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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Die Präsidentschaftskandidaten in der
Nordamerikanischen Union.

Noch nie ist es geschehen, daß eine zur Ernennung von Präsidentschafts-
Candidaten zusammenberufene Nationalconvention der republikanischen Partei
in den Vereinigten Staaten ein Mitglied aus ihrem eigenen Schoße für das
Amt des Präsidenten ernannt hätte. General James Abraham Garfield
ist nicht allein der erste Delegat, welcher auf diese Weise die Nomination für
das höchste Amt der Nordamerikanischen Union erhielt, sondern er verdankt die¬
selbe in erster Linie gerade dem Umstände, daß er Delegat und Mitglied der
Convention war. Nur in dieser Stellung konnte er sich das Vertrauen und
die Zuneigung der zahlreich besuchten Versammlung und der nach Tausenden
zählenden Zuhörer und Zuschauer so wirksam und so schnell erwerben. Vom
ersten Augenblick an, wo Garfield als Redner in die etwas leidenschaftlichen
Debatten der am 2. Juni d. I. zu Chicago zusammengetretenen Nationalcon¬
vention der republikanischen Partei beruhigend und besänftigend eingriff, lenkte
er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich und wurde der Liebling Aller, die
sechs Tage hindurch sich in den weiten Räumen des Conventions-Gebäudes ein¬
fanden. Aehnlich wie Conkling, nur noch in höherem Maße, wurde er, so oft
er die Halle betrat, so oft er sich von seinem Sitze erhob, um seine Meinung
auszusprechen, mit donnerndem Applaus und enthusiastischem Beifall begrüßt.
Diese ungesuchte, freiwillig ihm dargebrachte Liebe des Conventions-Publikums
stieg mit jedem Sitzungstage. Und als er in der Nacht vom 4. aus den 5. Juni
dem Programm gemäß in einer längeren Rede den Finanzminister John Sher-
man eindringlich für das Präsidentenamt empfahl und bei dieser Gelegenheit
die Frage stellte: "Was für einen Mann brauchen wir?", da antwortete ihm
der hundertfache Ruf: "Garfield! Garfield!" Wahrlich, das Glück, der unbe¬
rechenbare Zufall spielt im Leben der einzelnen Individuen, wie in dem ganzer
Nationen nur zu oft eine entscheidende Rolle. Diejenigen amerikanischen Poli-


Grenzboten III. 1LS0. 22
Die Präsidentschaftskandidaten in der
Nordamerikanischen Union.

Noch nie ist es geschehen, daß eine zur Ernennung von Präsidentschafts-
Candidaten zusammenberufene Nationalconvention der republikanischen Partei
in den Vereinigten Staaten ein Mitglied aus ihrem eigenen Schoße für das
Amt des Präsidenten ernannt hätte. General James Abraham Garfield
ist nicht allein der erste Delegat, welcher auf diese Weise die Nomination für
das höchste Amt der Nordamerikanischen Union erhielt, sondern er verdankt die¬
selbe in erster Linie gerade dem Umstände, daß er Delegat und Mitglied der
Convention war. Nur in dieser Stellung konnte er sich das Vertrauen und
die Zuneigung der zahlreich besuchten Versammlung und der nach Tausenden
zählenden Zuhörer und Zuschauer so wirksam und so schnell erwerben. Vom
ersten Augenblick an, wo Garfield als Redner in die etwas leidenschaftlichen
Debatten der am 2. Juni d. I. zu Chicago zusammengetretenen Nationalcon¬
vention der republikanischen Partei beruhigend und besänftigend eingriff, lenkte
er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich und wurde der Liebling Aller, die
sechs Tage hindurch sich in den weiten Räumen des Conventions-Gebäudes ein¬
fanden. Aehnlich wie Conkling, nur noch in höherem Maße, wurde er, so oft
er die Halle betrat, so oft er sich von seinem Sitze erhob, um seine Meinung
auszusprechen, mit donnerndem Applaus und enthusiastischem Beifall begrüßt.
Diese ungesuchte, freiwillig ihm dargebrachte Liebe des Conventions-Publikums
stieg mit jedem Sitzungstage. Und als er in der Nacht vom 4. aus den 5. Juni
dem Programm gemäß in einer längeren Rede den Finanzminister John Sher-
man eindringlich für das Präsidentenamt empfahl und bei dieser Gelegenheit
die Frage stellte: „Was für einen Mann brauchen wir?", da antwortete ihm
der hundertfache Ruf: „Garfield! Garfield!" Wahrlich, das Glück, der unbe¬
rechenbare Zufall spielt im Leben der einzelnen Individuen, wie in dem ganzer
Nationen nur zu oft eine entscheidende Rolle. Diejenigen amerikanischen Poli-


Grenzboten III. 1LS0. 22
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[0170] Die Präsidentschaftskandidaten in der Nordamerikanischen Union. Noch nie ist es geschehen, daß eine zur Ernennung von Präsidentschafts- Candidaten zusammenberufene Nationalconvention der republikanischen Partei in den Vereinigten Staaten ein Mitglied aus ihrem eigenen Schoße für das Amt des Präsidenten ernannt hätte. General James Abraham Garfield ist nicht allein der erste Delegat, welcher auf diese Weise die Nomination für das höchste Amt der Nordamerikanischen Union erhielt, sondern er verdankt die¬ selbe in erster Linie gerade dem Umstände, daß er Delegat und Mitglied der Convention war. Nur in dieser Stellung konnte er sich das Vertrauen und die Zuneigung der zahlreich besuchten Versammlung und der nach Tausenden zählenden Zuhörer und Zuschauer so wirksam und so schnell erwerben. Vom ersten Augenblick an, wo Garfield als Redner in die etwas leidenschaftlichen Debatten der am 2. Juni d. I. zu Chicago zusammengetretenen Nationalcon¬ vention der republikanischen Partei beruhigend und besänftigend eingriff, lenkte er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich und wurde der Liebling Aller, die sechs Tage hindurch sich in den weiten Räumen des Conventions-Gebäudes ein¬ fanden. Aehnlich wie Conkling, nur noch in höherem Maße, wurde er, so oft er die Halle betrat, so oft er sich von seinem Sitze erhob, um seine Meinung auszusprechen, mit donnerndem Applaus und enthusiastischem Beifall begrüßt. Diese ungesuchte, freiwillig ihm dargebrachte Liebe des Conventions-Publikums stieg mit jedem Sitzungstage. Und als er in der Nacht vom 4. aus den 5. Juni dem Programm gemäß in einer längeren Rede den Finanzminister John Sher- man eindringlich für das Präsidentenamt empfahl und bei dieser Gelegenheit die Frage stellte: „Was für einen Mann brauchen wir?", da antwortete ihm der hundertfache Ruf: „Garfield! Garfield!" Wahrlich, das Glück, der unbe¬ rechenbare Zufall spielt im Leben der einzelnen Individuen, wie in dem ganzer Nationen nur zu oft eine entscheidende Rolle. Diejenigen amerikanischen Poli- Grenzboten III. 1LS0. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/170>, abgerufen am 30.04.2024.