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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Theilnahme an den katholischen Religionsübungen zu nöthigen und allmählich
an dieselben zu gewöhnen. Die größte Aufmerksamkeit ließ man jedoch der noch
der Erziehung bedürftigen Jugend und den elternlosen Kindern angedeihen, und
nichts wurde verabsäumt, durch genaue Vorschriften, die für diesen Zweck er¬
lassen wurden, möglichst viele von diesen jungen Seelen der katholischen Kirche
zuzuführen. Insbesondere wurde darauf geachtet, daß Kinder nicht außer Landes
gebracht wurden. Starb ein Vater, ehe seine Kinder großjährig waren, so sollten,
nach einer Verfügung vom 25. April 1690 womöglich katholische Vormünder
genommen werden, auch wenn der Verstorbene ausdrücklich evangelische Vor¬
münder gewählt hatte. Waisen, welche an ketzerische Oerter gebracht worden
waren, sollten bei Verlust ihrer Erbschaft zurückgebracht werden. Nach einer
Verfügung von 1683 wurde unter Androhung einer bestimmten Strafe und
Einziehung der Güter verboten, Kinder oder Waisen aus Schlesien in ein an¬
grenzendes Land zur Erziehung und Unterweisung zu schicken. In Bezug auf
adliche Pupillen wurde am 25. April 1690 dem Oberamte eine geheime In-
struction ertheilt, wie die Landeshauptleute es halten sollten, um sie zum katho¬
lischen Glauben zu bewegen; doch wurde anempfohlen, in solchen Sachen Äncz
stroxitu ot vioIsMg, zu verfahren.

Wie Leopold, so suchte auch Karl VI. sich den Schein religiöser Duldung
zu geben, indem er vor der Welt heuchlerisch erklärte, es werde Niemandem
die Religionsfreiheit beschränkt, in geheimen Geschäftsinstruetionen jedoch (1719
und 1732) seine Beamten anwies, nach Möglichkeit zu katholisiren und selbst
den bloßen Erwerb seiner protestantischen Unterthanen zu verkümmern. Schlie߬
lich scheute man auch öffentliches Aufsehen nicht, wenn es galt, adliche Pupillen
der katholischen Kirche zu sichern. Zur Illustration dieses Vorgehens diene
folgende Geschichte, welche in Büschings "Beiträgen zur Lebensgeschichte denkwür¬
diger Personen" (Halle, 1783) mitgetheilt ist, und zu welcher der Verfasser
dieses Aufsatzes durch mehrere, ihm durch die Freundlichkeit des Herrn Archiv¬
rath Dr. Grünhagen zugänglich gemachte Actenstücke einige Berichtigungen und
Ergänzungen zu geben in der Lage ist.

Zu Steinau im Fürstenthum Oppeln lebte zu Anfange des vorigen Jahr¬
hunderts als Grundherrin Helena Maria Charlotte Gräfin von Tenczin, die
mit Friedrich Grafen von Promnitz, dem Bruder des regierenden Grafen Erd¬
mann auf Sorau, vermählt war. Als Grundherrin schaltete sie durchaus will¬
kürlich über ihre Untergebenen und achtete nicht im mindesten die denselben zu¬
stehenden Rechte. So beschwert sich 1702 der Pfarrer Caspar Joseph Therer
über die Gräfin beim Oberamte, "daß sie in dem Städtlein Steinau nicht nur
die vseiiu^s ^aroodi-üizs seit sechs Jahren dem Pfarrer ohne die mindeste
Ursach hinterhaltet, sondern auch ihre Unterthauen nicht dahin vermöget, den


Theilnahme an den katholischen Religionsübungen zu nöthigen und allmählich
an dieselben zu gewöhnen. Die größte Aufmerksamkeit ließ man jedoch der noch
der Erziehung bedürftigen Jugend und den elternlosen Kindern angedeihen, und
nichts wurde verabsäumt, durch genaue Vorschriften, die für diesen Zweck er¬
lassen wurden, möglichst viele von diesen jungen Seelen der katholischen Kirche
zuzuführen. Insbesondere wurde darauf geachtet, daß Kinder nicht außer Landes
gebracht wurden. Starb ein Vater, ehe seine Kinder großjährig waren, so sollten,
nach einer Verfügung vom 25. April 1690 womöglich katholische Vormünder
genommen werden, auch wenn der Verstorbene ausdrücklich evangelische Vor¬
münder gewählt hatte. Waisen, welche an ketzerische Oerter gebracht worden
waren, sollten bei Verlust ihrer Erbschaft zurückgebracht werden. Nach einer
Verfügung von 1683 wurde unter Androhung einer bestimmten Strafe und
Einziehung der Güter verboten, Kinder oder Waisen aus Schlesien in ein an¬
grenzendes Land zur Erziehung und Unterweisung zu schicken. In Bezug auf
adliche Pupillen wurde am 25. April 1690 dem Oberamte eine geheime In-
struction ertheilt, wie die Landeshauptleute es halten sollten, um sie zum katho¬
lischen Glauben zu bewegen; doch wurde anempfohlen, in solchen Sachen Äncz
stroxitu ot vioIsMg, zu verfahren.

Wie Leopold, so suchte auch Karl VI. sich den Schein religiöser Duldung
zu geben, indem er vor der Welt heuchlerisch erklärte, es werde Niemandem
die Religionsfreiheit beschränkt, in geheimen Geschäftsinstruetionen jedoch (1719
und 1732) seine Beamten anwies, nach Möglichkeit zu katholisiren und selbst
den bloßen Erwerb seiner protestantischen Unterthanen zu verkümmern. Schlie߬
lich scheute man auch öffentliches Aufsehen nicht, wenn es galt, adliche Pupillen
der katholischen Kirche zu sichern. Zur Illustration dieses Vorgehens diene
folgende Geschichte, welche in Büschings „Beiträgen zur Lebensgeschichte denkwür¬
diger Personen" (Halle, 1783) mitgetheilt ist, und zu welcher der Verfasser
dieses Aufsatzes durch mehrere, ihm durch die Freundlichkeit des Herrn Archiv¬
rath Dr. Grünhagen zugänglich gemachte Actenstücke einige Berichtigungen und
Ergänzungen zu geben in der Lage ist.

Zu Steinau im Fürstenthum Oppeln lebte zu Anfange des vorigen Jahr¬
hunderts als Grundherrin Helena Maria Charlotte Gräfin von Tenczin, die
mit Friedrich Grafen von Promnitz, dem Bruder des regierenden Grafen Erd¬
mann auf Sorau, vermählt war. Als Grundherrin schaltete sie durchaus will¬
kürlich über ihre Untergebenen und achtete nicht im mindesten die denselben zu¬
stehenden Rechte. So beschwert sich 1702 der Pfarrer Caspar Joseph Therer
über die Gräfin beim Oberamte, „daß sie in dem Städtlein Steinau nicht nur
die vseiiu^s ^aroodi-üizs seit sechs Jahren dem Pfarrer ohne die mindeste
Ursach hinterhaltet, sondern auch ihre Unterthauen nicht dahin vermöget, den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/211>, abgerufen am 17.05.2024.