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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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lungen gefährlicher Art werden kann. Den Rumänen hat man eine Emancipation
der in das Land eingezogenen Massen von Juden aufgenöthigt, welche die Be¬
völkerung auch jetzt noch, wo die Volksvertretung ihr die schlimmsten Spitzen
abgebrochen hat, mit Aussaugung und finanziellem Ruine bedroht. In Spanien
endlich hat es auch in diesem Jahre wieder ein paar Krisen gegeben, aus denen
neue Ministerien hervorgingen; da sie aber herkömmlich nur selbstsüchtige Be¬
strebungen, Ehrgeiz, Jagen nach einträglichen Posten zur Hauptursache hatten
und auf die Entwicklung der politischen Verhältnisse des übrigen Europas keinen
Einfluß übten, so würde ein auch nur kurzes Eingehen auf sie kein Interesse
haben.

Ueberblicken wir das Gesagte noch einmal, so sieht der politische Horizont
am Beginne des neuen Jahres im Wesentlichen klar und unbewölkt aus, und
namentlich sür Deutschland scheint eine Aera friedlichen Gedeihens heraufzu¬
ziehen. Wolle man sich dabei erinnern und bewußt bleiben, wessen Genie und
Energie wir diese guten Aussichten vor allen andern zu denken haben.




Aus der Jugendzeit der Grenzboten.
Alfred Meißner. von

"Grenzboten" -- Niemand von denen, die heute unsre grünen Blätter in
die Hand bekommen, reflectirt wohl darüber, was ihr Name bedeute. Dennoch
braucht man ihn nur anzusehen, um zu erkennen, daß er ans einer früheren
Zeit herübergenommen ist. Es ist ein Name, dem ein leichter Anachronismus
anhängt, wie wenn jemand, dem wir heute begegnen, Leberecht oder Fürchtegott
hieße. Wir leben heute in der Zeit der Eisenbahnen, die Länder und Städte
verbinden, die gewöhnliche Post regelt den normalen Verkehr, die Boten sind
ziemlich abgeschafft, am wenigsten wandern sie heutzutage noch über die Grenze.
Man sieht, es ist ein älter Name, dergleichen auch mancher Bau, manches Haus,
das sest und ehrbar unter modernen Genossen steht, zu eigen hat; nnr muß in
dieser raschlebigen Zeit schon ein Antiquar herankommen, ihn zu erklären.

Achtunddreißig Jahre, eine lange Zeit, ist's her, daß das Blatt gegründet
wurde und in die Genossenschaft der litterarisch-politischen Blätter eintrat, die
damals den Geist der Epoche repräsentirten. Es ist, so viel ich weiß, aus jenen


lungen gefährlicher Art werden kann. Den Rumänen hat man eine Emancipation
der in das Land eingezogenen Massen von Juden aufgenöthigt, welche die Be¬
völkerung auch jetzt noch, wo die Volksvertretung ihr die schlimmsten Spitzen
abgebrochen hat, mit Aussaugung und finanziellem Ruine bedroht. In Spanien
endlich hat es auch in diesem Jahre wieder ein paar Krisen gegeben, aus denen
neue Ministerien hervorgingen; da sie aber herkömmlich nur selbstsüchtige Be¬
strebungen, Ehrgeiz, Jagen nach einträglichen Posten zur Hauptursache hatten
und auf die Entwicklung der politischen Verhältnisse des übrigen Europas keinen
Einfluß übten, so würde ein auch nur kurzes Eingehen auf sie kein Interesse
haben.

Ueberblicken wir das Gesagte noch einmal, so sieht der politische Horizont
am Beginne des neuen Jahres im Wesentlichen klar und unbewölkt aus, und
namentlich sür Deutschland scheint eine Aera friedlichen Gedeihens heraufzu¬
ziehen. Wolle man sich dabei erinnern und bewußt bleiben, wessen Genie und
Energie wir diese guten Aussichten vor allen andern zu denken haben.




Aus der Jugendzeit der Grenzboten.
Alfred Meißner. von

„Grenzboten" — Niemand von denen, die heute unsre grünen Blätter in
die Hand bekommen, reflectirt wohl darüber, was ihr Name bedeute. Dennoch
braucht man ihn nur anzusehen, um zu erkennen, daß er ans einer früheren
Zeit herübergenommen ist. Es ist ein Name, dem ein leichter Anachronismus
anhängt, wie wenn jemand, dem wir heute begegnen, Leberecht oder Fürchtegott
hieße. Wir leben heute in der Zeit der Eisenbahnen, die Länder und Städte
verbinden, die gewöhnliche Post regelt den normalen Verkehr, die Boten sind
ziemlich abgeschafft, am wenigsten wandern sie heutzutage noch über die Grenze.
Man sieht, es ist ein älter Name, dergleichen auch mancher Bau, manches Haus,
das sest und ehrbar unter modernen Genossen steht, zu eigen hat; nnr muß in
dieser raschlebigen Zeit schon ein Antiquar herankommen, ihn zu erklären.

Achtunddreißig Jahre, eine lange Zeit, ist's her, daß das Blatt gegründet
wurde und in die Genossenschaft der litterarisch-politischen Blätter eintrat, die
damals den Geist der Epoche repräsentirten. Es ist, so viel ich weiß, aus jenen


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[0018] lungen gefährlicher Art werden kann. Den Rumänen hat man eine Emancipation der in das Land eingezogenen Massen von Juden aufgenöthigt, welche die Be¬ völkerung auch jetzt noch, wo die Volksvertretung ihr die schlimmsten Spitzen abgebrochen hat, mit Aussaugung und finanziellem Ruine bedroht. In Spanien endlich hat es auch in diesem Jahre wieder ein paar Krisen gegeben, aus denen neue Ministerien hervorgingen; da sie aber herkömmlich nur selbstsüchtige Be¬ strebungen, Ehrgeiz, Jagen nach einträglichen Posten zur Hauptursache hatten und auf die Entwicklung der politischen Verhältnisse des übrigen Europas keinen Einfluß übten, so würde ein auch nur kurzes Eingehen auf sie kein Interesse haben. Ueberblicken wir das Gesagte noch einmal, so sieht der politische Horizont am Beginne des neuen Jahres im Wesentlichen klar und unbewölkt aus, und namentlich sür Deutschland scheint eine Aera friedlichen Gedeihens heraufzu¬ ziehen. Wolle man sich dabei erinnern und bewußt bleiben, wessen Genie und Energie wir diese guten Aussichten vor allen andern zu denken haben. Aus der Jugendzeit der Grenzboten. Alfred Meißner. von „Grenzboten" — Niemand von denen, die heute unsre grünen Blätter in die Hand bekommen, reflectirt wohl darüber, was ihr Name bedeute. Dennoch braucht man ihn nur anzusehen, um zu erkennen, daß er ans einer früheren Zeit herübergenommen ist. Es ist ein Name, dem ein leichter Anachronismus anhängt, wie wenn jemand, dem wir heute begegnen, Leberecht oder Fürchtegott hieße. Wir leben heute in der Zeit der Eisenbahnen, die Länder und Städte verbinden, die gewöhnliche Post regelt den normalen Verkehr, die Boten sind ziemlich abgeschafft, am wenigsten wandern sie heutzutage noch über die Grenze. Man sieht, es ist ein älter Name, dergleichen auch mancher Bau, manches Haus, das sest und ehrbar unter modernen Genossen steht, zu eigen hat; nnr muß in dieser raschlebigen Zeit schon ein Antiquar herankommen, ihn zu erklären. Achtunddreißig Jahre, eine lange Zeit, ist's her, daß das Blatt gegründet wurde und in die Genossenschaft der litterarisch-politischen Blätter eintrat, die damals den Geist der Epoche repräsentirten. Es ist, so viel ich weiß, aus jenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/18>, abgerufen am 06.05.2024.