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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Aus den letzten Jahrzehnten der österreichischen
Herrschaft in Schlesien.

Die Ncichwehm des dreißigjährigen Krieges hat Schlesien lange und tief
empfunden. Nicht nnr die Einwohnerzahl, fondern anch "der Muth zur Wah¬
rung alter Freiheiten" war bedenklich gesunken, und die oberste Regierung ließ
es nicht daran fehlen, für die Erhaltung dieses gedrückten Zustandes Sorge zu
tragen. Besonders waren ihre Maßregeln zur Verbreitung der katholischen
Religion dazu angethan, den Frieden von den Fluren Schlesiens noch lange
fernzuhalten.

Die Zahl der Katholiken Schlesiens in der Mitte des 17. Jahrhunderts
war eine sehr geringe, und es galt alle Rücksichten bei Seite zu setzen, um den
Plan Ferdinands III., "die Alleinherrschaft der römisch-katholischen Kirche mit
Beseitigung jedes Widerstrebens von neuem wiederherzustellen," praktisch durch¬
zuführen. Die Reformations - oder Neductions - Commissionen arbeiteten im
Geiste ihres Herrn. Mit Gewalt wurden die evangelischen Prediger entfernt,
mit Gewalt den evangelischen Gemeinden katholische Priester aufgedrängt und
aufgezwungen. Klagen und Verwünschungen begrüßten aller Orten die Rück¬
kehr zum Katholicismus.

Auch von Leopold wurden die Berufungen auf den Prager Receß, daß
"nicht bloß die fürstlichen Gnaden, sondern auch die Landschaften, Räthe, Diener,
Beamte und Unterthanen in Religions- und Profansachen ruhiglich gehalten
und gelassen" werden sollten, nicht beachtet, da, wie Wuttke (Die Oeffentlichen
Verhältnisse Schlesiens vornehmlich unter den Habsburger") bemerkt, dieser
Raub zu des Landesherrn Herzeusberuhiguug geschah; er hatte 1683, als die
Türken seiue Hauptstadt belagerten, durch das Gelübde, die Ketzer auszurotten,
den Himmel auf seine Seite bringen wollen.

Dadurch, daß man die durch Krcmkheits- oder Todesfälle nicht verwalteten
evangelischen Predigerstelleu unbesetzt ließ, sie nach und nach mit katholischen
Priestern besetzte und in den Schulen ähnlich verfuhr, suchte man das Volk zur


Grenzboten III, 1830. 27
Aus den letzten Jahrzehnten der österreichischen
Herrschaft in Schlesien.

Die Ncichwehm des dreißigjährigen Krieges hat Schlesien lange und tief
empfunden. Nicht nnr die Einwohnerzahl, fondern anch „der Muth zur Wah¬
rung alter Freiheiten" war bedenklich gesunken, und die oberste Regierung ließ
es nicht daran fehlen, für die Erhaltung dieses gedrückten Zustandes Sorge zu
tragen. Besonders waren ihre Maßregeln zur Verbreitung der katholischen
Religion dazu angethan, den Frieden von den Fluren Schlesiens noch lange
fernzuhalten.

Die Zahl der Katholiken Schlesiens in der Mitte des 17. Jahrhunderts
war eine sehr geringe, und es galt alle Rücksichten bei Seite zu setzen, um den
Plan Ferdinands III., „die Alleinherrschaft der römisch-katholischen Kirche mit
Beseitigung jedes Widerstrebens von neuem wiederherzustellen," praktisch durch¬
zuführen. Die Reformations - oder Neductions - Commissionen arbeiteten im
Geiste ihres Herrn. Mit Gewalt wurden die evangelischen Prediger entfernt,
mit Gewalt den evangelischen Gemeinden katholische Priester aufgedrängt und
aufgezwungen. Klagen und Verwünschungen begrüßten aller Orten die Rück¬
kehr zum Katholicismus.

Auch von Leopold wurden die Berufungen auf den Prager Receß, daß
„nicht bloß die fürstlichen Gnaden, sondern auch die Landschaften, Räthe, Diener,
Beamte und Unterthanen in Religions- und Profansachen ruhiglich gehalten
und gelassen" werden sollten, nicht beachtet, da, wie Wuttke (Die Oeffentlichen
Verhältnisse Schlesiens vornehmlich unter den Habsburger») bemerkt, dieser
Raub zu des Landesherrn Herzeusberuhiguug geschah; er hatte 1683, als die
Türken seiue Hauptstadt belagerten, durch das Gelübde, die Ketzer auszurotten,
den Himmel auf seine Seite bringen wollen.

Dadurch, daß man die durch Krcmkheits- oder Todesfälle nicht verwalteten
evangelischen Predigerstelleu unbesetzt ließ, sie nach und nach mit katholischen
Priestern besetzte und in den Schulen ähnlich verfuhr, suchte man das Volk zur


Grenzboten III, 1830. 27
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[0210] Aus den letzten Jahrzehnten der österreichischen Herrschaft in Schlesien. Die Ncichwehm des dreißigjährigen Krieges hat Schlesien lange und tief empfunden. Nicht nnr die Einwohnerzahl, fondern anch „der Muth zur Wah¬ rung alter Freiheiten" war bedenklich gesunken, und die oberste Regierung ließ es nicht daran fehlen, für die Erhaltung dieses gedrückten Zustandes Sorge zu tragen. Besonders waren ihre Maßregeln zur Verbreitung der katholischen Religion dazu angethan, den Frieden von den Fluren Schlesiens noch lange fernzuhalten. Die Zahl der Katholiken Schlesiens in der Mitte des 17. Jahrhunderts war eine sehr geringe, und es galt alle Rücksichten bei Seite zu setzen, um den Plan Ferdinands III., „die Alleinherrschaft der römisch-katholischen Kirche mit Beseitigung jedes Widerstrebens von neuem wiederherzustellen," praktisch durch¬ zuführen. Die Reformations - oder Neductions - Commissionen arbeiteten im Geiste ihres Herrn. Mit Gewalt wurden die evangelischen Prediger entfernt, mit Gewalt den evangelischen Gemeinden katholische Priester aufgedrängt und aufgezwungen. Klagen und Verwünschungen begrüßten aller Orten die Rück¬ kehr zum Katholicismus. Auch von Leopold wurden die Berufungen auf den Prager Receß, daß „nicht bloß die fürstlichen Gnaden, sondern auch die Landschaften, Räthe, Diener, Beamte und Unterthanen in Religions- und Profansachen ruhiglich gehalten und gelassen" werden sollten, nicht beachtet, da, wie Wuttke (Die Oeffentlichen Verhältnisse Schlesiens vornehmlich unter den Habsburger») bemerkt, dieser Raub zu des Landesherrn Herzeusberuhiguug geschah; er hatte 1683, als die Türken seiue Hauptstadt belagerten, durch das Gelübde, die Ketzer auszurotten, den Himmel auf seine Seite bringen wollen. Dadurch, daß man die durch Krcmkheits- oder Todesfälle nicht verwalteten evangelischen Predigerstelleu unbesetzt ließ, sie nach und nach mit katholischen Priestern besetzte und in den Schulen ähnlich verfuhr, suchte man das Volk zur Grenzboten III, 1830. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/210>, abgerufen am 30.04.2024.