Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die destructiven Elemente im Staate,

ausschloß. Wer aber einmal zum vollen Verständniß Emilias und auch Odoardos
und damit zur Würdigung der viel und hart nngefvchtnen Katastrophe vorgedrungen
ist, der wird, glaube ich, nie müde werden, den Dichter gerade auch in der Zeich¬
nung dieser beiden Charaktere und in der Motivirung und Herbeiführung der
Katastrophe zu bewundern.




Die destructiven Elemente im Staate.
von <Luno Stommel. (Schluß,)

roßen staatspolitische" Irrthümer", welche den Staat in Wider¬
spruch setzen mit dem gewaltigen Gange der göttlichen d. h. der
geschichtlichen und der sittlichen Vernunft, begegnen wir auch in
den übrigen Ländern Europas. Auch dort sind sie Veranlassung
zur Entfaltung destrnetiver Ideen. In Frankreich herrschte z. V.
lange Zeit der Irrthum des Weltreiches Napoleons des Ersten. Wer weiß, daß
das Sittliche im Staat, die "Idee des Staats" etwas Metaphysisches ist.
welches bestrebt ist, sich in sinnlichen Formen zu verwirklichen, der kann auf die
Geschichte der napoleoniden nur mit Trauer, um nicht zu sagen mit Entsetzen
blicken. Wie viel Kraft und Menschenglück, welcher Aufwand an Scharfsinn und
verzehrender Arbeit ist dort angewendet worden, um doch schließlich als vergeblich
erkannt zu werden. Der meteorähnliche Glanz des napoleonischen Gestirns und
sein jähes Verlöschen, das Märchen des blinden Glücks, welches den armen
Unterlieutenant zum Eidam gekrönter Häupter, zum Kaiser der Franzosen erhob,
der Ruhm, der die Befreiung der Welt im Munde führte, und mit der Knecht¬
schaft der Völker endete, die Begeisterung einer ganzen Nation für das vermeint¬
liche Vaterland, während der Egoismus eines Ausländers die Blüthe einer
Generation nach der andern zur Schlachtbank führte, das waren Schicksale, in
Welchen ein beschränktes Urtheil mir die Wechselfälle irdischen Glücks zu sehen
glaubt, in welchen die Geschichte aber die Verquickung von Schuld und Irrthum
erkennt, die sich freventlich auflehnen gegen die göttlichen Gebote, gegen die Ver-


Die destructiven Elemente im Staate,

ausschloß. Wer aber einmal zum vollen Verständniß Emilias und auch Odoardos
und damit zur Würdigung der viel und hart nngefvchtnen Katastrophe vorgedrungen
ist, der wird, glaube ich, nie müde werden, den Dichter gerade auch in der Zeich¬
nung dieser beiden Charaktere und in der Motivirung und Herbeiführung der
Katastrophe zu bewundern.




Die destructiven Elemente im Staate.
von <Luno Stommel. (Schluß,)

roßen staatspolitische» Irrthümer», welche den Staat in Wider¬
spruch setzen mit dem gewaltigen Gange der göttlichen d. h. der
geschichtlichen und der sittlichen Vernunft, begegnen wir auch in
den übrigen Ländern Europas. Auch dort sind sie Veranlassung
zur Entfaltung destrnetiver Ideen. In Frankreich herrschte z. V.
lange Zeit der Irrthum des Weltreiches Napoleons des Ersten. Wer weiß, daß
das Sittliche im Staat, die „Idee des Staats" etwas Metaphysisches ist.
welches bestrebt ist, sich in sinnlichen Formen zu verwirklichen, der kann auf die
Geschichte der napoleoniden nur mit Trauer, um nicht zu sagen mit Entsetzen
blicken. Wie viel Kraft und Menschenglück, welcher Aufwand an Scharfsinn und
verzehrender Arbeit ist dort angewendet worden, um doch schließlich als vergeblich
erkannt zu werden. Der meteorähnliche Glanz des napoleonischen Gestirns und
sein jähes Verlöschen, das Märchen des blinden Glücks, welches den armen
Unterlieutenant zum Eidam gekrönter Häupter, zum Kaiser der Franzosen erhob,
der Ruhm, der die Befreiung der Welt im Munde führte, und mit der Knecht¬
schaft der Völker endete, die Begeisterung einer ganzen Nation für das vermeint¬
liche Vaterland, während der Egoismus eines Ausländers die Blüthe einer
Generation nach der andern zur Schlachtbank führte, das waren Schicksale, in
Welchen ein beschränktes Urtheil mir die Wechselfälle irdischen Glücks zu sehen
glaubt, in welchen die Geschichte aber die Verquickung von Schuld und Irrthum
erkennt, die sich freventlich auflehnen gegen die göttlichen Gebote, gegen die Ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149339"/>
          <fw type="header" place="top"> Die destructiven Elemente im Staate,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_984" prev="#ID_983"> ausschloß. Wer aber einmal zum vollen Verständniß Emilias und auch Odoardos<lb/>
und damit zur Würdigung der viel und hart nngefvchtnen Katastrophe vorgedrungen<lb/>
ist, der wird, glaube ich, nie müde werden, den Dichter gerade auch in der Zeich¬<lb/>
nung dieser beiden Charaktere und in der Motivirung und Herbeiführung der<lb/>
Katastrophe zu bewundern.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die destructiven Elemente im Staate.<lb/><note type="byline"> von &lt;Luno Stommel.</note> (Schluß,)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_985" next="#ID_986"> roßen staatspolitische» Irrthümer», welche den Staat in Wider¬<lb/>
spruch setzen mit dem gewaltigen Gange der göttlichen d. h. der<lb/>
geschichtlichen und der sittlichen Vernunft, begegnen wir auch in<lb/>
den übrigen Ländern Europas. Auch dort sind sie Veranlassung<lb/>
zur Entfaltung destrnetiver Ideen. In Frankreich herrschte z. V.<lb/>
lange Zeit der Irrthum des Weltreiches Napoleons des Ersten. Wer weiß, daß<lb/>
das Sittliche im Staat, die &#x201E;Idee des Staats" etwas Metaphysisches ist.<lb/>
welches bestrebt ist, sich in sinnlichen Formen zu verwirklichen, der kann auf die<lb/>
Geschichte der napoleoniden nur mit Trauer, um nicht zu sagen mit Entsetzen<lb/>
blicken. Wie viel Kraft und Menschenglück, welcher Aufwand an Scharfsinn und<lb/>
verzehrender Arbeit ist dort angewendet worden, um doch schließlich als vergeblich<lb/>
erkannt zu werden. Der meteorähnliche Glanz des napoleonischen Gestirns und<lb/>
sein jähes Verlöschen, das Märchen des blinden Glücks, welches den armen<lb/>
Unterlieutenant zum Eidam gekrönter Häupter, zum Kaiser der Franzosen erhob,<lb/>
der Ruhm, der die Befreiung der Welt im Munde führte, und mit der Knecht¬<lb/>
schaft der Völker endete, die Begeisterung einer ganzen Nation für das vermeint¬<lb/>
liche Vaterland, während der Egoismus eines Ausländers die Blüthe einer<lb/>
Generation nach der andern zur Schlachtbank führte, das waren Schicksale, in<lb/>
Welchen ein beschränktes Urtheil mir die Wechselfälle irdischen Glücks zu sehen<lb/>
glaubt, in welchen die Geschichte aber die Verquickung von Schuld und Irrthum<lb/>
erkennt, die sich freventlich auflehnen gegen die göttlichen Gebote, gegen die Ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0355] Die destructiven Elemente im Staate, ausschloß. Wer aber einmal zum vollen Verständniß Emilias und auch Odoardos und damit zur Würdigung der viel und hart nngefvchtnen Katastrophe vorgedrungen ist, der wird, glaube ich, nie müde werden, den Dichter gerade auch in der Zeich¬ nung dieser beiden Charaktere und in der Motivirung und Herbeiführung der Katastrophe zu bewundern. Die destructiven Elemente im Staate. von <Luno Stommel. (Schluß,) roßen staatspolitische» Irrthümer», welche den Staat in Wider¬ spruch setzen mit dem gewaltigen Gange der göttlichen d. h. der geschichtlichen und der sittlichen Vernunft, begegnen wir auch in den übrigen Ländern Europas. Auch dort sind sie Veranlassung zur Entfaltung destrnetiver Ideen. In Frankreich herrschte z. V. lange Zeit der Irrthum des Weltreiches Napoleons des Ersten. Wer weiß, daß das Sittliche im Staat, die „Idee des Staats" etwas Metaphysisches ist. welches bestrebt ist, sich in sinnlichen Formen zu verwirklichen, der kann auf die Geschichte der napoleoniden nur mit Trauer, um nicht zu sagen mit Entsetzen blicken. Wie viel Kraft und Menschenglück, welcher Aufwand an Scharfsinn und verzehrender Arbeit ist dort angewendet worden, um doch schließlich als vergeblich erkannt zu werden. Der meteorähnliche Glanz des napoleonischen Gestirns und sein jähes Verlöschen, das Märchen des blinden Glücks, welches den armen Unterlieutenant zum Eidam gekrönter Häupter, zum Kaiser der Franzosen erhob, der Ruhm, der die Befreiung der Welt im Munde führte, und mit der Knecht¬ schaft der Völker endete, die Begeisterung einer ganzen Nation für das vermeint¬ liche Vaterland, während der Egoismus eines Ausländers die Blüthe einer Generation nach der andern zur Schlachtbank führte, das waren Schicksale, in Welchen ein beschränktes Urtheil mir die Wechselfälle irdischen Glücks zu sehen glaubt, in welchen die Geschichte aber die Verquickung von Schuld und Irrthum erkennt, die sich freventlich auflehnen gegen die göttlichen Gebote, gegen die Ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/355
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/355>, abgerufen am 29.04.2024.