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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Als Erzieher der Söhne des Freiherrn Bachof von Echt auf dem Gute
Roinschütz bei Altenburg, der als dänischer Gesandter und Geheimerath in Madrid
gelebt hatte und eine treffliche Sammlung der spanischen Classiker besaß, wurde
er sowohl durch den Freiherrn selbst als durch einen Kammerdiener mit spanischer
Sprache, Literatur und Sitte bekannt. So kam es, daß er später wenn auch
nicht die erste, so doch die erste gute Uebersetzung des Don Quixote liefern konnte.
Wie Hannibal durch den Marsch in den ausgetretenen Gewässern Oberitaliens
ein Auge verlor, so behauptete Bertuch etwas übertrieben, daß der Fleiß beim
Don Quixote ihn sein rechtes Auge gekostet habe. Bei Abfassung dieser Be¬
arbeitung war er aber auch schon durch Wieland angeregt. Wielands Roman
Don Silvio von Rosalva diente ihm sonderbarer Weise neben Cervantes und
Avellaneda als Muster. Die Uebersetzung erschien 1775 und 1776. Bertuch
wohnte damals zu Weimar in einem Hause, wo er besonders an Werkeltagen
die Krämer und Käufer belauschen konnte. Er benutzte dies, um viele spanische
Redensarten dnrch deutsche zu ersetzen, die dem Handel und Verkehr in Deutsch¬
land abgelauscht waren.

Aber die Anregungen, die er im Altenburgischen empfing, beschränkten sich
wohl nicht auf den Don Quixote. Gab er doch schon 1771 während der Alten¬
burgischen Periode selbst unter dem Titel "Heinrich und Emma" eine Nachbildung
von dem nußbrauner Mädchens des Dichters Prior heraus. Auch seine Ver¬
bindung mit Christian Felix Weisse**) stammt wohl schon aus der Sachscn-
Altenburgischen Periode.

In: Jahre 1773 kehrte Bertuch nach Weimar zurück, wo er nach dem Tode
seines Stiefvaters schon die Schule besucht hatte. Hier hatte Wieland 1773
den Deutschen Merkur gegründet. Bertuch wurde sehr bald Mitarbeiter, nach
und nach aber Mitredacteur, Expedient und Verleger desselben. Abgesehen von
dem Buchhändler Nicolai war er der einzige Schriftsteller des 18. Jahrhunderts,
der vom Selbstverlage zum schwungvollen Betriebe des Buchhandels überging.
Von dem Schcmspieldireetor Seiler, mit dem er zunächst durch Abfassung oder
Uebersetzung von Singspielen in Verbindung stand, hatte er die Buchführung
erlernt. Weder bei Klopstock und Lessing noch selbst bei Bode scheint dies der
Fall gewesen zu sein, und recht im Gegensatze zu Bertuch, aus dessen Unter¬
nehmungen 1791 das Jndustriecomptoir zu Weimar hervorging, wurden die in
Gleims Selbstverlage erschienenen Schriften später nur noch verschenkt. Bertuchs
Vorschläge für ihren regelrechten Vertrieb blieben, ebenso wie vielfache ander-




*) Man wird bei diesem Namen an das nußbraune Mädchen bei Goethe erinnert.
**) Berge. Minor, Bertuch an Weisse im Archiv für Literaturgesch. 1380. S. 434-437.

Als Erzieher der Söhne des Freiherrn Bachof von Echt auf dem Gute
Roinschütz bei Altenburg, der als dänischer Gesandter und Geheimerath in Madrid
gelebt hatte und eine treffliche Sammlung der spanischen Classiker besaß, wurde
er sowohl durch den Freiherrn selbst als durch einen Kammerdiener mit spanischer
Sprache, Literatur und Sitte bekannt. So kam es, daß er später wenn auch
nicht die erste, so doch die erste gute Uebersetzung des Don Quixote liefern konnte.
Wie Hannibal durch den Marsch in den ausgetretenen Gewässern Oberitaliens
ein Auge verlor, so behauptete Bertuch etwas übertrieben, daß der Fleiß beim
Don Quixote ihn sein rechtes Auge gekostet habe. Bei Abfassung dieser Be¬
arbeitung war er aber auch schon durch Wieland angeregt. Wielands Roman
Don Silvio von Rosalva diente ihm sonderbarer Weise neben Cervantes und
Avellaneda als Muster. Die Uebersetzung erschien 1775 und 1776. Bertuch
wohnte damals zu Weimar in einem Hause, wo er besonders an Werkeltagen
die Krämer und Käufer belauschen konnte. Er benutzte dies, um viele spanische
Redensarten dnrch deutsche zu ersetzen, die dem Handel und Verkehr in Deutsch¬
land abgelauscht waren.

Aber die Anregungen, die er im Altenburgischen empfing, beschränkten sich
wohl nicht auf den Don Quixote. Gab er doch schon 1771 während der Alten¬
burgischen Periode selbst unter dem Titel „Heinrich und Emma" eine Nachbildung
von dem nußbrauner Mädchens des Dichters Prior heraus. Auch seine Ver¬
bindung mit Christian Felix Weisse**) stammt wohl schon aus der Sachscn-
Altenburgischen Periode.

In: Jahre 1773 kehrte Bertuch nach Weimar zurück, wo er nach dem Tode
seines Stiefvaters schon die Schule besucht hatte. Hier hatte Wieland 1773
den Deutschen Merkur gegründet. Bertuch wurde sehr bald Mitarbeiter, nach
und nach aber Mitredacteur, Expedient und Verleger desselben. Abgesehen von
dem Buchhändler Nicolai war er der einzige Schriftsteller des 18. Jahrhunderts,
der vom Selbstverlage zum schwungvollen Betriebe des Buchhandels überging.
Von dem Schcmspieldireetor Seiler, mit dem er zunächst durch Abfassung oder
Uebersetzung von Singspielen in Verbindung stand, hatte er die Buchführung
erlernt. Weder bei Klopstock und Lessing noch selbst bei Bode scheint dies der
Fall gewesen zu sein, und recht im Gegensatze zu Bertuch, aus dessen Unter¬
nehmungen 1791 das Jndustriecomptoir zu Weimar hervorging, wurden die in
Gleims Selbstverlage erschienenen Schriften später nur noch verschenkt. Bertuchs
Vorschläge für ihren regelrechten Vertrieb blieben, ebenso wie vielfache ander-




*) Man wird bei diesem Namen an das nußbraune Mädchen bei Goethe erinnert.
**) Berge. Minor, Bertuch an Weisse im Archiv für Literaturgesch. 1380. S. 434-437.
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[0440] Als Erzieher der Söhne des Freiherrn Bachof von Echt auf dem Gute Roinschütz bei Altenburg, der als dänischer Gesandter und Geheimerath in Madrid gelebt hatte und eine treffliche Sammlung der spanischen Classiker besaß, wurde er sowohl durch den Freiherrn selbst als durch einen Kammerdiener mit spanischer Sprache, Literatur und Sitte bekannt. So kam es, daß er später wenn auch nicht die erste, so doch die erste gute Uebersetzung des Don Quixote liefern konnte. Wie Hannibal durch den Marsch in den ausgetretenen Gewässern Oberitaliens ein Auge verlor, so behauptete Bertuch etwas übertrieben, daß der Fleiß beim Don Quixote ihn sein rechtes Auge gekostet habe. Bei Abfassung dieser Be¬ arbeitung war er aber auch schon durch Wieland angeregt. Wielands Roman Don Silvio von Rosalva diente ihm sonderbarer Weise neben Cervantes und Avellaneda als Muster. Die Uebersetzung erschien 1775 und 1776. Bertuch wohnte damals zu Weimar in einem Hause, wo er besonders an Werkeltagen die Krämer und Käufer belauschen konnte. Er benutzte dies, um viele spanische Redensarten dnrch deutsche zu ersetzen, die dem Handel und Verkehr in Deutsch¬ land abgelauscht waren. Aber die Anregungen, die er im Altenburgischen empfing, beschränkten sich wohl nicht auf den Don Quixote. Gab er doch schon 1771 während der Alten¬ burgischen Periode selbst unter dem Titel „Heinrich und Emma" eine Nachbildung von dem nußbrauner Mädchens des Dichters Prior heraus. Auch seine Ver¬ bindung mit Christian Felix Weisse**) stammt wohl schon aus der Sachscn- Altenburgischen Periode. In: Jahre 1773 kehrte Bertuch nach Weimar zurück, wo er nach dem Tode seines Stiefvaters schon die Schule besucht hatte. Hier hatte Wieland 1773 den Deutschen Merkur gegründet. Bertuch wurde sehr bald Mitarbeiter, nach und nach aber Mitredacteur, Expedient und Verleger desselben. Abgesehen von dem Buchhändler Nicolai war er der einzige Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, der vom Selbstverlage zum schwungvollen Betriebe des Buchhandels überging. Von dem Schcmspieldireetor Seiler, mit dem er zunächst durch Abfassung oder Uebersetzung von Singspielen in Verbindung stand, hatte er die Buchführung erlernt. Weder bei Klopstock und Lessing noch selbst bei Bode scheint dies der Fall gewesen zu sein, und recht im Gegensatze zu Bertuch, aus dessen Unter¬ nehmungen 1791 das Jndustriecomptoir zu Weimar hervorging, wurden die in Gleims Selbstverlage erschienenen Schriften später nur noch verschenkt. Bertuchs Vorschläge für ihren regelrechten Vertrieb blieben, ebenso wie vielfache ander- *) Man wird bei diesem Namen an das nußbraune Mädchen bei Goethe erinnert. **) Berge. Minor, Bertuch an Weisse im Archiv für Literaturgesch. 1380. S. 434-437.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/440>, abgerufen am 14.05.2024.