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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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p. K. Rosegger.

s begegnet uns wohl, daß wir jemand, in dem wir später einen
lieben Freund gewinnen, eine Zeit lang ausweichen, ohne uns
eines klare" Grundes für unsre Abneigung bewußt zu sei". El"
zufälliger Umstand führt dann eine nähere Berührung herbei; wir
erkennen sein wahres Wesen, fühlen uns zu ihm hingezogen,
und an die Stelle des frühern Widerwillens tritt eine herzliche und dauernde
Zuneigung.

So ging es uns mit Nvsegger. Weshalb wir ihm aus dem Wege ge¬
gangen sind, könnten Nur nicht sagen. Vielleicht hielt uns eine gewisse Sehen,
die uns in gereiftem Jahren vor allem, was sich Dorfgeschichte nennt, zu
überkommen pflegt und die uus hinter dem Aelpler einen Salontiroler befürchte"
ließ, davon ab, seine Bücher zur Hand zu nehme"; vielleicht hatte" wir einmal
eine Rceensio" seiner Schriften gelesen, die, gutgemeint, etwas zu sehr nach der
gewohnten Reelnme schmeckte, mit welcher heutzutage jedermann seinen gute"
Freund in der willige" Presse herauszustreichen bestrebt ist, und waren von
dieser abgeschreckt worden; oder wir hatten zufällig einmal ein Blatt seiner
weniger gelungenen Erzählungen aufgeschlagen, welches ihn nicht von der rechten
Seite zeigte, und deshalb nicht weiter geblättert -- kurz, er war uns lange
Zeit fremd gebliebe". Da fände" wir kürzlich auf unsern: Nedaetionstischc einen
Band mit dem Namen Nosegger und, "ins uus neben diesem Umstände besonders
überraschte, aus einem Verlage, in den er uns absolut nicht zu gehören schien.
Dmicker und Humblot -- Rosegger? Ein österreichischer Dorfgeschichtenschreiber
in so ernster wissenschaftlicher Gesellschaft -- da mußte wohl etwas besonderes
dahinter sein! Wir blätterten in den" Buche -- "Aus meinem Handwerker¬
leben" war es betitelt -- erst neugierig, aber bald gefesselt, haben es ge¬
lesen, genossen, wie man einen erfrischende" Triink genießt, und -- an seine
Verleger geschrieben, sie möchten uns seine übrigen Werke schicken. El" ganzer
Haufe kam, mehr als zwanzig Bände, aber soviel ihrer waren, sie sind uns
nicht wie dem guten Vetter Schmithofer, von dein Rosegger in seinem "Hand-
werkcrlcben" erzählt, daß er das Pack seiner ersten Manuscripte im Buckel-
lvrbe mühselig nach Graz getragen habe, eine Last geworden; wir haben sie
hintereinander durch gelesen und wieder gelesen und sie waren uus eine wahre
Erfrischung. Wie aus den Berge", deren Leben sie schildern, weht n"s el"e


p. K. Rosegger.

s begegnet uns wohl, daß wir jemand, in dem wir später einen
lieben Freund gewinnen, eine Zeit lang ausweichen, ohne uns
eines klare» Grundes für unsre Abneigung bewußt zu sei». El»
zufälliger Umstand führt dann eine nähere Berührung herbei; wir
erkennen sein wahres Wesen, fühlen uns zu ihm hingezogen,
und an die Stelle des frühern Widerwillens tritt eine herzliche und dauernde
Zuneigung.

So ging es uns mit Nvsegger. Weshalb wir ihm aus dem Wege ge¬
gangen sind, könnten Nur nicht sagen. Vielleicht hielt uns eine gewisse Sehen,
die uns in gereiftem Jahren vor allem, was sich Dorfgeschichte nennt, zu
überkommen pflegt und die uus hinter dem Aelpler einen Salontiroler befürchte»
ließ, davon ab, seine Bücher zur Hand zu nehme»; vielleicht hatte» wir einmal
eine Rceensio» seiner Schriften gelesen, die, gutgemeint, etwas zu sehr nach der
gewohnten Reelnme schmeckte, mit welcher heutzutage jedermann seinen gute»
Freund in der willige» Presse herauszustreichen bestrebt ist, und waren von
dieser abgeschreckt worden; oder wir hatten zufällig einmal ein Blatt seiner
weniger gelungenen Erzählungen aufgeschlagen, welches ihn nicht von der rechten
Seite zeigte, und deshalb nicht weiter geblättert — kurz, er war uns lange
Zeit fremd gebliebe». Da fände» wir kürzlich auf unsern: Nedaetionstischc einen
Band mit dem Namen Nosegger und, »ins uus neben diesem Umstände besonders
überraschte, aus einem Verlage, in den er uns absolut nicht zu gehören schien.
Dmicker und Humblot — Rosegger? Ein österreichischer Dorfgeschichtenschreiber
in so ernster wissenschaftlicher Gesellschaft — da mußte wohl etwas besonderes
dahinter sein! Wir blätterten in den« Buche — „Aus meinem Handwerker¬
leben" war es betitelt — erst neugierig, aber bald gefesselt, haben es ge¬
lesen, genossen, wie man einen erfrischende» Triink genießt, und — an seine
Verleger geschrieben, sie möchten uns seine übrigen Werke schicken. El» ganzer
Haufe kam, mehr als zwanzig Bände, aber soviel ihrer waren, sie sind uns
nicht wie dem guten Vetter Schmithofer, von dein Rosegger in seinem „Hand-
werkcrlcben" erzählt, daß er das Pack seiner ersten Manuscripte im Buckel-
lvrbe mühselig nach Graz getragen habe, eine Last geworden; wir haben sie
hintereinander durch gelesen und wieder gelesen und sie waren uus eine wahre
Erfrischung. Wie aus den Berge», deren Leben sie schildern, weht n»s el»e


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/220>, abgerufen am 29.04.2024.