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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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stand aus dem christlichen Stoffgebiete, bekanntlich dem Aschenbrödel der neue¬
sten italienischen Kunst, auf eigenem Wege wahrhaft monumentale Gestaltung
zu verleihen und die skeptischen Ansichten über "verbrauchte Stoffe" durch das
Einzige, das des Künstlers würdig, durch die siegreiche That zu widerlegen.




Die Albanesen.
2.

Die Albanesen bildeten einmal politisch ein Ganzes. Es war dies zu den
Zeiten ihres Nationalhelden Skcmderbeg. Seitdem wurden sie durch den Ein¬
fluß der griechischen Cultur auf den Süden des Landes und den Clausgeist im
Norden in eine große Anzahl wenig oder gar nicht zusammenhängender Gruppen
aufgelöst, die einander nicht selten befehdeten und die Constituirung einer alba-
nesischen Nationalität verhinderten. Indeß hat sich das während des letzten
Krieges einigermaßen geändert. Der muhammedanische Albanese ist in der Regel
nicht fanatisch. Im Gegentheil, oft nur deshalb zum Islam übergetreten, weil
er sich den Hudeleien und Erpressungen der Türken dadurch entziehen konnte,
ist er zur Toleranz geneigt, und so sehen wir mehrere Claus, die theils Christen,
theils Muslime sind, in vollkommener Eintracht mit einander leben. Nicht die
Gemeinsamkeit des Glaubens also läßt die muselmännischen Albanesen der Pforte
treu bleiben, sondern die der Interessen. Die Gegner der Türkei sind in diesen
Gegenden die Serben und die Montenegriner, und wenn die Albanesen diese
unter der Fahne mit dein Halbmonde bekämpften, so setzten sie nur ihre alten
Unabhängigkeitskriege in den Zeiten des großen Serbenzars Stephan Duschan
fort. Wollte die Pforte die inneren Gerechtsame Albaniens beschränken, so sah
sie die muhammedanischen Stämme des Gebirges gewöhnlich ebenso eifrig gegen
sich zu den Waffen greifen als die christlichen. Doch dachten weder diese noch
jene bei solchen Anlässen bis vor kurzem an Losreißung von der Herrschaft des
Sultans oder auch nur an Erweiterung ihrer Freiheiten zu einer autonomen
Stellung. Nur bei den Bewohnern Südalbaniens, die zum Theil hellenisirt
waren, regten sich eine Zeit lang Trennungsgelüste zu Gunsten Griechenlands,
die selbst die Muhammedaner unter diesen Tosken ergriffen. Geheime Gesell¬
schaften thaten ihr Bestes, diese separitistischen Neigungen zu hegen und zu
pflegen, und die griechische Regierung verfehlte nicht, sie dnrch ihre Agenten
heimlich ermuthigen zu lassen. Indeß folgte diesen Wühlereien keine That. Das


stand aus dem christlichen Stoffgebiete, bekanntlich dem Aschenbrödel der neue¬
sten italienischen Kunst, auf eigenem Wege wahrhaft monumentale Gestaltung
zu verleihen und die skeptischen Ansichten über „verbrauchte Stoffe" durch das
Einzige, das des Künstlers würdig, durch die siegreiche That zu widerlegen.




Die Albanesen.
2.

Die Albanesen bildeten einmal politisch ein Ganzes. Es war dies zu den
Zeiten ihres Nationalhelden Skcmderbeg. Seitdem wurden sie durch den Ein¬
fluß der griechischen Cultur auf den Süden des Landes und den Clausgeist im
Norden in eine große Anzahl wenig oder gar nicht zusammenhängender Gruppen
aufgelöst, die einander nicht selten befehdeten und die Constituirung einer alba-
nesischen Nationalität verhinderten. Indeß hat sich das während des letzten
Krieges einigermaßen geändert. Der muhammedanische Albanese ist in der Regel
nicht fanatisch. Im Gegentheil, oft nur deshalb zum Islam übergetreten, weil
er sich den Hudeleien und Erpressungen der Türken dadurch entziehen konnte,
ist er zur Toleranz geneigt, und so sehen wir mehrere Claus, die theils Christen,
theils Muslime sind, in vollkommener Eintracht mit einander leben. Nicht die
Gemeinsamkeit des Glaubens also läßt die muselmännischen Albanesen der Pforte
treu bleiben, sondern die der Interessen. Die Gegner der Türkei sind in diesen
Gegenden die Serben und die Montenegriner, und wenn die Albanesen diese
unter der Fahne mit dein Halbmonde bekämpften, so setzten sie nur ihre alten
Unabhängigkeitskriege in den Zeiten des großen Serbenzars Stephan Duschan
fort. Wollte die Pforte die inneren Gerechtsame Albaniens beschränken, so sah
sie die muhammedanischen Stämme des Gebirges gewöhnlich ebenso eifrig gegen
sich zu den Waffen greifen als die christlichen. Doch dachten weder diese noch
jene bei solchen Anlässen bis vor kurzem an Losreißung von der Herrschaft des
Sultans oder auch nur an Erweiterung ihrer Freiheiten zu einer autonomen
Stellung. Nur bei den Bewohnern Südalbaniens, die zum Theil hellenisirt
waren, regten sich eine Zeit lang Trennungsgelüste zu Gunsten Griechenlands,
die selbst die Muhammedaner unter diesen Tosken ergriffen. Geheime Gesell¬
schaften thaten ihr Bestes, diese separitistischen Neigungen zu hegen und zu
pflegen, und die griechische Regierung verfehlte nicht, sie dnrch ihre Agenten
heimlich ermuthigen zu lassen. Indeß folgte diesen Wühlereien keine That. Das


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[0080] stand aus dem christlichen Stoffgebiete, bekanntlich dem Aschenbrödel der neue¬ sten italienischen Kunst, auf eigenem Wege wahrhaft monumentale Gestaltung zu verleihen und die skeptischen Ansichten über „verbrauchte Stoffe" durch das Einzige, das des Künstlers würdig, durch die siegreiche That zu widerlegen. Die Albanesen. 2. Die Albanesen bildeten einmal politisch ein Ganzes. Es war dies zu den Zeiten ihres Nationalhelden Skcmderbeg. Seitdem wurden sie durch den Ein¬ fluß der griechischen Cultur auf den Süden des Landes und den Clausgeist im Norden in eine große Anzahl wenig oder gar nicht zusammenhängender Gruppen aufgelöst, die einander nicht selten befehdeten und die Constituirung einer alba- nesischen Nationalität verhinderten. Indeß hat sich das während des letzten Krieges einigermaßen geändert. Der muhammedanische Albanese ist in der Regel nicht fanatisch. Im Gegentheil, oft nur deshalb zum Islam übergetreten, weil er sich den Hudeleien und Erpressungen der Türken dadurch entziehen konnte, ist er zur Toleranz geneigt, und so sehen wir mehrere Claus, die theils Christen, theils Muslime sind, in vollkommener Eintracht mit einander leben. Nicht die Gemeinsamkeit des Glaubens also läßt die muselmännischen Albanesen der Pforte treu bleiben, sondern die der Interessen. Die Gegner der Türkei sind in diesen Gegenden die Serben und die Montenegriner, und wenn die Albanesen diese unter der Fahne mit dein Halbmonde bekämpften, so setzten sie nur ihre alten Unabhängigkeitskriege in den Zeiten des großen Serbenzars Stephan Duschan fort. Wollte die Pforte die inneren Gerechtsame Albaniens beschränken, so sah sie die muhammedanischen Stämme des Gebirges gewöhnlich ebenso eifrig gegen sich zu den Waffen greifen als die christlichen. Doch dachten weder diese noch jene bei solchen Anlässen bis vor kurzem an Losreißung von der Herrschaft des Sultans oder auch nur an Erweiterung ihrer Freiheiten zu einer autonomen Stellung. Nur bei den Bewohnern Südalbaniens, die zum Theil hellenisirt waren, regten sich eine Zeit lang Trennungsgelüste zu Gunsten Griechenlands, die selbst die Muhammedaner unter diesen Tosken ergriffen. Geheime Gesell¬ schaften thaten ihr Bestes, diese separitistischen Neigungen zu hegen und zu pflegen, und die griechische Regierung verfehlte nicht, sie dnrch ihre Agenten heimlich ermuthigen zu lassen. Indeß folgte diesen Wühlereien keine That. Das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/80>, abgerufen am 30.04.2024.