrad dagegen verrieth man, wenn auch nicht mit klaren Worten, das Be¬
streben, nur ans einen Handelsvertrag einzugehen, sich aber den Verpflichtungen
in Betreff der Eisenbahnen zu entziehen. Um so energischer drang nun das


werden sich zu Wien Vertreter Serbiens, der Türkei und Oesterreich-Ungarns
versammeln, um einen Vertrag zur Verwirklichung dieser Stipulationen zwischen
den genannten Staaten und den hierbei interessirten Gesellschaften abzuschließen.
Die Handelsbeziehungen zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien sollen so ge¬
regelt werden, daß der gegenseitige Verkehr möglichst erleichtert und die niemals
unterbrochene Pflege der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten
begünstigt wird. Mit Rücksicht auf die Interessen der Grenzdistricte wird deren
Verkehr in einem besondern Vertrage geordnet werden. Im Hinblicke hierauf
verpflichten sich Oesterreich-Ungarn und Serbien, einen den weiter unten ange¬
führten Zwecken entsprechenden Handelsvertrag abzuschließen. Beide Staaten
werden zu gleicher Zeit die Frage einer Zolleinigung in Betracht ziehen, falls
man finden sollte, daß dies im Interesse der contrahirenden Parteien läge. Wie
sich dieselben aber auch entscheiden werden, verpflichten sie sich unter allen Um¬
stünden, sobald als möglich einen Handelsvertrag abzuschließen. Zu diesem
Ende werden Abgeordnete beider Staaten vier Monate nach Unterzeichnung
dieser Convention oder, falls dies möglich, noch früher in Wien zusammentreten.
Indem sich Oesterreich-Ungarn verpflichtet, die Donauregulirung beim Eisernen
Thore und den Stromschnellen von Orsowa ohne finanzielle Beihilfe Serbiens
durchzuführen, verpflichtet sich andrerseits Serbien, alle jene Erleichterungen und
Unterstützungen zu gewähren, welche zur Ausführung dieser Arbeiten verlangt
werden sollten, namentlich wenn die Regulirung das serbische Ufer berühren
sollte. Dafür wird Serbien bei der Schifffahrt im Eisernen Thore die Rechte
der meistbegünstigten Länder und Völker genießen. Sollte es nöthig sein, so
wird diese Convention den betreffenden gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt
werden."

Man sieht hieraus, daß die Einzelheiten nicht gleich festgestellt wurden, man
sich vielmehr die Verhandlungen darüber für bestimmte Zeit vorbehielt. Aber
hierzu wollte es bisher nicht kommen. Zunächst bot der Umstand, daß die
Convention vom Juli 1878 zwei verschiedene Fragen, die des Handelsvertrags
und die der Eisenbahnen, betraf, Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten. Serbien
schien in erster Linie an den Handelsvertrag zu denken, Oesterreich-Ungarn da¬
gegen wollte zunächst die Frage der Eisenbahnen gelöst sehen. So kamen die
beiden Parteien nie zusammen. Die eine wie die andere fand eben Gründe für
das Verharren auf ihrem Standpunkte. Allein bald stellte sich doch heraus,
an wem eigentlich die Verschleppung der Sache lag. Von Wien aus erklärte
man wiederholt und bestimmt, daß man beide Fragen zu lösen beabsichtige, in
Belgrad dagegen verrieth man, wenn auch nicht mit klaren Worten, das Be¬
streben, nur ans einen Handelsvertrag einzugehen, sich aber den Verpflichtungen
in Betreff der Eisenbahnen zu entziehen. Um so energischer drang nun das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/138>, abgerufen am 18.05.2024.