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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Kriegführung im Mittelalter.
2.

Vorbereitungen zur Schlacht. -- Aufstellung des Heeres. --
Angriff. -- Kampf und Sieg. -- Verwundete, Aerzte und Ge¬
fangne. ..... Beute und Bestattung der Gefallenen. -- Sieges¬
male und Kriegsgerichte.

igenthümlich ist der hin und wieder vorkommende Brauch der mittel¬
alterlichen Fürsten und Feldherren, Schlachten wie große Duelle
anzusehen und deshalb Ort und Zeit des Kampfes mit dem
Feinde zu verabreden. Nahte dann der Schlachttag, so herrschte
in beiden Heeren die größte Rührigkeit. "Die Rüstungen wurden
blank geputzt, der Rost wurde von deu Helmen gewischt, man schliff Schwerter
und Dolche und befestigte, falls es nöthig, die Riemen der Schilde. Die
Schleudrer besserten ihre Schleudern aus und gössen Bleikugeln, die Bogen¬
schützen füllten ihre Köcher mit Pfeilen."

Unterdeß entwarf der Feldherr mit seinen Rathgebern den Schlachtplan,
wobei es mancherlei zu erwägen gab. "Der König, die Fürsten, der Heerführer
müssen," sagt der im vorigen Abschnitte bereits citirte kriegskundige Cardinal
Aegidius Colonna, "ehe sie eine offene Schlacht wagen, zunächst sechs Punkte
ins Auge fassen: auf welcher Seite mehr Soldaten sind, ferner, welche geübter,
welche stärker im Ertragen von Strapazen, welche körperlich härter, welche an¬
stelliger, endlich, welche kühner und von Natur mannhafter sind. Dann wird
der vorsichtige Anführer, je nachdem er sieht, daß sein Heer an jenen Eigen¬
schaften Ueberfluß oder Mangel hat, die Schlacht beschleunigen oder verschieben,
offen oder durch Kriegslisten und heimlich Krieg führen ... Sodann aber sind
noch sechs Punkte zu überlegen: erstens, aus welcher Seite mehr und bessere
Pferde sind, zweitens, ans welcher man bessere Bogenschützen hat und überhaupt
besser bewaffnet ist, drittens, wo mehr Lebensmittel vorhanden sind; denn manch¬
mal kommt es gar nicht zum Fechten, sondern die Gegner ziehen sich wegen
Mangels an Proviant und Futter zurück und dürfen sogar wegen dieser Noth
keine Zeit damit verlieren. Viertens ist der Ort der Schlacht zu beachten: wer
auf höherem und sonst vortheilhafteren Terrain steht. Fünftens muß auch die
Zeit bedacht werden: ob zur Zeit des Kampfes die Sonne den eignen Leuten
oder den Feinden gegenübersteht, ob ein Wind der eignen Truppe oder dem


Kriegführung im Mittelalter.
2.

Vorbereitungen zur Schlacht. — Aufstellung des Heeres. —
Angriff. — Kampf und Sieg. — Verwundete, Aerzte und Ge¬
fangne. ..... Beute und Bestattung der Gefallenen. — Sieges¬
male und Kriegsgerichte.

igenthümlich ist der hin und wieder vorkommende Brauch der mittel¬
alterlichen Fürsten und Feldherren, Schlachten wie große Duelle
anzusehen und deshalb Ort und Zeit des Kampfes mit dem
Feinde zu verabreden. Nahte dann der Schlachttag, so herrschte
in beiden Heeren die größte Rührigkeit. „Die Rüstungen wurden
blank geputzt, der Rost wurde von deu Helmen gewischt, man schliff Schwerter
und Dolche und befestigte, falls es nöthig, die Riemen der Schilde. Die
Schleudrer besserten ihre Schleudern aus und gössen Bleikugeln, die Bogen¬
schützen füllten ihre Köcher mit Pfeilen."

Unterdeß entwarf der Feldherr mit seinen Rathgebern den Schlachtplan,
wobei es mancherlei zu erwägen gab. „Der König, die Fürsten, der Heerführer
müssen," sagt der im vorigen Abschnitte bereits citirte kriegskundige Cardinal
Aegidius Colonna, „ehe sie eine offene Schlacht wagen, zunächst sechs Punkte
ins Auge fassen: auf welcher Seite mehr Soldaten sind, ferner, welche geübter,
welche stärker im Ertragen von Strapazen, welche körperlich härter, welche an¬
stelliger, endlich, welche kühner und von Natur mannhafter sind. Dann wird
der vorsichtige Anführer, je nachdem er sieht, daß sein Heer an jenen Eigen¬
schaften Ueberfluß oder Mangel hat, die Schlacht beschleunigen oder verschieben,
offen oder durch Kriegslisten und heimlich Krieg führen ... Sodann aber sind
noch sechs Punkte zu überlegen: erstens, aus welcher Seite mehr und bessere
Pferde sind, zweitens, ans welcher man bessere Bogenschützen hat und überhaupt
besser bewaffnet ist, drittens, wo mehr Lebensmittel vorhanden sind; denn manch¬
mal kommt es gar nicht zum Fechten, sondern die Gegner ziehen sich wegen
Mangels an Proviant und Futter zurück und dürfen sogar wegen dieser Noth
keine Zeit damit verlieren. Viertens ist der Ort der Schlacht zu beachten: wer
auf höherem und sonst vortheilhafteren Terrain steht. Fünftens muß auch die
Zeit bedacht werden: ob zur Zeit des Kampfes die Sonne den eignen Leuten
oder den Feinden gegenübersteht, ob ein Wind der eignen Truppe oder dem


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[0134] Kriegführung im Mittelalter. 2. Vorbereitungen zur Schlacht. — Aufstellung des Heeres. — Angriff. — Kampf und Sieg. — Verwundete, Aerzte und Ge¬ fangne. ..... Beute und Bestattung der Gefallenen. — Sieges¬ male und Kriegsgerichte. igenthümlich ist der hin und wieder vorkommende Brauch der mittel¬ alterlichen Fürsten und Feldherren, Schlachten wie große Duelle anzusehen und deshalb Ort und Zeit des Kampfes mit dem Feinde zu verabreden. Nahte dann der Schlachttag, so herrschte in beiden Heeren die größte Rührigkeit. „Die Rüstungen wurden blank geputzt, der Rost wurde von deu Helmen gewischt, man schliff Schwerter und Dolche und befestigte, falls es nöthig, die Riemen der Schilde. Die Schleudrer besserten ihre Schleudern aus und gössen Bleikugeln, die Bogen¬ schützen füllten ihre Köcher mit Pfeilen." Unterdeß entwarf der Feldherr mit seinen Rathgebern den Schlachtplan, wobei es mancherlei zu erwägen gab. „Der König, die Fürsten, der Heerführer müssen," sagt der im vorigen Abschnitte bereits citirte kriegskundige Cardinal Aegidius Colonna, „ehe sie eine offene Schlacht wagen, zunächst sechs Punkte ins Auge fassen: auf welcher Seite mehr Soldaten sind, ferner, welche geübter, welche stärker im Ertragen von Strapazen, welche körperlich härter, welche an¬ stelliger, endlich, welche kühner und von Natur mannhafter sind. Dann wird der vorsichtige Anführer, je nachdem er sieht, daß sein Heer an jenen Eigen¬ schaften Ueberfluß oder Mangel hat, die Schlacht beschleunigen oder verschieben, offen oder durch Kriegslisten und heimlich Krieg führen ... Sodann aber sind noch sechs Punkte zu überlegen: erstens, aus welcher Seite mehr und bessere Pferde sind, zweitens, ans welcher man bessere Bogenschützen hat und überhaupt besser bewaffnet ist, drittens, wo mehr Lebensmittel vorhanden sind; denn manch¬ mal kommt es gar nicht zum Fechten, sondern die Gegner ziehen sich wegen Mangels an Proviant und Futter zurück und dürfen sogar wegen dieser Noth keine Zeit damit verlieren. Viertens ist der Ort der Schlacht zu beachten: wer auf höherem und sonst vortheilhafteren Terrain steht. Fünftens muß auch die Zeit bedacht werden: ob zur Zeit des Kampfes die Sonne den eignen Leuten oder den Feinden gegenübersteht, ob ein Wind der eignen Truppe oder dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/134>, abgerufen am 28.04.2024.