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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Aus der Vergangenheit Irlands.
2.

Die Cromwcllsche Ansiedelungsacte ist die Wurzel jenes tiefen und blei¬
benden Zwiespalts zwischen Eigenthümern.und Pächtern, welcher bis heute
die Hauptursache aller politischen und socialen Uebelstände in Irland gewesen
ist. Der Sturz der alten Rasse war nun so gut wie vollbracht. Die auf die
Restauration der Stuarts in England folgenden Jahre waren jedoch Jahre des
Friedens, milder Regierung und großer Duldsamkeit in Sachen der Religion,
und obwohl das mit jener Acte den Iren zugefügte Unrecht tief in deren Ge¬
müthern haftete, lebte doch der Wohlstand des Landes wieder auf und mit ihm
eine gewisse loyale Gesinnung.

Aber bald trübte die Revolution den Horizont von neuem. Es war fast
selbstverständlich, daß die Iren in diesem Kampfe sich auf die Seite ihres legi¬
timen Souveräns stellten, dessen zu glühender Katholicismus die Hauptursache
seiner Entthronung gewesen war, und es war nur natürlich, daß sie die kurze
Periode ihres Uebergewichts zu benutzen suchten, um die jüngst eingerichtete
agrarische Ordnung über den Hansen zu werfen. König Jacob landete am 12.
März 1689 zu Kinsale, und am 7. Mai wurde von ihm das irische Parlament
einberufen. Dasselbe bestand fast ganz aus Katholiken und folchen, deren Väter
durch Cromwell ihres Grundbesitzes beraubt worden waren, und so kann es
nicht überraschen, wenn es in seinen Beschlüssen viel Rücksichtslosigkeit und Ge¬
waltthätigkeit an den Tag legte. Aber es verfügte auch Gutes und Gerechtes.
Es proclamierte für Irland vollkommene Religionsfreiheit und die eigne legis¬
lative Unabhängigkeit, es schaffte die Zahlungen der Katholiken an die prote¬
stantische Geistlichkeit in den Stadtgemeinden ab und ordnete durch eine spätere
Acte an, daß alle Katholiken den Zehnten nur ihren eignen Priestern entrichten
sollten. Daß von einer Entschädigung dabei nicht die Rede war, scheint unge¬
recht, aber das Princip der Entschädigung war damals noch gänzlich unbe¬
kannt. Verschiedene andere Maßregeln wurden zur Entwicklung der Hilfsquellen


Grenzboten 7V. IMN, M
Aus der Vergangenheit Irlands.
2.

Die Cromwcllsche Ansiedelungsacte ist die Wurzel jenes tiefen und blei¬
benden Zwiespalts zwischen Eigenthümern.und Pächtern, welcher bis heute
die Hauptursache aller politischen und socialen Uebelstände in Irland gewesen
ist. Der Sturz der alten Rasse war nun so gut wie vollbracht. Die auf die
Restauration der Stuarts in England folgenden Jahre waren jedoch Jahre des
Friedens, milder Regierung und großer Duldsamkeit in Sachen der Religion,
und obwohl das mit jener Acte den Iren zugefügte Unrecht tief in deren Ge¬
müthern haftete, lebte doch der Wohlstand des Landes wieder auf und mit ihm
eine gewisse loyale Gesinnung.

Aber bald trübte die Revolution den Horizont von neuem. Es war fast
selbstverständlich, daß die Iren in diesem Kampfe sich auf die Seite ihres legi¬
timen Souveräns stellten, dessen zu glühender Katholicismus die Hauptursache
seiner Entthronung gewesen war, und es war nur natürlich, daß sie die kurze
Periode ihres Uebergewichts zu benutzen suchten, um die jüngst eingerichtete
agrarische Ordnung über den Hansen zu werfen. König Jacob landete am 12.
März 1689 zu Kinsale, und am 7. Mai wurde von ihm das irische Parlament
einberufen. Dasselbe bestand fast ganz aus Katholiken und folchen, deren Väter
durch Cromwell ihres Grundbesitzes beraubt worden waren, und so kann es
nicht überraschen, wenn es in seinen Beschlüssen viel Rücksichtslosigkeit und Ge¬
waltthätigkeit an den Tag legte. Aber es verfügte auch Gutes und Gerechtes.
Es proclamierte für Irland vollkommene Religionsfreiheit und die eigne legis¬
lative Unabhängigkeit, es schaffte die Zahlungen der Katholiken an die prote¬
stantische Geistlichkeit in den Stadtgemeinden ab und ordnete durch eine spätere
Acte an, daß alle Katholiken den Zehnten nur ihren eignen Priestern entrichten
sollten. Daß von einer Entschädigung dabei nicht die Rede war, scheint unge¬
recht, aber das Princip der Entschädigung war damals noch gänzlich unbe¬
kannt. Verschiedene andere Maßregeln wurden zur Entwicklung der Hilfsquellen


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[0525] Aus der Vergangenheit Irlands. 2. Die Cromwcllsche Ansiedelungsacte ist die Wurzel jenes tiefen und blei¬ benden Zwiespalts zwischen Eigenthümern.und Pächtern, welcher bis heute die Hauptursache aller politischen und socialen Uebelstände in Irland gewesen ist. Der Sturz der alten Rasse war nun so gut wie vollbracht. Die auf die Restauration der Stuarts in England folgenden Jahre waren jedoch Jahre des Friedens, milder Regierung und großer Duldsamkeit in Sachen der Religion, und obwohl das mit jener Acte den Iren zugefügte Unrecht tief in deren Ge¬ müthern haftete, lebte doch der Wohlstand des Landes wieder auf und mit ihm eine gewisse loyale Gesinnung. Aber bald trübte die Revolution den Horizont von neuem. Es war fast selbstverständlich, daß die Iren in diesem Kampfe sich auf die Seite ihres legi¬ timen Souveräns stellten, dessen zu glühender Katholicismus die Hauptursache seiner Entthronung gewesen war, und es war nur natürlich, daß sie die kurze Periode ihres Uebergewichts zu benutzen suchten, um die jüngst eingerichtete agrarische Ordnung über den Hansen zu werfen. König Jacob landete am 12. März 1689 zu Kinsale, und am 7. Mai wurde von ihm das irische Parlament einberufen. Dasselbe bestand fast ganz aus Katholiken und folchen, deren Väter durch Cromwell ihres Grundbesitzes beraubt worden waren, und so kann es nicht überraschen, wenn es in seinen Beschlüssen viel Rücksichtslosigkeit und Ge¬ waltthätigkeit an den Tag legte. Aber es verfügte auch Gutes und Gerechtes. Es proclamierte für Irland vollkommene Religionsfreiheit und die eigne legis¬ lative Unabhängigkeit, es schaffte die Zahlungen der Katholiken an die prote¬ stantische Geistlichkeit in den Stadtgemeinden ab und ordnete durch eine spätere Acte an, daß alle Katholiken den Zehnten nur ihren eignen Priestern entrichten sollten. Daß von einer Entschädigung dabei nicht die Rede war, scheint unge¬ recht, aber das Princip der Entschädigung war damals noch gänzlich unbe¬ kannt. Verschiedene andere Maßregeln wurden zur Entwicklung der Hilfsquellen Grenzboten 7V. IMN, M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/525>, abgerufen am 02.05.2024.