Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Bcrtuchs Briefe an Gleim.

Publimm vorzuführen, heißt die Physiognomie eines Stückes verwischen, dessen
ganze Haltung sich über alle heutzutage geltenden Rücksichten dreist hinwegsetzt.

Ucberragt werden Ariost und Bibbiena im komischen Fache von Maechiavelli.
der im Unmuth über die kläglichen Zeitverhältnisse geistige Ablenkung suchend,
zu verschiednen Malen den Soccus anlegte. Die wegen ihres Inhalts berüch¬
tigte "Mandragola" muß vom rein künstlerischen Standpunkte aus betrachtet ob
ihres vortrefflichen Ausbaues und der scharfen Charakteristik, namentlich des
geradezu meisterhaft gezeichneten Pater Timoteo, als die bedeutendste Leistung in
der Geschichte der italienischen Komödie gelten. Ganz besonderes Interesse darf
sie auch deshalb beanspruche", weil sie nicht etwa wie die "Clizia" desselben
Verfassers nach römischem Muster gearbeitet ist, sondern durchaus auf eigner
Erfindung beruht, die allerdings vielleicht, wenn man der Tradition glauben
darf, an einen wirklichen Vorfall anknüpfte. Wir begegnen hier dem Versuche
eines berufnen Talents, die Komödie von den Fesseln der gelehrten Richtung
zu befreien, einem Bestreben, welches von Pietro Aretino weiter verfolgt wurde.
Dieser zeigt in seinen fünf Lustspielen, die sämmtlich, nicht eben wählerisch, aus
dem Leben und Treiben der Mitwelt schöpfen, bei aller Regellosigkeit und Jn-
decenz eine Originalität der Erfindung und ein Gestaltungsvermögeu, aus den:
sich ahnen läßt, wie fruchtbar die Verschmelzung der oommsäia eruäitit mit der
Volkskomödie hätte werden können, wenn sich eine mit wahrer künstlerischer Bil¬
dung ausgerüstete Kraft für diese Aufgabe gefunden hätte. Jedenfalls waren
auf dem Gebiete der Komödie die Ansätze vorhanden, um das, was die gelehrte
Dichtung innerhalb der übrigen Gattungen nicht vermochte, zu erreichen und
durch das Studium des classischen Alterthums eine thatsächliche Förderung, eine
wesentliche Bereicherung der nationalen Literatur herbeizuführen.




Vertuchs Briefe an Gleim.
Zur Geschichte des Weimarer Hofes beim Regierungsantritte Carl Augusts.
Mitgetheilt von Heinrich pröhle.

riedrich Justin Bertuch war am 30. September 1747 als
Sohn eines Arztes zu Weimar geboren. Durch den Tod seines
Vaters - derselbe starb am 3. April 1755, 75 Jahre alt -- früh
verwaist, wuchs er in dem Hause eines thüringischen Predigers
auf, mit dem die Mutter sich wieder verheirathet hatte. Er studirte
dann in Jena zuerst Theologie, später Jurisprudenz.


Bcrtuchs Briefe an Gleim.

Publimm vorzuführen, heißt die Physiognomie eines Stückes verwischen, dessen
ganze Haltung sich über alle heutzutage geltenden Rücksichten dreist hinwegsetzt.

Ucberragt werden Ariost und Bibbiena im komischen Fache von Maechiavelli.
der im Unmuth über die kläglichen Zeitverhältnisse geistige Ablenkung suchend,
zu verschiednen Malen den Soccus anlegte. Die wegen ihres Inhalts berüch¬
tigte „Mandragola" muß vom rein künstlerischen Standpunkte aus betrachtet ob
ihres vortrefflichen Ausbaues und der scharfen Charakteristik, namentlich des
geradezu meisterhaft gezeichneten Pater Timoteo, als die bedeutendste Leistung in
der Geschichte der italienischen Komödie gelten. Ganz besonderes Interesse darf
sie auch deshalb beanspruche», weil sie nicht etwa wie die „Clizia" desselben
Verfassers nach römischem Muster gearbeitet ist, sondern durchaus auf eigner
Erfindung beruht, die allerdings vielleicht, wenn man der Tradition glauben
darf, an einen wirklichen Vorfall anknüpfte. Wir begegnen hier dem Versuche
eines berufnen Talents, die Komödie von den Fesseln der gelehrten Richtung
zu befreien, einem Bestreben, welches von Pietro Aretino weiter verfolgt wurde.
Dieser zeigt in seinen fünf Lustspielen, die sämmtlich, nicht eben wählerisch, aus
dem Leben und Treiben der Mitwelt schöpfen, bei aller Regellosigkeit und Jn-
decenz eine Originalität der Erfindung und ein Gestaltungsvermögeu, aus den:
sich ahnen läßt, wie fruchtbar die Verschmelzung der oommsäia eruäitit mit der
Volkskomödie hätte werden können, wenn sich eine mit wahrer künstlerischer Bil¬
dung ausgerüstete Kraft für diese Aufgabe gefunden hätte. Jedenfalls waren
auf dem Gebiete der Komödie die Ansätze vorhanden, um das, was die gelehrte
Dichtung innerhalb der übrigen Gattungen nicht vermochte, zu erreichen und
durch das Studium des classischen Alterthums eine thatsächliche Förderung, eine
wesentliche Bereicherung der nationalen Literatur herbeizuführen.




Vertuchs Briefe an Gleim.
Zur Geschichte des Weimarer Hofes beim Regierungsantritte Carl Augusts.
Mitgetheilt von Heinrich pröhle.

riedrich Justin Bertuch war am 30. September 1747 als
Sohn eines Arztes zu Weimar geboren. Durch den Tod seines
Vaters - derselbe starb am 3. April 1755, 75 Jahre alt — früh
verwaist, wuchs er in dem Hause eines thüringischen Predigers
auf, mit dem die Mutter sich wieder verheirathet hatte. Er studirte
dann in Jena zuerst Theologie, später Jurisprudenz.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149423"/>
          <fw type="header" place="top"> Bcrtuchs Briefe an Gleim.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1196" prev="#ID_1195"> Publimm vorzuführen, heißt die Physiognomie eines Stückes verwischen, dessen<lb/>
ganze Haltung sich über alle heutzutage geltenden Rücksichten dreist hinwegsetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1197"> Ucberragt werden Ariost und Bibbiena im komischen Fache von Maechiavelli.<lb/>
der im Unmuth über die kläglichen Zeitverhältnisse geistige Ablenkung suchend,<lb/>
zu verschiednen Malen den Soccus anlegte. Die wegen ihres Inhalts berüch¬<lb/>
tigte &#x201E;Mandragola" muß vom rein künstlerischen Standpunkte aus betrachtet ob<lb/>
ihres vortrefflichen Ausbaues und der scharfen Charakteristik, namentlich des<lb/>
geradezu meisterhaft gezeichneten Pater Timoteo, als die bedeutendste Leistung in<lb/>
der Geschichte der italienischen Komödie gelten. Ganz besonderes Interesse darf<lb/>
sie auch deshalb beanspruche», weil sie nicht etwa wie die &#x201E;Clizia" desselben<lb/>
Verfassers nach römischem Muster gearbeitet ist, sondern durchaus auf eigner<lb/>
Erfindung beruht, die allerdings vielleicht, wenn man der Tradition glauben<lb/>
darf, an einen wirklichen Vorfall anknüpfte. Wir begegnen hier dem Versuche<lb/>
eines berufnen Talents, die Komödie von den Fesseln der gelehrten Richtung<lb/>
zu befreien, einem Bestreben, welches von Pietro Aretino weiter verfolgt wurde.<lb/>
Dieser zeigt in seinen fünf Lustspielen, die sämmtlich, nicht eben wählerisch, aus<lb/>
dem Leben und Treiben der Mitwelt schöpfen, bei aller Regellosigkeit und Jn-<lb/>
decenz eine Originalität der Erfindung und ein Gestaltungsvermögeu, aus den:<lb/>
sich ahnen läßt, wie fruchtbar die Verschmelzung der oommsäia eruäitit mit der<lb/>
Volkskomödie hätte werden können, wenn sich eine mit wahrer künstlerischer Bil¬<lb/>
dung ausgerüstete Kraft für diese Aufgabe gefunden hätte. Jedenfalls waren<lb/>
auf dem Gebiete der Komödie die Ansätze vorhanden, um das, was die gelehrte<lb/>
Dichtung innerhalb der übrigen Gattungen nicht vermochte, zu erreichen und<lb/>
durch das Studium des classischen Alterthums eine thatsächliche Förderung, eine<lb/>
wesentliche Bereicherung der nationalen Literatur herbeizuführen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Vertuchs Briefe an Gleim.<lb/>
Zur Geschichte des Weimarer Hofes beim Regierungsantritte Carl Augusts.<lb/><note type="byline"> Mitgetheilt von Heinrich pröhle.</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_1198"> riedrich Justin Bertuch war am 30. September 1747 als<lb/>
Sohn eines Arztes zu Weimar geboren. Durch den Tod seines<lb/>
Vaters - derselbe starb am 3. April 1755, 75 Jahre alt &#x2014; früh<lb/>
verwaist, wuchs er in dem Hause eines thüringischen Predigers<lb/>
auf, mit dem die Mutter sich wieder verheirathet hatte. Er studirte<lb/>
dann in Jena zuerst Theologie, später Jurisprudenz.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0439] Bcrtuchs Briefe an Gleim. Publimm vorzuführen, heißt die Physiognomie eines Stückes verwischen, dessen ganze Haltung sich über alle heutzutage geltenden Rücksichten dreist hinwegsetzt. Ucberragt werden Ariost und Bibbiena im komischen Fache von Maechiavelli. der im Unmuth über die kläglichen Zeitverhältnisse geistige Ablenkung suchend, zu verschiednen Malen den Soccus anlegte. Die wegen ihres Inhalts berüch¬ tigte „Mandragola" muß vom rein künstlerischen Standpunkte aus betrachtet ob ihres vortrefflichen Ausbaues und der scharfen Charakteristik, namentlich des geradezu meisterhaft gezeichneten Pater Timoteo, als die bedeutendste Leistung in der Geschichte der italienischen Komödie gelten. Ganz besonderes Interesse darf sie auch deshalb beanspruche», weil sie nicht etwa wie die „Clizia" desselben Verfassers nach römischem Muster gearbeitet ist, sondern durchaus auf eigner Erfindung beruht, die allerdings vielleicht, wenn man der Tradition glauben darf, an einen wirklichen Vorfall anknüpfte. Wir begegnen hier dem Versuche eines berufnen Talents, die Komödie von den Fesseln der gelehrten Richtung zu befreien, einem Bestreben, welches von Pietro Aretino weiter verfolgt wurde. Dieser zeigt in seinen fünf Lustspielen, die sämmtlich, nicht eben wählerisch, aus dem Leben und Treiben der Mitwelt schöpfen, bei aller Regellosigkeit und Jn- decenz eine Originalität der Erfindung und ein Gestaltungsvermögeu, aus den: sich ahnen läßt, wie fruchtbar die Verschmelzung der oommsäia eruäitit mit der Volkskomödie hätte werden können, wenn sich eine mit wahrer künstlerischer Bil¬ dung ausgerüstete Kraft für diese Aufgabe gefunden hätte. Jedenfalls waren auf dem Gebiete der Komödie die Ansätze vorhanden, um das, was die gelehrte Dichtung innerhalb der übrigen Gattungen nicht vermochte, zu erreichen und durch das Studium des classischen Alterthums eine thatsächliche Förderung, eine wesentliche Bereicherung der nationalen Literatur herbeizuführen. Vertuchs Briefe an Gleim. Zur Geschichte des Weimarer Hofes beim Regierungsantritte Carl Augusts. Mitgetheilt von Heinrich pröhle. riedrich Justin Bertuch war am 30. September 1747 als Sohn eines Arztes zu Weimar geboren. Durch den Tod seines Vaters - derselbe starb am 3. April 1755, 75 Jahre alt — früh verwaist, wuchs er in dem Hause eines thüringischen Predigers auf, mit dem die Mutter sich wieder verheirathet hatte. Er studirte dann in Jena zuerst Theologie, später Jurisprudenz.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/439
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/439>, abgerufen am 28.04.2024.