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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Mit dem Beginn des Jahres 1837 trat die neue Form der Verwaltung
ins Leben: die redigirenden Secretäre Braun und Lepsius neben dem General-
secretär Bunsen -- zwei Consuln uuter einem Dictator, wie scherzend gesagt
ward. Die erste Sorge mußte sein, die Publikationen wieder in Ordnung zu
bringen. Die Annalen sür 1835 waren unter Panofka's unermüdlicher Redaction
in Berlin erschienen. Die erste Lieferung des Jahrganges 1836 erschien in
Rom im Februar 1837, und in kurzen Fristen folgten die andern, die werth¬
volle Aufsätze von L. Roß, Bunsen, Carina, Seechi, Lepsius enthielten; der letztere
inaugurirte hier glänzend seine ägyptologischen Forschungen mit der großen
Arbeit über das hieroglyphische Alphabet.

Aber schon bedrohten neue Wolken das Institut. Die Cholera wüthete in
Rom und raffte Tausende hin, unter ihnen Kellermann. Die Thätigkeit Aller
wurde gelähmt, der Geschäftsverkehr stockte, und die Finanznoth brachte das
Institut der Insolvenz nahe. Dazu kam die Abberufung Bunsens von Rom
am 1. April 1838, die durch den Conflict der preußischen Regierung mit dem
Erzbischof voll Cöln nothwendig wurde. "Herz und Seele werden nimmer vom
Institut scheiden", schrieb er an Lepsius und Braun, als er schweren Herzens
von dem Capitol, das er einundzwanzig Jahre bewohnt, Abschied nahm; und
mit Recht sagte Ainpdre von ihm: "er sei der Vertreter nicht nnr der preußischen
Regierung beim päpstlichen Stuhl, sondern auch der deutschen Wissenschaft beim
römischen Alterthum gewesen". Die jetzt plötzlich gegen das unter preußischen:
Schutz stehende Institut sich erhebende Abneigung seitens der klerikalen Hei߬
sporne, namentlich des Cardinal-Staatssecretärs Lambruschini -- der in einer
Note sich beschwerte, daß in Rom "auch ein sogenanntes archäologisches Institut
sich zu bilden gewagt habe", ohne die päpstliche Genehmigung einzuholen --
hatte keinerlei nachtheilige Folgen, da nach einem Hinweis aus die notorische
stillschweigende Genehmigung und Begünstigung durch Pius VIII. der Cardinal
selbst die angebotene nachträgliche Einholung der Concession für unnöthig erkläre"
mußte. Dennoch war es nicht ohne Werth, daß gerade in dieser Zeit ein Besuch
des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland das Prestige des Instituts erhöhte.
Am 8. Januar 1839 nahm derselbe all einer festlichen Sitzung ans dem Capitol
Antheil. Der enge und steile Zugang zum Tarpejischen Felsen wurde von den
päpstlichen Behörden selber, so gut es ging, in Stand gesetzt, und der seit kurzem
mit dem Purpur geschmückte Angelo Mai versagte es sich nicht, der Sitzung
beizuwohnen.

Der am 17. November 1839 erfolgende Tod des Herzogs von Blacas,
dnrch den das Institut seinen Präsidenten verlor, legte den Wunsch nahe, zum
Nachfolger in der Ehrenstellung eine Persönlichkeit zu gewinnen, welche in jedem
Falle einen wirksamen Schutz und Rückhalt gewähren könne; denn schon hieß


I

Mit dem Beginn des Jahres 1837 trat die neue Form der Verwaltung
ins Leben: die redigirenden Secretäre Braun und Lepsius neben dem General-
secretär Bunsen — zwei Consuln uuter einem Dictator, wie scherzend gesagt
ward. Die erste Sorge mußte sein, die Publikationen wieder in Ordnung zu
bringen. Die Annalen sür 1835 waren unter Panofka's unermüdlicher Redaction
in Berlin erschienen. Die erste Lieferung des Jahrganges 1836 erschien in
Rom im Februar 1837, und in kurzen Fristen folgten die andern, die werth¬
volle Aufsätze von L. Roß, Bunsen, Carina, Seechi, Lepsius enthielten; der letztere
inaugurirte hier glänzend seine ägyptologischen Forschungen mit der großen
Arbeit über das hieroglyphische Alphabet.

Aber schon bedrohten neue Wolken das Institut. Die Cholera wüthete in
Rom und raffte Tausende hin, unter ihnen Kellermann. Die Thätigkeit Aller
wurde gelähmt, der Geschäftsverkehr stockte, und die Finanznoth brachte das
Institut der Insolvenz nahe. Dazu kam die Abberufung Bunsens von Rom
am 1. April 1838, die durch den Conflict der preußischen Regierung mit dem
Erzbischof voll Cöln nothwendig wurde. „Herz und Seele werden nimmer vom
Institut scheiden", schrieb er an Lepsius und Braun, als er schweren Herzens
von dem Capitol, das er einundzwanzig Jahre bewohnt, Abschied nahm; und
mit Recht sagte Ainpdre von ihm: „er sei der Vertreter nicht nnr der preußischen
Regierung beim päpstlichen Stuhl, sondern auch der deutschen Wissenschaft beim
römischen Alterthum gewesen". Die jetzt plötzlich gegen das unter preußischen:
Schutz stehende Institut sich erhebende Abneigung seitens der klerikalen Hei߬
sporne, namentlich des Cardinal-Staatssecretärs Lambruschini — der in einer
Note sich beschwerte, daß in Rom „auch ein sogenanntes archäologisches Institut
sich zu bilden gewagt habe", ohne die päpstliche Genehmigung einzuholen —
hatte keinerlei nachtheilige Folgen, da nach einem Hinweis aus die notorische
stillschweigende Genehmigung und Begünstigung durch Pius VIII. der Cardinal
selbst die angebotene nachträgliche Einholung der Concession für unnöthig erkläre»
mußte. Dennoch war es nicht ohne Werth, daß gerade in dieser Zeit ein Besuch
des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland das Prestige des Instituts erhöhte.
Am 8. Januar 1839 nahm derselbe all einer festlichen Sitzung ans dem Capitol
Antheil. Der enge und steile Zugang zum Tarpejischen Felsen wurde von den
päpstlichen Behörden selber, so gut es ging, in Stand gesetzt, und der seit kurzem
mit dem Purpur geschmückte Angelo Mai versagte es sich nicht, der Sitzung
beizuwohnen.

Der am 17. November 1839 erfolgende Tod des Herzogs von Blacas,
dnrch den das Institut seinen Präsidenten verlor, legte den Wunsch nahe, zum
Nachfolger in der Ehrenstellung eine Persönlichkeit zu gewinnen, welche in jedem
Falle einen wirksamen Schutz und Rückhalt gewähren könne; denn schon hieß


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[0430] Mit dem Beginn des Jahres 1837 trat die neue Form der Verwaltung ins Leben: die redigirenden Secretäre Braun und Lepsius neben dem General- secretär Bunsen — zwei Consuln uuter einem Dictator, wie scherzend gesagt ward. Die erste Sorge mußte sein, die Publikationen wieder in Ordnung zu bringen. Die Annalen sür 1835 waren unter Panofka's unermüdlicher Redaction in Berlin erschienen. Die erste Lieferung des Jahrganges 1836 erschien in Rom im Februar 1837, und in kurzen Fristen folgten die andern, die werth¬ volle Aufsätze von L. Roß, Bunsen, Carina, Seechi, Lepsius enthielten; der letztere inaugurirte hier glänzend seine ägyptologischen Forschungen mit der großen Arbeit über das hieroglyphische Alphabet. Aber schon bedrohten neue Wolken das Institut. Die Cholera wüthete in Rom und raffte Tausende hin, unter ihnen Kellermann. Die Thätigkeit Aller wurde gelähmt, der Geschäftsverkehr stockte, und die Finanznoth brachte das Institut der Insolvenz nahe. Dazu kam die Abberufung Bunsens von Rom am 1. April 1838, die durch den Conflict der preußischen Regierung mit dem Erzbischof voll Cöln nothwendig wurde. „Herz und Seele werden nimmer vom Institut scheiden", schrieb er an Lepsius und Braun, als er schweren Herzens von dem Capitol, das er einundzwanzig Jahre bewohnt, Abschied nahm; und mit Recht sagte Ainpdre von ihm: „er sei der Vertreter nicht nnr der preußischen Regierung beim päpstlichen Stuhl, sondern auch der deutschen Wissenschaft beim römischen Alterthum gewesen". Die jetzt plötzlich gegen das unter preußischen: Schutz stehende Institut sich erhebende Abneigung seitens der klerikalen Hei߬ sporne, namentlich des Cardinal-Staatssecretärs Lambruschini — der in einer Note sich beschwerte, daß in Rom „auch ein sogenanntes archäologisches Institut sich zu bilden gewagt habe", ohne die päpstliche Genehmigung einzuholen — hatte keinerlei nachtheilige Folgen, da nach einem Hinweis aus die notorische stillschweigende Genehmigung und Begünstigung durch Pius VIII. der Cardinal selbst die angebotene nachträgliche Einholung der Concession für unnöthig erkläre» mußte. Dennoch war es nicht ohne Werth, daß gerade in dieser Zeit ein Besuch des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland das Prestige des Instituts erhöhte. Am 8. Januar 1839 nahm derselbe all einer festlichen Sitzung ans dem Capitol Antheil. Der enge und steile Zugang zum Tarpejischen Felsen wurde von den päpstlichen Behörden selber, so gut es ging, in Stand gesetzt, und der seit kurzem mit dem Purpur geschmückte Angelo Mai versagte es sich nicht, der Sitzung beizuwohnen. Der am 17. November 1839 erfolgende Tod des Herzogs von Blacas, dnrch den das Institut seinen Präsidenten verlor, legte den Wunsch nahe, zum Nachfolger in der Ehrenstellung eine Persönlichkeit zu gewinnen, welche in jedem Falle einen wirksamen Schutz und Rückhalt gewähren könne; denn schon hieß I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/430>, abgerufen am 06.05.2024.