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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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sieht er ab, sein Interesse geht nur ans eine äußere Versöhnung zwischen italie¬
nischer und päpstlicher Politik, denu eine innere Einigung beider Theile ist ja
ausgeschlossen, wenn dem Papst als Preis der gegenwärtigen Anerkennung des
Königreiches Italien die Aussicht auf eine zukünftige Störung, wenn nicht
Zerstörung des letzteren geboten wird. Der Reformer Curci hat auch als
solcher deu Jesuiten nicht verleugnet, und es ist daher völlig gleichgiltig, daß
er seinen Frieden mit der Curie gemacht und Widerruf geleistet hat. Vou ihm
hatte Italien nichts zu hoffen. Und doch fehlt es seiner Schrift nicht an
Wahrheitselcmenten. Er hat ein lebendiges Gefühl von der Nothwendigkeit
einer organischen Verbindung zwischen Staat und Kirche, er fordert den Katho¬
licismus zu einer inneren Erneuerung im Geiste des Evangeliums auf, er er¬
mahnt die Katholiken am politischen Leben Theil zu nehmen. Er besitzt offenbar
mehr Sinn für die Realitäten und Postulate des Lebeus als Minghetti, der
mit der abstrakten Formel Cavours: "Freie Kirche im freien Staat", mit dem
Prinzip der praktischen Gleichgiltigkeit des Staats gegen die Kirche das Problem
der Beziehung beider Institutionen zu lösen glaubt. Das ist der Weg des
abstracten Dvctrinarismus, der nicht zum Ziele führt.

Der Schluß unseres Referats kann nur ein Wort des Dankes gegen den
ausgezeichneten Mann sein, der es verstanden hat, ein so klares und scharfes
Bild der geistigen Strömungen der Gegenwart zu zeichnen. Es giebt wenige
Schriftsteller in unserer Zeit, die fo wie Mciricmo die bedingende Macht der
Religion für das Heil der Völker erkannt, in ihr die Wurzeln der Kraft, die
Quelle ewiger Jugend für die Menschheit gefunden haben. Und wenn wir es
wagen, hoffnungsvoll in die Zukunft Italiens zu blicken, fo dürfen wir unsere
Hoffnung auch darauf gründen, daß in seinem Schoße eine so tiefe und ideale
Weltanschauung sich entwickeln konnte, wie sie in der Schrift Marianos zu
Tage tritt.


H. Jacoby.


Die Alliteration und die Redensarten.

Durch Wilhelm Jordans Nibelungendichtung und durch die Wagnersche
Nibelungentrilvgie ist die Aufmerksamkeit und das Interesse auch des größerei:
Publikums auf eine Erscheinung gelenkt worden, mit der bis dahin fast aus¬
schließlich der Gelehrte und allenfalls noch der Dichter näher vertraut war: mit


sieht er ab, sein Interesse geht nur ans eine äußere Versöhnung zwischen italie¬
nischer und päpstlicher Politik, denu eine innere Einigung beider Theile ist ja
ausgeschlossen, wenn dem Papst als Preis der gegenwärtigen Anerkennung des
Königreiches Italien die Aussicht auf eine zukünftige Störung, wenn nicht
Zerstörung des letzteren geboten wird. Der Reformer Curci hat auch als
solcher deu Jesuiten nicht verleugnet, und es ist daher völlig gleichgiltig, daß
er seinen Frieden mit der Curie gemacht und Widerruf geleistet hat. Vou ihm
hatte Italien nichts zu hoffen. Und doch fehlt es seiner Schrift nicht an
Wahrheitselcmenten. Er hat ein lebendiges Gefühl von der Nothwendigkeit
einer organischen Verbindung zwischen Staat und Kirche, er fordert den Katho¬
licismus zu einer inneren Erneuerung im Geiste des Evangeliums auf, er er¬
mahnt die Katholiken am politischen Leben Theil zu nehmen. Er besitzt offenbar
mehr Sinn für die Realitäten und Postulate des Lebeus als Minghetti, der
mit der abstrakten Formel Cavours: „Freie Kirche im freien Staat", mit dem
Prinzip der praktischen Gleichgiltigkeit des Staats gegen die Kirche das Problem
der Beziehung beider Institutionen zu lösen glaubt. Das ist der Weg des
abstracten Dvctrinarismus, der nicht zum Ziele führt.

Der Schluß unseres Referats kann nur ein Wort des Dankes gegen den
ausgezeichneten Mann sein, der es verstanden hat, ein so klares und scharfes
Bild der geistigen Strömungen der Gegenwart zu zeichnen. Es giebt wenige
Schriftsteller in unserer Zeit, die fo wie Mciricmo die bedingende Macht der
Religion für das Heil der Völker erkannt, in ihr die Wurzeln der Kraft, die
Quelle ewiger Jugend für die Menschheit gefunden haben. Und wenn wir es
wagen, hoffnungsvoll in die Zukunft Italiens zu blicken, fo dürfen wir unsere
Hoffnung auch darauf gründen, daß in seinem Schoße eine so tiefe und ideale
Weltanschauung sich entwickeln konnte, wie sie in der Schrift Marianos zu
Tage tritt.


H. Jacoby.


Die Alliteration und die Redensarten.

Durch Wilhelm Jordans Nibelungendichtung und durch die Wagnersche
Nibelungentrilvgie ist die Aufmerksamkeit und das Interesse auch des größerei:
Publikums auf eine Erscheinung gelenkt worden, mit der bis dahin fast aus¬
schließlich der Gelehrte und allenfalls noch der Dichter näher vertraut war: mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/531>, abgerufen am 30.04.2024.