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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Lessingstudien.*)
von Gustav Buch holz.

ii den Parteikämpfen unsrer Tage ertönt kein Name häufiger
als der Lessings. Sollen wir uns dessen freuen, sollen wir es
bedauern? Viel gepriesen und viel geschmäht zu werden war ja
stets das Schicksal dieses streitbaren Mannes, zu seinen Lebzeiten
so gut wie bei den nachfolgenden Geschlechtern, Aber wenn jetzt
der Säeulartag seines Todes heranrückt und die Nation "nciniger als je findet
in der Würdigung der Grundanschauung seines Geistes, so ist das im Interesse
unsers Volkslebens tief zu beklagen, ES ist ein schlimmes Zeichen, wenn ein
Volk über dem Erbe seiner großen Männer hadert. Und wohin anders soll es
fuhren, wenn sich Stimmen unter uns erheben dürfen -- glücklicher Weise bisher
noch vereinzelt --, welche die Manen dieses edlen Mannes muss Schimpflichste
l'chidelu. und wenn man gar auf der andern Seite im Pathos sittlicher Ent¬
rüstung die hohe Phrase vom "Vermächtnis; Lessings" unter das Volk zu werfen
^'ugt, um geistig unmündige zu schrecken, und Toleranz predigt in einem Tone,
aller Toleranz Hohn spricht? Da ist es um der Zeit, ernste Verwahrung
egen gegen den unerhörten Mißbrauch, der mit dem Namen Lessings ge¬
geben wird. Dieser Name, den Nur mit Stolz und mit Ehrfurcht zugleich
""ssprechen, sollen Nur eS dulde", daß er einem Theile unserer Nation entfremdet,
er zum Schiboleth einer Partei gemacht wird? lind mit welchem Rechte
°M gemacht wird?



"nzvok'u I, 1881.


^) Z ur SNcularsoier vo" Lessings
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Lessingstudien.*)
von Gustav Buch holz.

ii den Parteikämpfen unsrer Tage ertönt kein Name häufiger
als der Lessings. Sollen wir uns dessen freuen, sollen wir es
bedauern? Viel gepriesen und viel geschmäht zu werden war ja
stets das Schicksal dieses streitbaren Mannes, zu seinen Lebzeiten
so gut wie bei den nachfolgenden Geschlechtern, Aber wenn jetzt
der Säeulartag seines Todes heranrückt und die Nation »nciniger als je findet
in der Würdigung der Grundanschauung seines Geistes, so ist das im Interesse
unsers Volkslebens tief zu beklagen, ES ist ein schlimmes Zeichen, wenn ein
Volk über dem Erbe seiner großen Männer hadert. Und wohin anders soll es
fuhren, wenn sich Stimmen unter uns erheben dürfen — glücklicher Weise bisher
noch vereinzelt —, welche die Manen dieses edlen Mannes muss Schimpflichste
l'chidelu. und wenn man gar auf der andern Seite im Pathos sittlicher Ent¬
rüstung die hohe Phrase vom „Vermächtnis; Lessings" unter das Volk zu werfen
^'ugt, um geistig unmündige zu schrecken, und Toleranz predigt in einem Tone,
aller Toleranz Hohn spricht? Da ist es um der Zeit, ernste Verwahrung
egen gegen den unerhörten Mißbrauch, der mit dem Namen Lessings ge¬
geben wird. Dieser Name, den Nur mit Stolz und mit Ehrfurcht zugleich
""ssprechen, sollen Nur eS dulde», daß er einem Theile unserer Nation entfremdet,
er zum Schiboleth einer Partei gemacht wird? lind mit welchem Rechte
°M gemacht wird?



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[0241] [Abbildung] Lessingstudien.*) von Gustav Buch holz. ii den Parteikämpfen unsrer Tage ertönt kein Name häufiger als der Lessings. Sollen wir uns dessen freuen, sollen wir es bedauern? Viel gepriesen und viel geschmäht zu werden war ja stets das Schicksal dieses streitbaren Mannes, zu seinen Lebzeiten so gut wie bei den nachfolgenden Geschlechtern, Aber wenn jetzt der Säeulartag seines Todes heranrückt und die Nation »nciniger als je findet in der Würdigung der Grundanschauung seines Geistes, so ist das im Interesse unsers Volkslebens tief zu beklagen, ES ist ein schlimmes Zeichen, wenn ein Volk über dem Erbe seiner großen Männer hadert. Und wohin anders soll es fuhren, wenn sich Stimmen unter uns erheben dürfen — glücklicher Weise bisher noch vereinzelt —, welche die Manen dieses edlen Mannes muss Schimpflichste l'chidelu. und wenn man gar auf der andern Seite im Pathos sittlicher Ent¬ rüstung die hohe Phrase vom „Vermächtnis; Lessings" unter das Volk zu werfen ^'ugt, um geistig unmündige zu schrecken, und Toleranz predigt in einem Tone, aller Toleranz Hohn spricht? Da ist es um der Zeit, ernste Verwahrung egen gegen den unerhörten Mißbrauch, der mit dem Namen Lessings ge¬ geben wird. Dieser Name, den Nur mit Stolz und mit Ehrfurcht zugleich ""ssprechen, sollen Nur eS dulde», daß er einem Theile unserer Nation entfremdet, er zum Schiboleth einer Partei gemacht wird? lind mit welchem Rechte °M gemacht wird? "nzvok'u I, 1881. ^) Z ur SNcularsoier vo» Lessings "''5odMn>i,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/241>, abgerufen am 28.04.2024.