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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Gstiennes.
(Schlich.)
2, Aufhebung des Ldicts von Nantes und Flucht aus Frankreich ^68 3,

achdciu Estienne von seinen Irrfahrten glücklich in das väterliche
Haus zurückgekehrt war, begann er auch seine Arbeit im Geschäfte
des Vaters wieder aufzunehmen. Bald aber entschied sich der
Vater dafür, dein Sohne ein eignes Geschäft zu gründen, denn
noch war Jakob unverheiratet und zu einem lockern Leben immer
aufgelegt. Mit der Selbständigkeit, so hoffte der Vater, werde wohl ein größrer
Ernst sich einstellen. Indessen scheiterte dieser Plan an den religiösen Streitig¬
keiten. Die katholischen Meister schlugen nämlich das Gesuch Jakobs ab, und
als es der Lieutenant des Landrichters bewilligte, wandten sich die Meister der
Zunft an das Parlament zu Metz. Trotzdem ein tüchtiger Advvent die Sache
Estiennes führte, wurde er hier hauptsächlich auf Antrieb des Bischofs von Metz
zurückgewiesen. Zwei Auswege gab es noch, um das Ziel trotzdem zu erreichen,
katholisch zu werden oder sich an den König zu wenden. Im erster" Falle sollte,
so erklärte man, Estienne keine Schwierigkeiten finden. Dieser begab sich aber,
um einen letzten Versuch zu wagen, mit seinein Vater nach Paris. Wohl bot
er hier 50 Pistolen, um einen directen Befehl des Königs gegen den Beschluß
des Metzer Parlaments zu erhalten. Vergebens, "denn der Entschluß, unsre
Religion zu vertilgen, war einmal gefaßt, und es war also keine Gnade mehr
für die Bekenner derselben zu hoffen."

Schon damals hatte Jakob Estienne die Absicht, Frankreich für immer zu
verlassen und in Holland oder Deutschland sich eine neue Heimat zu gründen,
aber die Rücksicht auf seine Eltern, denen der Gedanke einer Trennung von ihrem
ältesten Sohne sehr schwer fiel, bewog ihn endlich doch in Metz zu bleiben. Er
errichtete nun hier eine Handlung mit Kurzwaareu. Bald darauf verheiratete
er sich. Die Furcht, daß der König endlich dei? reformirten Glauben ausrotten
werde, worauf viele Maßregeln hindeuteten, ließ ihn wenige Jahre darauf auf
seinen ursprünglichen Plan zurückkommen. Er erzählt darüber folgendes:

"Unterdessen waren die armen Reformirten in Frankreich immer der Gegen¬
stand der Wuth der Klerisei, welche ihnen keine Ruhe ließ; alle Tage neue Edicte,
das eine gegen die vorgeblichen Abtrünnigen, ein andres, um den reformirten
Kindern zu erlauben, gegen den Willen ihrer Väter in einem Alter von sieben
Jahren die römische Religion anzunehmen, ein drittes, um den reformirten


Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Gstiennes.
(Schlich.)
2, Aufhebung des Ldicts von Nantes und Flucht aus Frankreich ^68 3,

achdciu Estienne von seinen Irrfahrten glücklich in das väterliche
Haus zurückgekehrt war, begann er auch seine Arbeit im Geschäfte
des Vaters wieder aufzunehmen. Bald aber entschied sich der
Vater dafür, dein Sohne ein eignes Geschäft zu gründen, denn
noch war Jakob unverheiratet und zu einem lockern Leben immer
aufgelegt. Mit der Selbständigkeit, so hoffte der Vater, werde wohl ein größrer
Ernst sich einstellen. Indessen scheiterte dieser Plan an den religiösen Streitig¬
keiten. Die katholischen Meister schlugen nämlich das Gesuch Jakobs ab, und
als es der Lieutenant des Landrichters bewilligte, wandten sich die Meister der
Zunft an das Parlament zu Metz. Trotzdem ein tüchtiger Advvent die Sache
Estiennes führte, wurde er hier hauptsächlich auf Antrieb des Bischofs von Metz
zurückgewiesen. Zwei Auswege gab es noch, um das Ziel trotzdem zu erreichen,
katholisch zu werden oder sich an den König zu wenden. Im erster» Falle sollte,
so erklärte man, Estienne keine Schwierigkeiten finden. Dieser begab sich aber,
um einen letzten Versuch zu wagen, mit seinein Vater nach Paris. Wohl bot
er hier 50 Pistolen, um einen directen Befehl des Königs gegen den Beschluß
des Metzer Parlaments zu erhalten. Vergebens, „denn der Entschluß, unsre
Religion zu vertilgen, war einmal gefaßt, und es war also keine Gnade mehr
für die Bekenner derselben zu hoffen."

Schon damals hatte Jakob Estienne die Absicht, Frankreich für immer zu
verlassen und in Holland oder Deutschland sich eine neue Heimat zu gründen,
aber die Rücksicht auf seine Eltern, denen der Gedanke einer Trennung von ihrem
ältesten Sohne sehr schwer fiel, bewog ihn endlich doch in Metz zu bleiben. Er
errichtete nun hier eine Handlung mit Kurzwaareu. Bald darauf verheiratete
er sich. Die Furcht, daß der König endlich dei? reformirten Glauben ausrotten
werde, worauf viele Maßregeln hindeuteten, ließ ihn wenige Jahre darauf auf
seinen ursprünglichen Plan zurückkommen. Er erzählt darüber folgendes:

„Unterdessen waren die armen Reformirten in Frankreich immer der Gegen¬
stand der Wuth der Klerisei, welche ihnen keine Ruhe ließ; alle Tage neue Edicte,
das eine gegen die vorgeblichen Abtrünnigen, ein andres, um den reformirten
Kindern zu erlauben, gegen den Willen ihrer Väter in einem Alter von sieben
Jahren die römische Religion anzunehmen, ein drittes, um den reformirten


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[0140] Aus den Denkwürdigkeiten Jakob Gstiennes. (Schlich.) 2, Aufhebung des Ldicts von Nantes und Flucht aus Frankreich ^68 3, achdciu Estienne von seinen Irrfahrten glücklich in das väterliche Haus zurückgekehrt war, begann er auch seine Arbeit im Geschäfte des Vaters wieder aufzunehmen. Bald aber entschied sich der Vater dafür, dein Sohne ein eignes Geschäft zu gründen, denn noch war Jakob unverheiratet und zu einem lockern Leben immer aufgelegt. Mit der Selbständigkeit, so hoffte der Vater, werde wohl ein größrer Ernst sich einstellen. Indessen scheiterte dieser Plan an den religiösen Streitig¬ keiten. Die katholischen Meister schlugen nämlich das Gesuch Jakobs ab, und als es der Lieutenant des Landrichters bewilligte, wandten sich die Meister der Zunft an das Parlament zu Metz. Trotzdem ein tüchtiger Advvent die Sache Estiennes führte, wurde er hier hauptsächlich auf Antrieb des Bischofs von Metz zurückgewiesen. Zwei Auswege gab es noch, um das Ziel trotzdem zu erreichen, katholisch zu werden oder sich an den König zu wenden. Im erster» Falle sollte, so erklärte man, Estienne keine Schwierigkeiten finden. Dieser begab sich aber, um einen letzten Versuch zu wagen, mit seinein Vater nach Paris. Wohl bot er hier 50 Pistolen, um einen directen Befehl des Königs gegen den Beschluß des Metzer Parlaments zu erhalten. Vergebens, „denn der Entschluß, unsre Religion zu vertilgen, war einmal gefaßt, und es war also keine Gnade mehr für die Bekenner derselben zu hoffen." Schon damals hatte Jakob Estienne die Absicht, Frankreich für immer zu verlassen und in Holland oder Deutschland sich eine neue Heimat zu gründen, aber die Rücksicht auf seine Eltern, denen der Gedanke einer Trennung von ihrem ältesten Sohne sehr schwer fiel, bewog ihn endlich doch in Metz zu bleiben. Er errichtete nun hier eine Handlung mit Kurzwaareu. Bald darauf verheiratete er sich. Die Furcht, daß der König endlich dei? reformirten Glauben ausrotten werde, worauf viele Maßregeln hindeuteten, ließ ihn wenige Jahre darauf auf seinen ursprünglichen Plan zurückkommen. Er erzählt darüber folgendes: „Unterdessen waren die armen Reformirten in Frankreich immer der Gegen¬ stand der Wuth der Klerisei, welche ihnen keine Ruhe ließ; alle Tage neue Edicte, das eine gegen die vorgeblichen Abtrünnigen, ein andres, um den reformirten Kindern zu erlauben, gegen den Willen ihrer Väter in einem Alter von sieben Jahren die römische Religion anzunehmen, ein drittes, um den reformirten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/140>, abgerufen am 06.05.2024.