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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Das vergangene Jahr.

as Jahr 1880, dessen letzte Tage wir vor uns sehen, war in poli¬
tischen Dingen-kein Jahr von großer Bedeutung. Weder in der uns
zunächst liegenden Welt der innern Fragen des deutschen Reiches
noch auf dem Gebiete der Entwicklung der Beziehungen des
letztern zu den übrigen Gliedern der Völkerfamilie, noch endlich in
Betreff der Angelegenheiten, welche diese unsere nähern oder entfernter" Ver¬
wandten in erster Linie allein angehen, hat das im Verschwinden begriffene Jahr
neue Probleme von besondrer Wichtigkeit gestellt oder alte wesentlich gefordert.
Gewiß und selbstverständlich arbeitete der Geist der Geschichte fort, aber ge¬
räuschloser als in den nächsten Zeitperioden vorher. Weder eine Revolution
noch ein Krieg, der unsere nationalen Interessen in Mitleidenschaft zog, noch
entscheidende parlamentarische Kämpfe waren zu verzeichnen. Die Minister¬
wechsel in Frankreich und England haben bei der Politik, die diesen Staaten
durch die Verhältnisse und nicht am wenigsten durch den Einfluß des deutschen
Reiches und dessen Freundschaft mit Oesterreich-Ungarn ebenso wie andern euro¬
päischen Großmächten geboten ist, im Großen und Ganzen wenig geändert. Der
Friede, der eine kleine Weile bedroht scheinen konnte, blieb erhalten, ja er hat,
wenn nicht alles trügt, in den letzten Monaten an Festigkeit gewonnen. Im
übrigen war das verflossene Jahr ein Jahr der Vorbereitung, der nachsenden
Erkenntniß und der Klärung.

Blicken wir auf die Ereignisse, die das Jahr 1880 in Deutschland brachte,
so erschien das erste derselben als nicht eben friedlichen Charakters. Der dem


GrenMten I, 1


Das vergangene Jahr.

as Jahr 1880, dessen letzte Tage wir vor uns sehen, war in poli¬
tischen Dingen-kein Jahr von großer Bedeutung. Weder in der uns
zunächst liegenden Welt der innern Fragen des deutschen Reiches
noch auf dem Gebiete der Entwicklung der Beziehungen des
letztern zu den übrigen Gliedern der Völkerfamilie, noch endlich in
Betreff der Angelegenheiten, welche diese unsere nähern oder entfernter» Ver¬
wandten in erster Linie allein angehen, hat das im Verschwinden begriffene Jahr
neue Probleme von besondrer Wichtigkeit gestellt oder alte wesentlich gefordert.
Gewiß und selbstverständlich arbeitete der Geist der Geschichte fort, aber ge¬
räuschloser als in den nächsten Zeitperioden vorher. Weder eine Revolution
noch ein Krieg, der unsere nationalen Interessen in Mitleidenschaft zog, noch
entscheidende parlamentarische Kämpfe waren zu verzeichnen. Die Minister¬
wechsel in Frankreich und England haben bei der Politik, die diesen Staaten
durch die Verhältnisse und nicht am wenigsten durch den Einfluß des deutschen
Reiches und dessen Freundschaft mit Oesterreich-Ungarn ebenso wie andern euro¬
päischen Großmächten geboten ist, im Großen und Ganzen wenig geändert. Der
Friede, der eine kleine Weile bedroht scheinen konnte, blieb erhalten, ja er hat,
wenn nicht alles trügt, in den letzten Monaten an Festigkeit gewonnen. Im
übrigen war das verflossene Jahr ein Jahr der Vorbereitung, der nachsenden
Erkenntniß und der Klärung.

Blicken wir auf die Ereignisse, die das Jahr 1880 in Deutschland brachte,
so erschien das erste derselben als nicht eben friedlichen Charakters. Der dem


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[0009] [Abbildung] Das vergangene Jahr. as Jahr 1880, dessen letzte Tage wir vor uns sehen, war in poli¬ tischen Dingen-kein Jahr von großer Bedeutung. Weder in der uns zunächst liegenden Welt der innern Fragen des deutschen Reiches noch auf dem Gebiete der Entwicklung der Beziehungen des letztern zu den übrigen Gliedern der Völkerfamilie, noch endlich in Betreff der Angelegenheiten, welche diese unsere nähern oder entfernter» Ver¬ wandten in erster Linie allein angehen, hat das im Verschwinden begriffene Jahr neue Probleme von besondrer Wichtigkeit gestellt oder alte wesentlich gefordert. Gewiß und selbstverständlich arbeitete der Geist der Geschichte fort, aber ge¬ räuschloser als in den nächsten Zeitperioden vorher. Weder eine Revolution noch ein Krieg, der unsere nationalen Interessen in Mitleidenschaft zog, noch entscheidende parlamentarische Kämpfe waren zu verzeichnen. Die Minister¬ wechsel in Frankreich und England haben bei der Politik, die diesen Staaten durch die Verhältnisse und nicht am wenigsten durch den Einfluß des deutschen Reiches und dessen Freundschaft mit Oesterreich-Ungarn ebenso wie andern euro¬ päischen Großmächten geboten ist, im Großen und Ganzen wenig geändert. Der Friede, der eine kleine Weile bedroht scheinen konnte, blieb erhalten, ja er hat, wenn nicht alles trügt, in den letzten Monaten an Festigkeit gewonnen. Im übrigen war das verflossene Jahr ein Jahr der Vorbereitung, der nachsenden Erkenntniß und der Klärung. Blicken wir auf die Ereignisse, die das Jahr 1880 in Deutschland brachte, so erschien das erste derselben als nicht eben friedlichen Charakters. Der dem GrenMten I, 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/9>, abgerufen am 28.04.2024.