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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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abwendeten und den materiellen Interesse" dienstbar wurden, umsomehr bürgerte
sich auf den: durch die Häresie der Albigenser vorbereiteten Boden die scheußliche
Ketzerei der Lucifcrianer mit ihrem Jdolcultus, ihren sittenlosen Ceremonien und
ihrer praktischen Verhöhnung auch der natürlichsten Moral bei ihnen ein. So aber
wurde der Orden allmählich zu dem, als was die öffentliche Meinung ihn schon
lange vor 1311 mit richtigem Tacte bezeichnet hatte, und als was ihn der Proceß,
der in jenen: Jahre abgeschlossen wurde, erkennen läßt.




Der angebahnte Frieden zwischen Baden und Rom.

Die Hoffnung, welche der Großherzog von Baden bei der Eröffnung der
Kammern am 18. November v. I. aussprach, "daß es den auf den Frieden ge¬
richteten Bestrebungen seiner Negierung gelingen werde, auch die bis dahin noch
nicht erledigten Fragen in dem Verhältnisse der katholischen Kirche ihrer Lösung
näher zu bringen", hat sich schneller verwirklicht, als die Freunde eines Ausgleichs
gehofft und die Gegner desselben gefürchtet. Am 17. d. Ms. hat die groß-
herzogliche Regierung dem Landtage, dessen zweite Kammer sich zur Zeit mit
einer ganz unbegreiflichen Weitschweifigkeit mit den Verwaltungsvorlagen be¬
schäftigt, einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Ausgleich mit der Curie her¬
beizuführen in hohem Grade geeignet ist, und man darf von vornherein wohl
als feststehend annehmen, daß die Regierung, ehe sie den Gesetzentwurf einge¬
bracht, sich der Zustimmung der Curie vergewissert hat, so daß die von ihr ge¬
machten Vorschlüge auch von Seiten der Kirche Annahme finden werden. Der
von ausführlichen Motiven begleitete Gesetzentwurf besteht aus drei Artikeln
und hat im ersten Artikel folgenden Wortlaut:

Art. 1. Von der in Art. 1 des Gesetzes vom 19. Febr. 1374, betr. die Aenderung
einiger Bestimmungen des Gesetzes vom S. Oct. 1860, über die rechtliche Stellung der
Kirchen und kirchlichen Vereine im Staate, vorgeschriebenen besonderen Prüfung zum Nach¬
weis der allgemein wissenschaftlichen Vorbildung sind diejenigen Kandidaten befreit, welche
nach beendigtem Universitätsstudium, bez. nach der durch ein mindestens 2'/2 jähriges Uni¬
versitätsstudium erlangten wissenschaftlichen Reife zum Eintritt in die praktisch-theologischen
Kurse, eine theologische Fachprüfung im Großherzogthum abgelegt haben, sofern dieser Prü¬
fung ein staatlich ernannter Kommissär angewohnt und das Ergebniß der Prüfung der
Staatsbehörde nicht Anlaß zur Beanstandung der Kandidaten wegen Mangels hinlänglicher
allgemein wissenschaftlicher Bildung gegeben hat.

Artikel 2 enthält die Uebergangsbestimmung, daß denjenigen katholischen
Geistlichen, welche die theologische Fachprüfung bestanden haben oder schon zu
Priestern geweiht worden sind, bevor dies Gesetz in Geltung tritt, auf einge-


abwendeten und den materiellen Interesse» dienstbar wurden, umsomehr bürgerte
sich auf den: durch die Häresie der Albigenser vorbereiteten Boden die scheußliche
Ketzerei der Lucifcrianer mit ihrem Jdolcultus, ihren sittenlosen Ceremonien und
ihrer praktischen Verhöhnung auch der natürlichsten Moral bei ihnen ein. So aber
wurde der Orden allmählich zu dem, als was die öffentliche Meinung ihn schon
lange vor 1311 mit richtigem Tacte bezeichnet hatte, und als was ihn der Proceß,
der in jenen: Jahre abgeschlossen wurde, erkennen läßt.




Der angebahnte Frieden zwischen Baden und Rom.

Die Hoffnung, welche der Großherzog von Baden bei der Eröffnung der
Kammern am 18. November v. I. aussprach, „daß es den auf den Frieden ge¬
richteten Bestrebungen seiner Negierung gelingen werde, auch die bis dahin noch
nicht erledigten Fragen in dem Verhältnisse der katholischen Kirche ihrer Lösung
näher zu bringen", hat sich schneller verwirklicht, als die Freunde eines Ausgleichs
gehofft und die Gegner desselben gefürchtet. Am 17. d. Ms. hat die groß-
herzogliche Regierung dem Landtage, dessen zweite Kammer sich zur Zeit mit
einer ganz unbegreiflichen Weitschweifigkeit mit den Verwaltungsvorlagen be¬
schäftigt, einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Ausgleich mit der Curie her¬
beizuführen in hohem Grade geeignet ist, und man darf von vornherein wohl
als feststehend annehmen, daß die Regierung, ehe sie den Gesetzentwurf einge¬
bracht, sich der Zustimmung der Curie vergewissert hat, so daß die von ihr ge¬
machten Vorschlüge auch von Seiten der Kirche Annahme finden werden. Der
von ausführlichen Motiven begleitete Gesetzentwurf besteht aus drei Artikeln
und hat im ersten Artikel folgenden Wortlaut:

Art. 1. Von der in Art. 1 des Gesetzes vom 19. Febr. 1374, betr. die Aenderung
einiger Bestimmungen des Gesetzes vom S. Oct. 1860, über die rechtliche Stellung der
Kirchen und kirchlichen Vereine im Staate, vorgeschriebenen besonderen Prüfung zum Nach¬
weis der allgemein wissenschaftlichen Vorbildung sind diejenigen Kandidaten befreit, welche
nach beendigtem Universitätsstudium, bez. nach der durch ein mindestens 2'/2 jähriges Uni¬
versitätsstudium erlangten wissenschaftlichen Reife zum Eintritt in die praktisch-theologischen
Kurse, eine theologische Fachprüfung im Großherzogthum abgelegt haben, sofern dieser Prü¬
fung ein staatlich ernannter Kommissär angewohnt und das Ergebniß der Prüfung der
Staatsbehörde nicht Anlaß zur Beanstandung der Kandidaten wegen Mangels hinlänglicher
allgemein wissenschaftlicher Bildung gegeben hat.

Artikel 2 enthält die Uebergangsbestimmung, daß denjenigen katholischen
Geistlichen, welche die theologische Fachprüfung bestanden haben oder schon zu
Priestern geweiht worden sind, bevor dies Gesetz in Geltung tritt, auf einge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/178>, abgerufen am 05.05.2024.