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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Schlicnianns Ilios

Zeugnisse seiner Thätigkeit, theilweiser Erfolge, theilweiser Niederlagen. Ob
er irgend einem andern Beruf neben der Schriftstellers angehörte, ist nicht nach¬
zuweisen. Von 1621 tritt er in den Vordergrund, von 1623, wo die Tragödie
"Der Herzog von Mailand" erschien, wurde er den besten Namen hinzugezählt,
etwa seit 1630, wo die Rivalen und Genossen Shakespeares einer nach dein
andern geschieden waren und Ben Jonsons Kraft durch Alter und Krankheit
erlahmte, galt er als die bedeutendste Dichterkraft, kurz vor dem Untergang des
altenglischen Theaters starb er "in seinem Hause" Bankside und ward am 18. März
1639 beerdigt. Es scheint, daß er als Katholik starb; er müßte in diesem Falle
während seines Lebens zur alten Kirche übergetreten sein. Massingcrs Werke
zeigen deutlich, daß der Zug der Zeit mehr "ach einem rhetorischen Drama zu
gehen begann; aber welche Lebensfülle, welcher Kern wirklicher Handlung und
Menschendarstellung ist neben der rhetorischen Diction in eben diesen Werken
noch bewahrt! Alles in allem ergiebt sich klar, daß es keine ansgelebte und
überlebte Kunst war, welcher die Parlamentsediete von 1642 und 1647 mit
dem Verbot der Theater ihren natürlichen Boden entzogen.




Schliemanns Ilios."

erade ein Jahrzehnt ist verflossen, seit Heinrich Schliemann den
ersten Spatenstich auf dem Burgberge von Hissarlik in der Ebene
von Troas gethan Hot. Nachdem seine ersten Ausgrabungen in
den Jahren 1871--73 reiche materielle Resultate erzielt hatte",
nahm er sie 1878 wieder auf und machte bis zum Jahre 1879 von
neuem zahlreiche, wenn auch minder werthvolle Funde, die er dann mit den frühern
noch England hinüberschaffte, wo sie längere Zeit im Keusingtomnuseum in London
ausgestellt waren. Als im Januar dieses Jahres zuerst das Gerücht nach Deutsch-



*) Nachdem wir im 9. Hefte d. Bl. einen Aussatz gebracht: "Schlicmcmus Trojanische Samm¬
lung", der lediglich den Zweck verfolgte, ans die Bedeutung der Schliemannschcn Schenkung
hinzuweisen und seine Verdienste um die Wissenschaft gegen die Spöttereien Urtheilsloser
sicherzustellen, schließen wir diesem Aufsatze einen zweiten an, der sich mit der neuesten volu¬
minösen Publiention Schliemauus beschäftigt. Es liegt auf der Hand, daß dieser zweite
D, R. Artikel einen wesentlich andern Standpunkt einnehmen muß als der erste.
Schlicnianns Ilios

Zeugnisse seiner Thätigkeit, theilweiser Erfolge, theilweiser Niederlagen. Ob
er irgend einem andern Beruf neben der Schriftstellers angehörte, ist nicht nach¬
zuweisen. Von 1621 tritt er in den Vordergrund, von 1623, wo die Tragödie
„Der Herzog von Mailand" erschien, wurde er den besten Namen hinzugezählt,
etwa seit 1630, wo die Rivalen und Genossen Shakespeares einer nach dein
andern geschieden waren und Ben Jonsons Kraft durch Alter und Krankheit
erlahmte, galt er als die bedeutendste Dichterkraft, kurz vor dem Untergang des
altenglischen Theaters starb er „in seinem Hause" Bankside und ward am 18. März
1639 beerdigt. Es scheint, daß er als Katholik starb; er müßte in diesem Falle
während seines Lebens zur alten Kirche übergetreten sein. Massingcrs Werke
zeigen deutlich, daß der Zug der Zeit mehr »ach einem rhetorischen Drama zu
gehen begann; aber welche Lebensfülle, welcher Kern wirklicher Handlung und
Menschendarstellung ist neben der rhetorischen Diction in eben diesen Werken
noch bewahrt! Alles in allem ergiebt sich klar, daß es keine ansgelebte und
überlebte Kunst war, welcher die Parlamentsediete von 1642 und 1647 mit
dem Verbot der Theater ihren natürlichen Boden entzogen.




Schliemanns Ilios."

erade ein Jahrzehnt ist verflossen, seit Heinrich Schliemann den
ersten Spatenstich auf dem Burgberge von Hissarlik in der Ebene
von Troas gethan Hot. Nachdem seine ersten Ausgrabungen in
den Jahren 1871—73 reiche materielle Resultate erzielt hatte»,
nahm er sie 1878 wieder auf und machte bis zum Jahre 1879 von
neuem zahlreiche, wenn auch minder werthvolle Funde, die er dann mit den frühern
noch England hinüberschaffte, wo sie längere Zeit im Keusingtomnuseum in London
ausgestellt waren. Als im Januar dieses Jahres zuerst das Gerücht nach Deutsch-



*) Nachdem wir im 9. Hefte d. Bl. einen Aussatz gebracht: „Schlicmcmus Trojanische Samm¬
lung", der lediglich den Zweck verfolgte, ans die Bedeutung der Schliemannschcn Schenkung
hinzuweisen und seine Verdienste um die Wissenschaft gegen die Spöttereien Urtheilsloser
sicherzustellen, schließen wir diesem Aufsatze einen zweiten an, der sich mit der neuesten volu¬
minösen Publiention Schliemauus beschäftigt. Es liegt auf der Hand, daß dieser zweite
D, R. Artikel einen wesentlich andern Standpunkt einnehmen muß als der erste.
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[0524] Schlicnianns Ilios Zeugnisse seiner Thätigkeit, theilweiser Erfolge, theilweiser Niederlagen. Ob er irgend einem andern Beruf neben der Schriftstellers angehörte, ist nicht nach¬ zuweisen. Von 1621 tritt er in den Vordergrund, von 1623, wo die Tragödie „Der Herzog von Mailand" erschien, wurde er den besten Namen hinzugezählt, etwa seit 1630, wo die Rivalen und Genossen Shakespeares einer nach dein andern geschieden waren und Ben Jonsons Kraft durch Alter und Krankheit erlahmte, galt er als die bedeutendste Dichterkraft, kurz vor dem Untergang des altenglischen Theaters starb er „in seinem Hause" Bankside und ward am 18. März 1639 beerdigt. Es scheint, daß er als Katholik starb; er müßte in diesem Falle während seines Lebens zur alten Kirche übergetreten sein. Massingcrs Werke zeigen deutlich, daß der Zug der Zeit mehr »ach einem rhetorischen Drama zu gehen begann; aber welche Lebensfülle, welcher Kern wirklicher Handlung und Menschendarstellung ist neben der rhetorischen Diction in eben diesen Werken noch bewahrt! Alles in allem ergiebt sich klar, daß es keine ansgelebte und überlebte Kunst war, welcher die Parlamentsediete von 1642 und 1647 mit dem Verbot der Theater ihren natürlichen Boden entzogen. Schliemanns Ilios." erade ein Jahrzehnt ist verflossen, seit Heinrich Schliemann den ersten Spatenstich auf dem Burgberge von Hissarlik in der Ebene von Troas gethan Hot. Nachdem seine ersten Ausgrabungen in den Jahren 1871—73 reiche materielle Resultate erzielt hatte», nahm er sie 1878 wieder auf und machte bis zum Jahre 1879 von neuem zahlreiche, wenn auch minder werthvolle Funde, die er dann mit den frühern noch England hinüberschaffte, wo sie längere Zeit im Keusingtomnuseum in London ausgestellt waren. Als im Januar dieses Jahres zuerst das Gerücht nach Deutsch- *) Nachdem wir im 9. Hefte d. Bl. einen Aussatz gebracht: „Schlicmcmus Trojanische Samm¬ lung", der lediglich den Zweck verfolgte, ans die Bedeutung der Schliemannschcn Schenkung hinzuweisen und seine Verdienste um die Wissenschaft gegen die Spöttereien Urtheilsloser sicherzustellen, schließen wir diesem Aufsatze einen zweiten an, der sich mit der neuesten volu¬ minösen Publiention Schliemauus beschäftigt. Es liegt auf der Hand, daß dieser zweite D, R. Artikel einen wesentlich andern Standpunkt einnehmen muß als der erste.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/524>, abgerufen am 29.04.2024.