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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Chr. Gottfried Körner und I. G. Göschen.

war eine solche Unternehmung nicht zu wagen. Göschen fragte sonach bei Körner
an, ob er gewillt und in der Lage sei, für die beabsichtigte Ausgabe von
"Goethes Schriften" die Summe von 1500 Thalern Sächsisch in die Kasse der
Handlung einzuschießen- Goethe, bei welchem mit dem Gedanken zur Samm¬
lung und Neuherausgabe seiner vollendeten und zum Abschlüsse der unvollendeten
Dichtungen im Frühling und Sommer 1786 der Plan zur italienischen Reise
reifte, hatte mäßige, aber bestimmte Honoraransprüche gestellt. Zu laviren gab
es hier nichts, und man mußte sich rasch entscheiden. Körner hätte nicht er
selbst sein müssen, um in diesem Augenblicke (wo er noch "Verleger" mit ganzem
Herzen war) nein sagen zu können. Er hatte allerdings schon die Erfahrung
gemacht, daß ihn die auf Tag und Stunde gestellten Erwartungen seines Com¬
pagnons in Verlegenheit bringen konnten. Die Leute, welche ihm Capitalien
zurückzuzahlen hatten, ließen dem als wohlhabend bekannten und sür liebens¬
würdig geltenden jungen Dresdner Oberconsistorialrath gegenüber nichts weniger
als kaufmännische Pünktlichkeit obwalten. Aber Goethe -- Goethes Werke! --
da galt es Rath zu schaffen um jeden Preis. Bereits am 6. Juli 1786 konnte
Goethe seiner Freundin Charlotte von Stein melden: "Mit Göschen bin ich
wegen meiner Schriften einig, in einem Punkte hab ich nachgegeben, übrigens
hat er zu allen? ja gesagt, er wird auf einer Reise nach Wien durch Karlsbad
kommen. So mag denn anch das gehn." (Goethes Briefe an Frau von Stein.
3. Bd., S. 267.) Im September desselben Jahres war er auf der Reise nach
Italien, das Manuseript zu den vier ersten Bänden der bei Göschen herauszu¬
gebenden Schriften kam pünktlich in die Hände des Verlegers, die ans Italien
gesendeten weitern Manuscripte durch die Hände Herders und Philipp Seidels,
Goethes vertrauten Dieners und Secretärs. Göschens Honorarzahlungen hatten
gleichfalls Zug um Zug zu erfolgen. Die schöne Ausgabe in acht zierlichen
Oetavbänden schlug aber bekanntlich so wenig beim deutschen Publicum ein, daß
Göschen eine der vielen bösen Praktiken des damaligen Buchhandels, sich selbst
nachzudrucken, für gut befand und eine Ausgabe auf geringem Papier, in vier
Bände zusammengedrängt, ohne Zustimmung Goethes veranstaltete.

Ehe es indeß hierzu kam, ja lauge ehe die rechtmäßige Ausgabe bei Göschen
"dem Publieum vollständig überliefert" war, sollte eine bedeutende Veränderung
in der Körner-Göschenschen Societät eintreten.

(Schluß folgt.)




Chr. Gottfried Körner und I. G. Göschen.

war eine solche Unternehmung nicht zu wagen. Göschen fragte sonach bei Körner
an, ob er gewillt und in der Lage sei, für die beabsichtigte Ausgabe von
„Goethes Schriften" die Summe von 1500 Thalern Sächsisch in die Kasse der
Handlung einzuschießen- Goethe, bei welchem mit dem Gedanken zur Samm¬
lung und Neuherausgabe seiner vollendeten und zum Abschlüsse der unvollendeten
Dichtungen im Frühling und Sommer 1786 der Plan zur italienischen Reise
reifte, hatte mäßige, aber bestimmte Honoraransprüche gestellt. Zu laviren gab
es hier nichts, und man mußte sich rasch entscheiden. Körner hätte nicht er
selbst sein müssen, um in diesem Augenblicke (wo er noch „Verleger" mit ganzem
Herzen war) nein sagen zu können. Er hatte allerdings schon die Erfahrung
gemacht, daß ihn die auf Tag und Stunde gestellten Erwartungen seines Com¬
pagnons in Verlegenheit bringen konnten. Die Leute, welche ihm Capitalien
zurückzuzahlen hatten, ließen dem als wohlhabend bekannten und sür liebens¬
würdig geltenden jungen Dresdner Oberconsistorialrath gegenüber nichts weniger
als kaufmännische Pünktlichkeit obwalten. Aber Goethe — Goethes Werke! —
da galt es Rath zu schaffen um jeden Preis. Bereits am 6. Juli 1786 konnte
Goethe seiner Freundin Charlotte von Stein melden: „Mit Göschen bin ich
wegen meiner Schriften einig, in einem Punkte hab ich nachgegeben, übrigens
hat er zu allen? ja gesagt, er wird auf einer Reise nach Wien durch Karlsbad
kommen. So mag denn anch das gehn." (Goethes Briefe an Frau von Stein.
3. Bd., S. 267.) Im September desselben Jahres war er auf der Reise nach
Italien, das Manuseript zu den vier ersten Bänden der bei Göschen herauszu¬
gebenden Schriften kam pünktlich in die Hände des Verlegers, die ans Italien
gesendeten weitern Manuscripte durch die Hände Herders und Philipp Seidels,
Goethes vertrauten Dieners und Secretärs. Göschens Honorarzahlungen hatten
gleichfalls Zug um Zug zu erfolgen. Die schöne Ausgabe in acht zierlichen
Oetavbänden schlug aber bekanntlich so wenig beim deutschen Publicum ein, daß
Göschen eine der vielen bösen Praktiken des damaligen Buchhandels, sich selbst
nachzudrucken, für gut befand und eine Ausgabe auf geringem Papier, in vier
Bände zusammengedrängt, ohne Zustimmung Goethes veranstaltete.

Ehe es indeß hierzu kam, ja lauge ehe die rechtmäßige Ausgabe bei Göschen
„dem Publieum vollständig überliefert" war, sollte eine bedeutende Veränderung
in der Körner-Göschenschen Societät eintreten.

(Schluß folgt.)




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[0133] Chr. Gottfried Körner und I. G. Göschen. war eine solche Unternehmung nicht zu wagen. Göschen fragte sonach bei Körner an, ob er gewillt und in der Lage sei, für die beabsichtigte Ausgabe von „Goethes Schriften" die Summe von 1500 Thalern Sächsisch in die Kasse der Handlung einzuschießen- Goethe, bei welchem mit dem Gedanken zur Samm¬ lung und Neuherausgabe seiner vollendeten und zum Abschlüsse der unvollendeten Dichtungen im Frühling und Sommer 1786 der Plan zur italienischen Reise reifte, hatte mäßige, aber bestimmte Honoraransprüche gestellt. Zu laviren gab es hier nichts, und man mußte sich rasch entscheiden. Körner hätte nicht er selbst sein müssen, um in diesem Augenblicke (wo er noch „Verleger" mit ganzem Herzen war) nein sagen zu können. Er hatte allerdings schon die Erfahrung gemacht, daß ihn die auf Tag und Stunde gestellten Erwartungen seines Com¬ pagnons in Verlegenheit bringen konnten. Die Leute, welche ihm Capitalien zurückzuzahlen hatten, ließen dem als wohlhabend bekannten und sür liebens¬ würdig geltenden jungen Dresdner Oberconsistorialrath gegenüber nichts weniger als kaufmännische Pünktlichkeit obwalten. Aber Goethe — Goethes Werke! — da galt es Rath zu schaffen um jeden Preis. Bereits am 6. Juli 1786 konnte Goethe seiner Freundin Charlotte von Stein melden: „Mit Göschen bin ich wegen meiner Schriften einig, in einem Punkte hab ich nachgegeben, übrigens hat er zu allen? ja gesagt, er wird auf einer Reise nach Wien durch Karlsbad kommen. So mag denn anch das gehn." (Goethes Briefe an Frau von Stein. 3. Bd., S. 267.) Im September desselben Jahres war er auf der Reise nach Italien, das Manuseript zu den vier ersten Bänden der bei Göschen herauszu¬ gebenden Schriften kam pünktlich in die Hände des Verlegers, die ans Italien gesendeten weitern Manuscripte durch die Hände Herders und Philipp Seidels, Goethes vertrauten Dieners und Secretärs. Göschens Honorarzahlungen hatten gleichfalls Zug um Zug zu erfolgen. Die schöne Ausgabe in acht zierlichen Oetavbänden schlug aber bekanntlich so wenig beim deutschen Publicum ein, daß Göschen eine der vielen bösen Praktiken des damaligen Buchhandels, sich selbst nachzudrucken, für gut befand und eine Ausgabe auf geringem Papier, in vier Bände zusammengedrängt, ohne Zustimmung Goethes veranstaltete. Ehe es indeß hierzu kam, ja lauge ehe die rechtmäßige Ausgabe bei Göschen „dem Publieum vollständig überliefert" war, sollte eine bedeutende Veränderung in der Körner-Göschenschen Societät eintreten. (Schluß folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/133>, abgerufen am 14.05.2024.