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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Der Porträtmaler unsrer (Klassiker.

einher Künstler dem deutschen Volke das beste Bildniß Goethes
geschenkt hat, des jungen Goethe, den wir jetzt vor allen Dingen
sehen wollen, und auf dessen Darstellung jetzt auch überall, mag
sichs um ein Denkmal oder ein Porträt für ein Galeriewerk
oder eine simple Buchillustration handeln, das Hauptgewicht ge¬
legt wird, ist erst kürzlich bei Besprechung der Publication H, Rolletts über die
Bildnisse Goethes ausführlich in diesen Blättern erörtert worden: es war Georg
Oswald May, der Offenbacher Maler, Sein herrliches Porträt des jungen
Goethe befindet sich jetzt im Besitze der Cottaschen Buchhandlung in Stuttgart,
Demselben Künstler verdanken wir auch ein Bildniß Wielands aus seinen mittlern
Jahren -- Banse hat es gestochen --, und endlich wird ihm auch, freilich ohne
genügende Sicherheit, das schöne, lebensvolle, von Goethe hoch verehrte Bildniß
Lessings zugeschrieben, das früher im Gleimschen Freundschaftstempel in Hnlber-
ftadt hing und jetzt im Halberstädter Domgymnasium aufbewahrt wird. Leider
ist es wenig beachtet worden. Rietschel hat es für feine Braunschweiger Lessing¬
statue benutzt, eine gute Nachbildung davon hat es aber bis in die jüngste
Zeit herein nicht gegeben. Ein Engländer hat kommen müssen, um uns auf
dieses Kleinod aufmerksam zu machen: James Sine hat eine treffliche Photo¬
graphie davon dem ersten Bande seiner 1877 bei Trübner in London erschienenen
Lessingbiographie als Titelbild beigegeben.

Neben May verdient vor allem noch Tischbein Erwähnung. Wohlgemerkt:
Tischbeine hat es in der Malerei des vorigen Jahrhunderts mehr gegeben als
Bache in der Musik, darunter wieder eine ganze Reihe von Porträtmalern-
Wer soll sie alle unterscheiden und ihre Vornamen behalten? Hier meinen wir
nicht den Goethe-Tischbein, Johann Heinrich Wilhelm, der, so hervorragend er
auch sonst ist, als Porträtmaler doch weniger in Frage kommt, wiewohl er das
merkwürdige, jetzt im Besitze des Barons v. Rothschild in Frankfurt befindliche
Bild gemalt hat: Goethe mit Hut und Mantel unter Ruinen sitzend. Wir meinen
Johann Friedrich August Tischbein, den Vetter des eben genannten, der von
1800 bis 1812 als Oefers Nachfolger Leipziger Akademiedirector war. Dieser
hat Bilder Wielands, Herders und Schillers gemalt, die auch zum Theil durch
den Stich bekannt geworden sind.

Fragt man aber nach dem Porträtmaler unsrer Klassiker e^ox^-
kann nur ein Name genannt werden: Anton Graff. Weder in der Menge
noch in der Güte dessen, was er auf diesem Gebiete geschaffen, kann sich irgend


Der Porträtmaler unsrer (Klassiker.

einher Künstler dem deutschen Volke das beste Bildniß Goethes
geschenkt hat, des jungen Goethe, den wir jetzt vor allen Dingen
sehen wollen, und auf dessen Darstellung jetzt auch überall, mag
sichs um ein Denkmal oder ein Porträt für ein Galeriewerk
oder eine simple Buchillustration handeln, das Hauptgewicht ge¬
legt wird, ist erst kürzlich bei Besprechung der Publication H, Rolletts über die
Bildnisse Goethes ausführlich in diesen Blättern erörtert worden: es war Georg
Oswald May, der Offenbacher Maler, Sein herrliches Porträt des jungen
Goethe befindet sich jetzt im Besitze der Cottaschen Buchhandlung in Stuttgart,
Demselben Künstler verdanken wir auch ein Bildniß Wielands aus seinen mittlern
Jahren — Banse hat es gestochen —, und endlich wird ihm auch, freilich ohne
genügende Sicherheit, das schöne, lebensvolle, von Goethe hoch verehrte Bildniß
Lessings zugeschrieben, das früher im Gleimschen Freundschaftstempel in Hnlber-
ftadt hing und jetzt im Halberstädter Domgymnasium aufbewahrt wird. Leider
ist es wenig beachtet worden. Rietschel hat es für feine Braunschweiger Lessing¬
statue benutzt, eine gute Nachbildung davon hat es aber bis in die jüngste
Zeit herein nicht gegeben. Ein Engländer hat kommen müssen, um uns auf
dieses Kleinod aufmerksam zu machen: James Sine hat eine treffliche Photo¬
graphie davon dem ersten Bande seiner 1877 bei Trübner in London erschienenen
Lessingbiographie als Titelbild beigegeben.

Neben May verdient vor allem noch Tischbein Erwähnung. Wohlgemerkt:
Tischbeine hat es in der Malerei des vorigen Jahrhunderts mehr gegeben als
Bache in der Musik, darunter wieder eine ganze Reihe von Porträtmalern-
Wer soll sie alle unterscheiden und ihre Vornamen behalten? Hier meinen wir
nicht den Goethe-Tischbein, Johann Heinrich Wilhelm, der, so hervorragend er
auch sonst ist, als Porträtmaler doch weniger in Frage kommt, wiewohl er das
merkwürdige, jetzt im Besitze des Barons v. Rothschild in Frankfurt befindliche
Bild gemalt hat: Goethe mit Hut und Mantel unter Ruinen sitzend. Wir meinen
Johann Friedrich August Tischbein, den Vetter des eben genannten, der von
1800 bis 1812 als Oefers Nachfolger Leipziger Akademiedirector war. Dieser
hat Bilder Wielands, Herders und Schillers gemalt, die auch zum Theil durch
den Stich bekannt geworden sind.

Fragt man aber nach dem Porträtmaler unsrer Klassiker e^ox^-
kann nur ein Name genannt werden: Anton Graff. Weder in der Menge
noch in der Güte dessen, was er auf diesem Gebiete geschaffen, kann sich irgend


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[0154] Der Porträtmaler unsrer (Klassiker. einher Künstler dem deutschen Volke das beste Bildniß Goethes geschenkt hat, des jungen Goethe, den wir jetzt vor allen Dingen sehen wollen, und auf dessen Darstellung jetzt auch überall, mag sichs um ein Denkmal oder ein Porträt für ein Galeriewerk oder eine simple Buchillustration handeln, das Hauptgewicht ge¬ legt wird, ist erst kürzlich bei Besprechung der Publication H, Rolletts über die Bildnisse Goethes ausführlich in diesen Blättern erörtert worden: es war Georg Oswald May, der Offenbacher Maler, Sein herrliches Porträt des jungen Goethe befindet sich jetzt im Besitze der Cottaschen Buchhandlung in Stuttgart, Demselben Künstler verdanken wir auch ein Bildniß Wielands aus seinen mittlern Jahren — Banse hat es gestochen —, und endlich wird ihm auch, freilich ohne genügende Sicherheit, das schöne, lebensvolle, von Goethe hoch verehrte Bildniß Lessings zugeschrieben, das früher im Gleimschen Freundschaftstempel in Hnlber- ftadt hing und jetzt im Halberstädter Domgymnasium aufbewahrt wird. Leider ist es wenig beachtet worden. Rietschel hat es für feine Braunschweiger Lessing¬ statue benutzt, eine gute Nachbildung davon hat es aber bis in die jüngste Zeit herein nicht gegeben. Ein Engländer hat kommen müssen, um uns auf dieses Kleinod aufmerksam zu machen: James Sine hat eine treffliche Photo¬ graphie davon dem ersten Bande seiner 1877 bei Trübner in London erschienenen Lessingbiographie als Titelbild beigegeben. Neben May verdient vor allem noch Tischbein Erwähnung. Wohlgemerkt: Tischbeine hat es in der Malerei des vorigen Jahrhunderts mehr gegeben als Bache in der Musik, darunter wieder eine ganze Reihe von Porträtmalern- Wer soll sie alle unterscheiden und ihre Vornamen behalten? Hier meinen wir nicht den Goethe-Tischbein, Johann Heinrich Wilhelm, der, so hervorragend er auch sonst ist, als Porträtmaler doch weniger in Frage kommt, wiewohl er das merkwürdige, jetzt im Besitze des Barons v. Rothschild in Frankfurt befindliche Bild gemalt hat: Goethe mit Hut und Mantel unter Ruinen sitzend. Wir meinen Johann Friedrich August Tischbein, den Vetter des eben genannten, der von 1800 bis 1812 als Oefers Nachfolger Leipziger Akademiedirector war. Dieser hat Bilder Wielands, Herders und Schillers gemalt, die auch zum Theil durch den Stich bekannt geworden sind. Fragt man aber nach dem Porträtmaler unsrer Klassiker e^ox^- kann nur ein Name genannt werden: Anton Graff. Weder in der Menge noch in der Güte dessen, was er auf diesem Gebiete geschaffen, kann sich irgend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/154>, abgerufen am 29.04.2024.