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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Sprößlinge westgothischer oder fränkischer Väter, also Germanen. Die Araber
scheinen ungeachtet eines hundertjährigen Besitzes nur wenige Spuren hinter¬
lassen zu haben, wenn nicht etwa die einzelnen Broueegesichter und Namen, die
mit Ben anfangen, davon Zeugniß geben. Während also die Bauern vielleicht
noch alte Ureinwohner, Ligurier und Alvbroger, sind, stammen die Städter
gewiß theilweise von griechischen und römischen Colonisten; die mittelalterlichen
Dynasteugeschlechter mögen wohl meist gothisches und fränkisches Blut in ihren
Adern gehabt, die Araber aber ihre kurze Herrschaft fast^ mit vollständiger Aus¬
rottung gebüßt haben. Eines aber hat diese glückliche Völkermischuug hervor¬
gebracht -- die Troubadours; von ihnen ging die Poesie aus, die das ganze
gebildete Europa durchzog und der ersten Renaissance die Wege chüele. Gold-
beglänztes Zanberland! Magst du auch jetzt im Niedergange begriffen sein,
dieser Ruhm wird ewig, gleich einer Aureole, dich umschweben -- das erste
Lied des Troubadour und der erste Freiheitsruf des Albigensers.




Literatur.
Spanien. Von Edmondo de Ami eis. Autorisirte Uebersetzung aus dem
Italienischen. Stuttgart, Metzler, 1880.

Der Verfasser dieses Buches, einer der beliebtesten Schriftsteller des jetzigen
Italiens, hat eine Reihe von Reisebeschreibungen herausgegeben, die in seiner Heimat
mit außerordentlichem Beifall aufgenommen worden sind. Als das vorzüglichste
Werk wird 1^ Lp^na betrachtet, welches uns in einer durchaus gelungenen Ueber¬
setzung hier vorliegt.

De Amicis besuchte zu der Zeit, als sein königlicher Landsmann Amadeo auf
dem Throne Philipps II. saß, die wichtigsten Städte Spaniens. Vorzugsweise sind
es denn auch Städtebilder, welche er bietet, aber sie genügen, um dein Leser einen
deutlichen Begriff von den Eigenthümlichkeiten des Landes und seiner einzelnen
Provinzen zu geben. Der Schriftsteller geht dabei nicht in erster Linie von dem
Gedanken aus, zu belehren, er will kein wissenschaftliches Buch über das Land, das
er bereist, schreiben. Er verschont uns mit langen historischen Ergüssen, er trifft
im Eisenbahnwagen keinen gelehrten Reisenden, der ihm Vorträge über die politischen,
militärischen und finanziellen Verhältnisse des Landes hält.' Auch Galerien und
hervorragende Bauwerke geben weniger Gelegenheit zu kunstgeschichtlichen und kriti¬
schen Betrachtungen als bei anderen Reiseschriftstellern, Nicht als ob diese Auf¬
gaben der Reisebeschreibung außer Acht gelassen wären, denn in geradezu meister¬
hafter Weise versteht es der Verfasser, wenn es nöthig erscheint, die Geschichte
früherer Zeiten in seine Schilderungen zu verweben und die alten Paläste mit ihren
ehemaligen Bewohnern zu bevölkern. Der Besuch der Madrider Galerie veranlaßt


Sprößlinge westgothischer oder fränkischer Väter, also Germanen. Die Araber
scheinen ungeachtet eines hundertjährigen Besitzes nur wenige Spuren hinter¬
lassen zu haben, wenn nicht etwa die einzelnen Broueegesichter und Namen, die
mit Ben anfangen, davon Zeugniß geben. Während also die Bauern vielleicht
noch alte Ureinwohner, Ligurier und Alvbroger, sind, stammen die Städter
gewiß theilweise von griechischen und römischen Colonisten; die mittelalterlichen
Dynasteugeschlechter mögen wohl meist gothisches und fränkisches Blut in ihren
Adern gehabt, die Araber aber ihre kurze Herrschaft fast^ mit vollständiger Aus¬
rottung gebüßt haben. Eines aber hat diese glückliche Völkermischuug hervor¬
gebracht — die Troubadours; von ihnen ging die Poesie aus, die das ganze
gebildete Europa durchzog und der ersten Renaissance die Wege chüele. Gold-
beglänztes Zanberland! Magst du auch jetzt im Niedergange begriffen sein,
dieser Ruhm wird ewig, gleich einer Aureole, dich umschweben — das erste
Lied des Troubadour und der erste Freiheitsruf des Albigensers.




Literatur.
Spanien. Von Edmondo de Ami eis. Autorisirte Uebersetzung aus dem
Italienischen. Stuttgart, Metzler, 1880.

Der Verfasser dieses Buches, einer der beliebtesten Schriftsteller des jetzigen
Italiens, hat eine Reihe von Reisebeschreibungen herausgegeben, die in seiner Heimat
mit außerordentlichem Beifall aufgenommen worden sind. Als das vorzüglichste
Werk wird 1^ Lp^na betrachtet, welches uns in einer durchaus gelungenen Ueber¬
setzung hier vorliegt.

De Amicis besuchte zu der Zeit, als sein königlicher Landsmann Amadeo auf
dem Throne Philipps II. saß, die wichtigsten Städte Spaniens. Vorzugsweise sind
es denn auch Städtebilder, welche er bietet, aber sie genügen, um dein Leser einen
deutlichen Begriff von den Eigenthümlichkeiten des Landes und seiner einzelnen
Provinzen zu geben. Der Schriftsteller geht dabei nicht in erster Linie von dem
Gedanken aus, zu belehren, er will kein wissenschaftliches Buch über das Land, das
er bereist, schreiben. Er verschont uns mit langen historischen Ergüssen, er trifft
im Eisenbahnwagen keinen gelehrten Reisenden, der ihm Vorträge über die politischen,
militärischen und finanziellen Verhältnisse des Landes hält.' Auch Galerien und
hervorragende Bauwerke geben weniger Gelegenheit zu kunstgeschichtlichen und kriti¬
schen Betrachtungen als bei anderen Reiseschriftstellern, Nicht als ob diese Auf¬
gaben der Reisebeschreibung außer Acht gelassen wären, denn in geradezu meister¬
hafter Weise versteht es der Verfasser, wenn es nöthig erscheint, die Geschichte
früherer Zeiten in seine Schilderungen zu verweben und die alten Paläste mit ihren
ehemaligen Bewohnern zu bevölkern. Der Besuch der Madrider Galerie veranlaßt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/573>, abgerufen am 06.05.2024.