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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Die Albanesen.
i.

Bei der Durchführung der Beschlüsse des Berliner Congresses, die noch
unverwirklicht sind, spielt das Volk Albaniens nach zwei Seiten hin eine her¬
vorragende Rolle, indem es sich sowohl gegen die Abtretungen albanischen Ge¬
bietes an Montenegro wie gegen diejenigen an das Königreich Hellas zur Wehre
zu setzen entschlossen ist. Kaum ein Zeitungsblatt, das in den letzten Wochen
nicht von der famosen Liga von Prisrend wiederholt berichtet hätte; alles was
Politik treibt oder zu treiben glaubt, erzählt sich von Gussinje und Plawa, von
Tust und Dulcigno und sucht auf den Karten die Stelle von Janina und die
Flüsse Kalamas und Salambria. Von dem Volke aber, um das es sich in
diesen Fragen in erster Linie handelt, haben wohl nur wenige eine klare Vor¬
stellung, und so halten wir es für angemessen, im Folgenden Einiges zur Kennt¬
niß desselben beizutragen, wobei uns Hahns "Albcmestsche Studien" und dessen
"Reise von Belgrad nach Salonik", Ami Boues Werk ^ur^uis und für
die neuesten Zustände und Ereignisse die sehr instructive kleine Schrift des
Obersten Becker I^tonio <zr Iss ^Iwnais, (Paris, Denen, 1880) als Quellen
dienen sollen.

Die Grenzen des Gebietes, welches vom Volke der Albanesen, Arnauten
oder, wie sie selbst sich nennen, Schkipetaren bewohnt wird, lasten sich im
Nordosten, wo sie weit über das eigentliche Albanien hinausgehen, und im Süden
nicht recht genau bestimmen, da die Angehörigen dieses altillyrischen Volkes dort
zwischen Serben, hier zwischen Griechen und Kutzo-Wlachen zerstreut wohnen*).



*) Arnauten - Colonien außer Albanien giebt es überdies im österreichischen Jstrien
(bei Pola) und Dalmatien (bei Zara), in Apulien, Calabrien und Sicilien, namentlich aber
in Griechenland, wo sie besonders in Attika, Böotien, Megara und Argolis die Mehrzahl
der Landbevölkerung bilden. Die Inseln Hydra und Spezzia im Süden des Peloponnes
sind fast ausschließlich alvauesisch, auch der Süden von Euböa und der Norden der Insel
Andros haben unter ihren Einwohnern albanesische Elemente in Menge.
Grenzboten III. 18SV. 1
Die Albanesen.
i.

Bei der Durchführung der Beschlüsse des Berliner Congresses, die noch
unverwirklicht sind, spielt das Volk Albaniens nach zwei Seiten hin eine her¬
vorragende Rolle, indem es sich sowohl gegen die Abtretungen albanischen Ge¬
bietes an Montenegro wie gegen diejenigen an das Königreich Hellas zur Wehre
zu setzen entschlossen ist. Kaum ein Zeitungsblatt, das in den letzten Wochen
nicht von der famosen Liga von Prisrend wiederholt berichtet hätte; alles was
Politik treibt oder zu treiben glaubt, erzählt sich von Gussinje und Plawa, von
Tust und Dulcigno und sucht auf den Karten die Stelle von Janina und die
Flüsse Kalamas und Salambria. Von dem Volke aber, um das es sich in
diesen Fragen in erster Linie handelt, haben wohl nur wenige eine klare Vor¬
stellung, und so halten wir es für angemessen, im Folgenden Einiges zur Kennt¬
niß desselben beizutragen, wobei uns Hahns „Albcmestsche Studien" und dessen
„Reise von Belgrad nach Salonik", Ami Boues Werk ^ur^uis und für
die neuesten Zustände und Ereignisse die sehr instructive kleine Schrift des
Obersten Becker I^tonio <zr Iss ^Iwnais, (Paris, Denen, 1880) als Quellen
dienen sollen.

Die Grenzen des Gebietes, welches vom Volke der Albanesen, Arnauten
oder, wie sie selbst sich nennen, Schkipetaren bewohnt wird, lasten sich im
Nordosten, wo sie weit über das eigentliche Albanien hinausgehen, und im Süden
nicht recht genau bestimmen, da die Angehörigen dieses altillyrischen Volkes dort
zwischen Serben, hier zwischen Griechen und Kutzo-Wlachen zerstreut wohnen*).



*) Arnauten - Colonien außer Albanien giebt es überdies im österreichischen Jstrien
(bei Pola) und Dalmatien (bei Zara), in Apulien, Calabrien und Sicilien, namentlich aber
in Griechenland, wo sie besonders in Attika, Böotien, Megara und Argolis die Mehrzahl
der Landbevölkerung bilden. Die Inseln Hydra und Spezzia im Süden des Peloponnes
sind fast ausschließlich alvauesisch, auch der Süden von Euböa und der Norden der Insel
Andros haben unter ihren Einwohnern albanesische Elemente in Menge.
Grenzboten III. 18SV. 1
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[0009] Die Albanesen. i. Bei der Durchführung der Beschlüsse des Berliner Congresses, die noch unverwirklicht sind, spielt das Volk Albaniens nach zwei Seiten hin eine her¬ vorragende Rolle, indem es sich sowohl gegen die Abtretungen albanischen Ge¬ bietes an Montenegro wie gegen diejenigen an das Königreich Hellas zur Wehre zu setzen entschlossen ist. Kaum ein Zeitungsblatt, das in den letzten Wochen nicht von der famosen Liga von Prisrend wiederholt berichtet hätte; alles was Politik treibt oder zu treiben glaubt, erzählt sich von Gussinje und Plawa, von Tust und Dulcigno und sucht auf den Karten die Stelle von Janina und die Flüsse Kalamas und Salambria. Von dem Volke aber, um das es sich in diesen Fragen in erster Linie handelt, haben wohl nur wenige eine klare Vor¬ stellung, und so halten wir es für angemessen, im Folgenden Einiges zur Kennt¬ niß desselben beizutragen, wobei uns Hahns „Albcmestsche Studien" und dessen „Reise von Belgrad nach Salonik", Ami Boues Werk ^ur^uis und für die neuesten Zustände und Ereignisse die sehr instructive kleine Schrift des Obersten Becker I^tonio <zr Iss ^Iwnais, (Paris, Denen, 1880) als Quellen dienen sollen. Die Grenzen des Gebietes, welches vom Volke der Albanesen, Arnauten oder, wie sie selbst sich nennen, Schkipetaren bewohnt wird, lasten sich im Nordosten, wo sie weit über das eigentliche Albanien hinausgehen, und im Süden nicht recht genau bestimmen, da die Angehörigen dieses altillyrischen Volkes dort zwischen Serben, hier zwischen Griechen und Kutzo-Wlachen zerstreut wohnen*). *) Arnauten - Colonien außer Albanien giebt es überdies im österreichischen Jstrien (bei Pola) und Dalmatien (bei Zara), in Apulien, Calabrien und Sicilien, namentlich aber in Griechenland, wo sie besonders in Attika, Böotien, Megara und Argolis die Mehrzahl der Landbevölkerung bilden. Die Inseln Hydra und Spezzia im Süden des Peloponnes sind fast ausschließlich alvauesisch, auch der Süden von Euböa und der Norden der Insel Andros haben unter ihren Einwohnern albanesische Elemente in Menge. Grenzboten III. 18SV. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/9>, abgerufen am 30.04.2024.